St. Nikolaus, Kalkar, Foto: explizit.net E.B.

Könige auf dem Steckenpferd

Palmsonntag, Jesus zieht auf einem Esel in die Stadt des Königs ein. Ein sehr seltsamer Vorgang! So als ob der Bundespräsident mit einem VW Lupo vorgefahren käme. Dann noch dieses Prophetenwort: «Fürchte dich nicht, Tochter Zion!» Wer hat denn Angst vor einem Mann auf einem Esel?

Ortswechsel: Salvador da Bahia, Brasilien. Ein Gruppe harmloser Touristen, nur geringfügig größer als Jesus und seine Zwölf, betritt die Stadt. Eine Schar von Leuten begrüßt die Gruppe. Doch statt Palmzweigen haben sie Maschinengewehre in den Händen. Militär. Diese Situation wäre schon eher denkbar gewesen. Jesus, der Aufrührer, Gefährder der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, kommt in die Stadt. Er kommt, die Stadt im Sturm zu nehmen. Kein harmloser Touri mit Trekkingrucksack und Kamera im Anschlag. Ein bisschen Militär würde da sicherlich nicht schaden. Es wäre zu erwarten gewesen. Gut, er kommt nicht mit schwerem Kriegsgerät, sondern auf einem Esel. Nicht mal ein trojanisches Pferd konnten sie auftreiben. Die Taktik ist etwas abenteuerlich. Aber das ist das Spektakuläre: Es gibt kein Spektakel.

Die Leute: Vor 80 Jahren hatte man in solchen Fällen den rechten Arm zum Gruße hochgestreckt. Hier streckten sie Palmzweige in die Höhe. Statt militärisch disziplinierter Machtdemonstration scheint man eher in das San Francisco der späten Sechziger hineingeraten zu sein. Fehlt nur die Blume im Haar. Ein paar Tage später wird aus der Blume eine Dornenkrone. Man drückt ihm ein Rohr als Zepter in die Hand, huldigt ihm mit Spucke und baut ihm einen Thron aus zwei Balken. Er hat sogar zwei Hofbeamte neben sich. Das Bild wird also vervollständigt. Was ist das für ein König?

Einzug in Jerusalem, das ist das Bild unserer Seele. Jesus möchte in die Stadt einziehen. Und es passiert immer – wir nennen das Bekehrung – auf genau diese Weise. Die Stadt wappnet sich. Sie fürchtet einen argen Belagerungszustand, einen großen Feldherren. Man hat sich mit Maschinengewehren ausgerüstet, Argumente vor dem Herrn und gegen den Herrn. «Der stört mir nicht meine Ruhe. Ich ballere den mit Argumenten zu.» - Doch Jesus kommt selbst unbewaffnet. Er kommt so lächerlich daher, dass wir die Waffen strecken. Wir nehmen ihn nicht ernst und schon haben wir ihn reingelassen. Wir fangen an, ihn herbeizuwinken und jubeln ihm sogar entgegen.

Es vergeht eine Woche – sieben Tage können ganz schön lanag sein, lernen wir in der Genesis – und dann passiert der Aufruhr und die alte Ordnung wird gekippt. Die Seele hält Jesus nicht aus. «Raus mit ihm und kreuzigt ihn!» In der Brust werden hunderte Stimmen laut, die ihn verspotten und ans Kreuz nageln wollen. Jesus lässt sich das gefallen. Er kennt uns. Er weiß um unseren Spott. Wir wollen ihn nun zum Spottkönig machen. Doch wir verstehen ihn nicht, denn das ist sein Spiel. Er hat mit dem lächerlichen Königtum angefangen. Er hat den Esel schon geritten.

Der Prozessionszug zum königlichen Thronsaal setzt sich langsam in Bewegung. Ausnahmsweise geht der König heute voran. Seinen Thron hat er auch selbst dabei. Noch sind der Herodes und der Pontius Pilatus in uns guter Dinge. Wir hatten ganz nette Plaudereien mit diesem komischen König. Harmlos wie ein bekiffter Hippie. Wie sollte der denn die Stadt erobern? Und es kommt ja noch dicker: Dieser arme Tropf stirbt tatsächlich. So viel Aufmerksamkeit hat er gar nicht verdient. Ein Hingerichteter unter Hingerichteten. Wieder bleibt das Spektakel aus. Ein ganz normaler Freitag.

