Dämon+Engel, Vezelay, F: explizit.net, E.B.

Nicht gerichtsfest, sondern katholisch den Missbrauch aufarbeiten

Mit Akten soll der Missbrauch aufgearbeitet werden. Das soll "gerichtsfest" geschehen. Eine Kanzlei hat das nach dem Urteil der Kölner Bistumsleitung nicht hinbekommen. Eine andere soll es jetzt besser machen. Damit definiert das Bistum die Aufarbeitung als juristische Prozedur. Schuld fordert jedoch Eingeständnis, eben Beichte und die öffentlich. VW macht es ebenso falsch und die Öffentlichkeit wartet nicht.

gerichtsfest – das soll wohl Priester, die sich schuldig gemacht haben, sowie Verantwortliche, die nicht gehandelt haben, vor ungerechtfertigten Anklagen schützen. Jetzt wird der Kölner Kardinal sowie der frühere Personaldezernent, der heutige Hamburger Erzbischof, beschuldigt, Täter gedeckt zu haben. Es zeigt sich: Der Umweg über Akten fixiert die Täter und die Verantwortlichen in ihrem Schweigen. In Köln und anderswo hat man die Beobachtung Jesu nicht ernst genommen: "Was Euch zugeflüstert wurde, wird von den Dächern verkündet.“ Dabei kann nur offenes Eingeständnis den Opfern im Heilungsprozess helfen. Das verlangen nicht nur die Medien, sondern das, was wir Öffentlichkeit nennen. Das ist auch unerlässlich für eine Heilung. Die Opfer werden nämlich in ihren Gefühlen fixiert, wenn die Täter nicht zu ihren Taten stehen. Gibt es nicht eine katholische Beichtpraxis, die auch für schwere Schuld den Weg weist. Und haben nicht Päpste sich mit Opfern getroffen? Warum der Umweg über Akten? Und wer soll in einem solchen Umfeld noch Priester werden?

Auch Institutionen brauchen einen Beichtstuhl

Wäre eine protestantische Landeskirche auf die Idee gekommen, mit Akten das Problem aufzuarbeiten? Das ist auch nicht "katholisch" im ursprünglichen Sinn, denn als Bischof oder Personaldezernent würde man beichten gehen. Den Beichtstuhl für Institutionen haben die Medien aufgestellt. Als Katholiken sollte man diesen Beichtstuhl nutzen, denn dort gibt es auch eine Absolution. Wie im kirchlichen Beichtstuhl gibt es jedoch Vergebung nur für das, was auch als Verfehlung bekannt wurde. Medien wollen Aufklärung. So lange die beichtende Institution den Verdacht nährt, etwas zu vertuschen, werden die Journalisten weiter recherchieren. Der rätselhafte Vorgang, eine von Rechtsanwälten vorgenommene Aktenanalyse nicht zu veröffentlichen, verstärkt den Verdacht, dass die Täter weiter geschützt werden. Das muss für die Opfer quälend sein. Denn die menschliche Psyche ist so gestrickt, dass sich die Verletzung tiefer einbrennt, wenn der Täter seine Untat leugnet. Seelische Erleichterung geschieht erst, wenn der Täter anerkennt, das Opfer verletzt und geschädigt zu haben. Das wissen schon junge Menschen aus eigener Erfahrung. Stehen Bischöfe, Personaldezernenten, Ordensoberen zum Versagen der Institution, können sie mit der Absolution rechnen, wie sie u.a. einige Bistümer, so Aachen und die deutsche Jesuitenprovinz erhalten haben. Sie sind zumindest aus den Schlagzeilen.

Medien, der Beichtstuhl, der Bischöfen nicht geheuer ist

In dem medialen Beichtstuhl stehen die heute Verantwortlichen auch für ihre Vorgänger ein. Das ist für Katholiken ungewohnt, denn im kirchlichen Beichtstuhl bekennt man nur die eigenen Sünden. Zwar ist das Versagen einer Institution durch Personen verursacht, jedoch sind ein Personaldezernent und ein Bischof keine individuellen Täter. Sie sollen nicht für sich persönlich, sondern für die Institution einstehen, also auch für das Handeln ihrer Vorgänger. Diese handelten nicht, um die Institution vor der Kritik abzuschirmen. Nicht zu Unrecht will man auch von ihnen wissen, ob sie diese Praxis aufgeben und dem Schutz der Opfer den Vorrang geben.

Zurückschrecken vor der Öffentlichkeit

Könnte es sein, dass den Verantwortlichen in Köln die Öffentlichkeit des medialen Beichtstuhls nicht geheuer ist. Als Katholik rechnet man mit dem Beichtgeheimnis, d.h. nur dem Priester muss der Beichtende bekennen. Dieser ist mit der Androhung der schwersten Kirchenstrafe gehalten, absolutes Schweigen zu bewahren. Das Schuldeingeständnis, welches die Journalisten einfordern, kann dann schon wie eine Art öffentliche Hinrichtung erscheinen. Aber wird der Bekennende tatsächlich vogelfrei? Oder folgt wie nach einem Richterspruch die Strafe. In der Regel verschwindet das Thema dann aus den Medien. Es sei denn, die Journalisten erhalten von Betroffenen oder von Mitarbeitern der Institution Hinweise auf Täter, die weiter von der Institution gedeckt werden. Je länger der Gang in den öffentlichen Beichtstuhl hinausgezögert wird, desto geringer die Bereitschaft, der Öffentlichkeit, der Instruktion zuzutrauen, dass sie die Opfer demnächst besser schütze. Man sollte sich in Köln darüber klar sein, dass die Journalisten nicht nur Rückendeckung von den Kirchenkritikern spüren, sondern von den Kirchenmitgliedern. Denn was erhofft sich das Mitglied eines Pfarrgemeinderates anderes, als dass das Thema endlich bereinigt wird. Und was bleibt einem jungen Menschen, der den Ruf spürt, Priester zu werden oder in einen Orden einzutreten? Für alle gilt, dass mit der Auswertung der Akten die entscheidende Frage nicht beantwortet wird:

