Erwin Kräutler, emeritierter österreichisch-brasilianischer Bischof gehört dem 18-köpfigen Vorsynodalen Rat an, der die Amazonassynode im Oktober 2019 in Rom vorbereitete. In seinem Buch "Erneuerung jetzt - Impulse zur Kirchenreform aus Amazonien" blickt er kritisch auf den Umgang der Kolonialherren mit den indigenen Völkern, auf den Missbrauch der Natur durch Abholzung des Urwaldes und das Legen von Feuern. Er beschreibt die Aufbrüche, Nöte wie auch Fehler der Kirche beim Versuch, die unterschiedlichen Volksgruppen mit ihren individuellen Kulturen zu evangelisieren. Volksgruppen die von Verfolgung, Versklavung geplagt sind, deren Vorfahren von den Großgrundbesitzern fast vollständig ausgerottet wurden. Die jetzt noch vorhandenen indigenen Völker sind nur noch kleine Restvölker ehemals starker Nationen.
Binnenmigration in das Urwald-Gebiet
Der Bau der Transamazonica ab 1970, einer Autobahn durch die unberührten Urwälder Brasiliens, führte zur Migration tausender Familien in diese Region. Die in Amazonien ansässigen Indios wurden von ihrem Land vertrieben. Der Urwald wurde und wird nach wie vor systematisch ausgebeutet.
Sträflicher Umgang mit den indigenen Volksgruppen
Kräutler beklagt nicht nur die Zerstörung der Kulturen, die Verbrechen an der „Lunge“ der Welt durch Abholzung und Feuer, sondern auch die Vorgehensweise bei der Evangelisierung Amazoniens.
Für die Vorbereitung zur Amazoniensynode zeigt er auf, wo sowohl die Politik als auch römische Anordnungen für den augenblicklichen Zustand Amazoniens verantwortlich sind. Deutlich werden dabei die Schwierigkeiten, die Unterlassungen, die Fehler bei der Missionierung, die die Kultur der Indios eher zerstörte, als ihre Werte aufzugreifen, wie es der Begriff Inkulturation nahelegt.
Kirche der Laien
Orden, so die Franziskaner, Karmeliten, die Mercedarier und die Jesuiten, die sich im 17. Jahrhundert dort niederließen, werden bereits im 18. Jahrhundert wieder ausgewiesen. Zurück bleiben die jungen Gemeinden ohne Priester. Laien übernehmen die Verantwortung. Es entsteht ein Laienkatholizismus, der seine eigenen Formen und Riten aus den iberischen, indigenen und afrikanischen Traditionen schöpft.
Der Plan aus Rom
Am Ende des 19. Jahrhunderts folgt eine neue Epoche. Das kirchliche Leben soll „auf Linie gebracht werden“. Es werden neue Diözesen eingerichtet, Missionsgebiete einzelnen Ordensgemeinschaften überantwortet, um das religiöse Leben nach den Vorschriften und dem Kanon Roms zu gestalten. Das gelingt nur begrenzt. Die Menschen feiern insgeheim ihre „Heiligen“ auf ihre Art und nach ihren Riten.
Veränderung nach dem II. Vatikanischen Konzil
Erst nach dem II. Vatikanischen Konzil wird der religiöse, kulturelle, ökologische und gesellschaftliche Wert Amazoniens neu entdeckt. Die Bischöfe Amazoniens sind die ersten, die sich mit dem Umweltschutz wie mit einer angemessenen Inkulturation beschäftigen. Sie bemühen sich, die Indios, Afroamerikaner und Mestizen in ihrer Lebensweise ernst zu nehmen, ihnen mit Respekt zu begegnen, indem sie deren Weltanschauungen, deren kulturellen Hintergrund berücksichtigen. Neu dabei ist, dass sie der Auffassung sind, dass eine Inkulturation nicht die Kultur europäisieren, sondern die christliche Botschaft in diese Kultur einbringen soll. Der Respekt vor der Kultur zeigt sich darin, dass die Werte der jeweiligen Kultur und ihre Ausdruckformen aufgegriffen werden.
Erneuerung
Dieser neue Blick auf die unterschiedlichen Volksgruppen greift auch Kräutler für die Synode in Rom auf. Die Bischöfe erhoffen sich grünes Licht für einen Erneuerungsprozess, der den im Amazonasgebiet angesiedelten Volksgruppen mehr gerecht wird. Dazu gehört auch, neu über das Priestertum auch für verheiratete Männer wie über das Diakonat von Frauen nachzudenken. Sie erhoffen sich Entscheidungen bei der Synode, die das kirchliche, religiöse Leben in Amazonien befruchten.
Dieser Wunsch entspringt nicht nur dem Mangel an Priestern, der Unterversorgung der Gläubigen in den weit entlegenen Gegenden des Urwaldes, der gewachsenen Volksspiritualität der unterschiedlichen Kulturen, sondern auch der Notwendigkeit, dieser Region überhaupt mehr Aufmerksamkeit durch die Kirche entgegenzubringen. Diese Notwendigkeit entspringt auch der Einsicht, dass Amazonien Lunge für die ganze Atmosphäre ist.
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