An diesen Punkt kommen die meisten Menschen, die von Jesus gehört haben. Er liegt nun irgendwo neben der Seele, verscharrt und im Grabe schlummernd. Es fehlt nur noch eins: die Auferstehung.

Wir vergessen das oft. Wir meinen, Mission habe viel mit Argumenten und Unterredungen zu tun. Wir streiten für Gott und wollen für ihn Menschen gewinnen. Wir vergessen, dass er schon längst in der Seele angekommen ist. Er hat das ganz stumm geschafft. Und wir vergessen auch, dass jene Redesalven noch keinen König je aus dem Grabe haben erstehen lassen. Auch die Auferweckung kommt ganz anders.

Auch das ist kurios, weil wir es nicht verstanden haben. Wir meinen, dies und jenes, das sei Auferstehung. Die Kirche, ja, die macht lauter solcher Auferstehungsangebote. So meint man. Für jeden ist was dabei. Jeder hat irgend etwas Totes in sich und das kann man mit neuem Leben füllen.

Nein, so ist nicht Auferstehung. Die Jünger finden nur das leere Grab. Sie wissen nicht, was passiert ist, sie wissen nur, dass es passiert ist. Wenn jemand von Auferstehung redet und meint zu wissen, was und wie es passiert ist, so wissen wir: das ist’s nicht.

Die Auferstehung ist so kurios, weil die Jünger den toten König suchen und ihn nicht finden. Wie oft versucht man bei Menschen einen toten Jesus zu finden? Doch was, wenn man nur ein leeres Grab antrifft? – Das ist so merkwürdig: Jesus regiert durch ein leeres Grab. Das rollt den Fall nochmal von hinten auf. An der Nummer war vielleicht doch etwas dran. Und Jesus fängt zu regieren an – durch das leere Grab. Die Geschichte läuft nun rückwärts. Die Stimmen, die ihn ans Kreuz gebracht haben, verstummen. Sie richten sich gegen einen selbst, denn man befindet sich plötzlich neben Jesus. Als seine Hofbeamten. Entweder der korrupte oder der mit dem Gnadenersuch. Es wird weiter zurückgespult und wir fangen an, Jesus in uns zu begrüßen. Wir begreifen, wie wir ihn bei seinem Einzug schon begrüßt haben. Wir erkennen, wie er zuvor an uns gehandelt hat: Wir waren blind und werden sehend, wir waren lahm und werden gehend. Schließlich sind wir mit der Reise rückwärts an ein Ende gekommen, d.h. zum Anfang zurück. Wir waren im Stall dabei und finden das Kind. Wir sehen die Verbindung: das Holz des Kreuzes und das Holz der Krippe sind eins. Und wir kommen an den allerersten Anfang: Der Engel spricht zu uns die Verheißung des Geistes. Wir sprechen unser marianisches Ja und Gott wird in uns geboren.

Dann denken wir über dieses Ja nach und verstehen es nicht so ganz. Wo kommt es her und wo geht es hin? Wer bin ich, dass ... -! Vermutlich müssen wir die Geschichte noch einmal in die andere Richtung durchgehen, um dieses Ja zu ergründen. Am Ende sehen wir: Dieses Ja hat sich am Kreuz erfüllt und wurde uns übergeben. Wir haben es empfangen, nicht gemacht.

Schließlich haben wir verstanden, dass wir die Krippe sind, die ihn fassen. Wir verstehen auch, dass wir das Kreuz sind, das er getragen hat. Wir wollen nun ihn tragen und es geschieht der wunderbare Tausch: Wir hängen nun am Kreuz. Wir werden ihm ähnlich: Könige auf dem Steckenpferd.

Am Ende: auch unser Grab - leer.


Kategorie: Kirche

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