Es ist mir ein Anliegen, mehrere gelungene Beispiele von Kirchenerhalt im europäischen Raum aufzuzeigen, die Mut machen, sich für den Erhalt eines Gotteshauses einzusetzen und dabei bereit für neue Wege zu sein. Im Jahr 2016 gab es in Deutschland 23,6 Millionen Katholiken und damit über zwei Millionen weniger als zehn Jahre zuvor. Ein vergleichbares Bild ergibt sich mit Blick auf die Evangelische Kirche: Hier sank in den letzten 15 Jahren die Anzahl der Mitglieder um fast 15 Prozent auf weniger als 22 Millionen. Wirklich drastisch ist jedoch der Rückgang der Gottesdienstbesucher: 30 % weniger deutsche Katholiken als noch vor zehn Jahren nutzen die Kirchen als Orte der Anbetung, des Gottesdienstes und der Stille. Es droht der Abriss. Damit dies nicht geschieht, bedarf es einer aktiven Gemeinde, die bereit ist, sich für den Erhalt ihrer Kirche gemeinsam stark zu machen und offen zu sein für neue, kreative Ideen und Konzepte. Denn ob Kirchenverkleinerung, Doppelnutzung, Profanierung oder Verkauf – all diese Optionen sind besser als einen über Generationen hinweg bestehenden Ort des Glaubens verfallen zu lassen oder abzureißen.
Kirchen halten in unserem Alltag symbolisch einen Platz für Gott frei“, beschreibt es Dr. Burkhard von Dörnberg, Pfarrer der Evangelischen Kirche Issigheim. Und diesen Platz, der Stille, Besinnung und Gemeinschaften bietet, braucht es zu jeder – auch zu unserer - Zeit.
Pfarrkirche Heilig Kreuz in Bergen-Enkheim
Obwohl die zeltartige Kirche erst ab 1968 erbaut und 1972 eingeweiht worden war, wurde die Gemeinde Heilig Kreuz in Enkheim 2003 mit einer langen Mängelliste sowohl am Kirchengebäude als auch dem angrenzenden Gemeindezentrum und Kindergarten konfrontiert. Fehlende Dämmung und Sicherheitsverglasung, mangelhafter Brandschutz, undichte Flachdächer - die Menge an Sanierungsmaßnahmen warf die Frage auf, ob aufgrund des Rückgangs der Kirchenbesucher ein solch finanzieller Aufwand zu rechtfertigen sei. Zumal sich in etwa drei Kilometer Entfernung in Bergen die Filialkirche der Pfarrei, Sankt Nikolaus befindet.
Nach vielen immer wieder abgelehnten Anläufen zur Sanierung und Erhaltung kamen schließlich 2008 die zündenden Ideen zur Lösung der Situation aus der Gemeinde selbst: Man schlug vor, einerseits den beliebten und stark nachgefragten Kindergarten um den Bereich des Gemeindezentrums zu vergrößern und zu sanieren, was wiederum die Stadt Frankfurt auch finanziell unterstützte. Andererseits die Gemeinderäume im Kirchengebäude von Heilig Kreuz unterzubringen bei gleichzeitiger Verkleinerung des Sakralraums. Dieser Gedanke wurde auch seitens des Bistums unterstützt und konnte so in den Folgejahren erfolgreich umgesetzt werden.
Die Neugestaltung
Heute erwartet den Besucher beim Betreten des Foyers des Kirchengebäudes eine Dreiteilung. Geradeaus betritt man das großzügige und moderne Gemeindezentrum. Zur Rechten befindet sich ein Andachtsraum, der für Menschen aller Konfessionen täglich zur Stille und Besinnung offensteht. Über den Treppenaufgang, alternativ Aufzug auf der linken Seite gelangt man in das neu geschaffene, lichtdurchflutete Obergeschoss und damit den Kirchenraum.
Für die Gestaltung des Gottesdienst-Raumes hatte man Professor Norbert Radermacher, Berlin miteinbezogen. Der Wunsch war, die alte Kirche unverwechselbar zu zeigen und gleichzeitig neu erfahrbar zu machen. Daher entschied man sich für eine kreisförmige Ordnung, die an der hoch aufragenden, mit rotem Filz bespannten Altarwand beginnt und sich im Gestühl fortschreibt. Innerhalb des Kreises ist Raum für das liturgische Geschehen. „Die Gemeinde rückt zusammen, sie bildet einen Kreis und in der Liturgie eine Tischgemeinschaft. Egal, aus welcher Position und gleich mit welcher Funktion, alle Anwesenden sind Teil dieser Gemeinschaft, ja sie gestalten sie“, beschreibt Prof. Radermacher das Konzept.
Auf den Altar, der aus reinweißem Marmor und Eichenholz gestaltet ist, beziehen sich alle liturgischen Gegenstände wie Ambo, Tabernakel, Taufschale und auch die Marienstele. Aus diesem Grund finden hier die gleichen Materialien Verwendung. Im Raum hinter der Altarwand wurden Sakristei und Beichtzimmer eingefügt.
Aus dem ursprünglichen Kirchenraum konnten das Kreuz, der Kreuzweg, die Apostelleuchter, die Marienfigur, die der Pfarrkirche ihren Namen gebende Reliquie – ein Splitter des Wahren Kreuzes Christi – und die Digitalorgel in das neue Konzept miteingebunden werden. Auch dieses gelungene Zusammenspiel von „alt und neu“ hält die Vergangenheit wach und vermittelt in die Gegenwart.
Zufriedenheit für viel Arbeit
„Es war ein mühevoller, zehn Jahre dauernder, von glücklichen Fügungen, aber auch von Ängsten und Sorgen begleiteter Weg aus drohenden Abrissszenarien bis zur Wiedereinweihung des neuen Kirchenraums von Heilig Kreuz am 30. Juni 2013,“ so beschreibt Frank Costantin, damals Stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates, den Prozess zur Erhaltung des Kirchengebäudes.
Trotz der harten Arbeit und Mühen – es hat sich gelohnt, findet auch Uwe Hahner, heute Pfarrer von Heilig Kreuz. „Wir haben Sitzplätze für 200 Kirchenbesucher, welche gerade bei den sonntäglichen Familiengottesdiensten komplett genutzt werden. Das neue Konzept auf kleinerem Raum lässt uns alle einander näher kommen. Das stärkt das Erleben einer starken Gemeinschaft vereint im Glauben, fordert aber auch ein Umdenken.“
Und dass man dazu in der Pfarrgemeinde bereit ist, zeigt die Realisierung der kreativen Lösung, mit der das Gotteshaus erhalten werden konnte.
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!