Wie wird das Vertuschungssystem überwunden:    

Die jetzt über Jahre gehende Erhebung über jahrzehntelangen Missbrauch führt zu immer weiteren Berichten über Fehlleistungen der Institution. Faktisch hat sich die Verzögerung so ausgewirkt, dass es kaum andere Themen gibt als immer weitere Missbrauchsberichte, mit denen die katholische Kirche in den Medien vorkommt. Den eigenen Mitgliedern wie der gesamten Öffentlichkeit wird vermittelt, dass die Institution nicht die Kraft hat, sich von einer Kinder bedrohenden in eine Kinder schützende Institution zu wandeln. Vergleicht man das mit dem Dieselskandal, dann hält das fehlende Schuldeingeständnis der Verantwortlichen auch dieses Thema weiter in den Medien. Es wird an VW auch ablesbar, dass es nicht genügt, dass die Verantwortlichen gegenüber dem Aufsichtsrat bekennen. Weil jeder Halter eines Autos dieser Marke betroffen und VW Bestandteil der deutschen Identität ist, kann nur das Eingeständnis des zur Tatzeit amtierenden Vorstandsvorsitzenden den Knoten lösen. Der weigert sich seit Jahren, in den öffentlichen Beichtstuhl zu treten. Gerichte müssen mühsam herausfinden, was der Letztverantwortliche besser selber sagen könnte. Damit hält er über VW die Verdachtswolke, Entscheidendes werde verschwiegen. Nicht anderes die noch lebenden Verantwortlichen in den Bistümern. Sie könnten doch ganz einfach gemeinsam den Umfang der Verbrechen benennen und ihre Verantwortung eingestehen. Nicht einzeln, als würden sie nach und nach gezwungen, sondern gemeinsam, aus eigner Einsicht in die schweren Schäden, die Kindern zugefügt wurden. Dieses System, das die Täter schützt, liegt wohl in Tiefenschichten der Institution und muss beschrieben werden. Auch dafür müssen keine Akten ausgewertet werden.

Warum nicht Menschen befragen

Es müssen Viele von dem jahrzehntelangen Missbrauch gewusst haben. Bei der Zahl der Opfer müssen Ärzte, Eltern, Lehrer etwas gemerkt haben. Auch die Sekretärinnen, ob in der Personalabteilung eines Bistums oder in den Pfarreien und Schulen haben sicher genug beobachtet, um jetzt zu helfen, die Schwachstellen zu identifizieren. Warum hat die Aussage Jesu nicht durchgeschlagen: „Wer eines dieser Kleinen schädigt, soll mit einem Mühlstein am Hals ertränkt werden.“ Anstatt über Jahre aus den Akten das Systemische zu rekonstruieren, hätten 30 Interviews genügt, um die Mechanismen freizulegen, mit denen die Täter geschützt und die Opfer ihrem Schicksal überlassen wurden. Es genügt nicht, das Versagen der Institution festzustellen, sondern wie sie sich reorganisieren wird, dass Täter nicht mehr einfach versetzt und über die Vorgänge der Mantel des Schweigens gelegt wird. Wenn die Akten tatsächlich eine aussagefähige Quelle sind, dann ist das doch der Beweis, dass die Täter bekannt und die Verantwortlichen damit befasst waren. Dann können Bischöfe, Ordensobere und Personalverantwortliche doch in guter katholischer Praxis beichten und Wiedergutmachung leisten. Wenn diese selber nicht gestehen wollen, gibt es ja diejenigen, die es mitbekommen haben. Wieso vertraut man Akten mehr als Mitarbeiterinnen, die aus Loyalität geschwiegen haben.

Wiedergutmachung: Forschung und neue Therapieansätze

Zu einer Beichte gehört der Wille zur Wiedergutmachung. Das wäre der nicht armen deutschen Kirche möglich. Sie könnte nicht nur eine Geldsumme an die Opfer zu zahlen, sondern Geld für Forschung bereitstellen und daraus Therapieangebote entwickeln. Auch hier würde ein Blick auf Jesus sofort zeigen, dass Heilung gefragt ist, zumindest, wie Menschen mit dieser sexuellen Orientierung zurechtkommen. Wie für Corona die besten Köpfe eine Lösung suchen, wäre doch die Tatsache des Missbrauchs nicht nur in der katholischen Kirche es wert, dass katholische Laien das Geld bekommen, um ein Institut zu gründen. Erst wenn den Tätern wirksamer geholfen wird, kann man von einem glaubwürdigen Kinderschutz sprechen. In Rom gibt es ein Child Protection Center, warum nicht in Deutschland?

übernommen von kath.de

Link: Missbrauch - die Bibel verlangt anderes Vorgehen

Centre for Child Protection an der päpstlichen Universität Gregoriana  


Kategorie: Kirche

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