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Juristisch gewinnt man nur Recht, nicht Vertrauen

Über den Kölner Kardinal Woelki ergießt sich Spott und Hohn. Er ist ein typisches Mobbingopfer. Er zeigt zudem exemplarisch, wie man zum Sündenbock wird. Sein Scheitern steht für das fehlende Konzept, mit den Tätern umzugehen. Therapeutische Seelsorge wurde unterlassen. Das Erzbistum hätte mehr für einen anderen tun müssen. Juristerei genügt nicht, weil sie die Betroffenen aus dem Blick verliert. Ein Kommentar von Eckhard Bieger S.J.

In der Person des Kölner Erzbischof verhandeln die Katholik:innen den Umgang mit einer „Volksseuche“. Wenn 50% der Übergriffe in Familien erfolgen und 50% der Täter in pädagogischen und therapeutischen Berufen tätig sind, muss viel mehr geschehen als während der Corona-Pandemie. Man darf gespannt sein, was beim Synodalen Prozess herauskommt.

Ändern muss sich die Einstellung


Missbrauch ist nicht ohne Machtausübung möglich, denn wie sollten Kinder sexuellen Lust empfinden wollen. Sie dienen alleine dem Lustempfinden der Täter:innen. Die Unterwerfung durch die Erwachsenen können nur wenige durchsetzungsfähige Kinder aushalten. Und wer kennt nicht aus Kindestagen die Unterlegenheitserfahrungen, nicht zuletzt durch die körperlich Überlegenen. Und wer ist nicht von Lehrer:innen oder Ausbilder:innen klein gemacht worden! Hinzugekommen sind die Social Media, die Mobbing begünstigen. Hat man irgendetwas aus dem Erzbistum oder dem Mund seines Erzbischofs gehört, dass insgesamt die Gesellschaft voranbringen soll, damit die Kinder als so wertvoll behandelt werden, dass sie nicht missbraucht werden, stellt sich dem Kommentator die Frage.

Weil eine überzeugende Strategie, die dem Auftrag der Kirche entspricht, nicht entwickelt wurde, hat sich der Kölner Erzbischof verheddert. Weil Erwartungen nicht erfüllt wurden und die Betroffen nicht in den Blick genommen wurden, sammelte sich Unmut.

Der Erzbischof hat sich keine Mitstreiter gesucht   

Die weiterlaufenden Unmutsäußerungen sind auch die Folge davon, dass der Erzbischof sich keine Mitstreiter:innen gesucht hat. Offensichtlich wollte er das Problem alleine lösen, hatte aber nur seine Amtsautorität ausgespielt und damit noch mehr Unmut erzeugt. Wer tritt noch für ihn ein. Allgemein gilt: Wenn ich so in Bedrängnis gerate, darf ich mich nicht isolieren, sondern muss andere für das Projekt, das ich starte gewinnen. Das Projekt, das Woelki hatte, sollte das "bringen", warum hat es ihn in eine Abwärtsspirale gerissen, so dass er sich immer mehr isolierte und selbst seine Bischofskollegen ihm ihre Unterstützung verwehrt haben.

Das Schuld Bekenntnis misslang gründlich

Durch die Offenlegung aller Missbrauchsfälle durch Kleriker sollte die Kritik zur Ruhe kommen. So wie man bei der Beichte seine Sünden bekennt und dann Verzeihung zugesprochen bekommt. Der Bußritus, der in der bundesrepublikanischen Gesellschaft eingeführt ist, ist jedoch der Rücktritt. Wer immer die Bischöfe auf die Idee gebracht hat, die Personalakten von 1945 ab auswerten zu lassen, hat nicht bedacht, dass dann nur die aktenkundigen Fälle dokumentiert werden, man aber immer von einer hohen Dunkelziffer sprechen muss. Auch kennen nur wenige Katholiken:innen und die Journalist:innen die Kirchengeschichte. Es geht doch darum, ob die heute Verantwortlichen weiter straffällig gewordene Kleriker decken. Die Kirchenmitglieder wollen ja nicht die Geschichte kennenlernen, sondern fordern zu Recht, dass sich jetzt etwas ändert. Es ist kein alleiniges Priesterproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Wenn dann noch die Dokumentation zurückgehalten wird, bestätigt der Erzbischof das Misstrauen. Vor allem gibt die juristische Aufarbeitung keine Sicherheit, dass in den letzten elf Jahren eine andere Kultur im Umgang mit Kindern aufgebaut wurde. Bis heute gibt es keine klare Botschaft, was das Erzbistum zu tun gedenkt. Das liegt daran, dass es kein Konzept hat.

Nicht Jurisprudenz, sondern Heilung

Wenn etwas in der Öffentlichkeitsarbeit schiefläuft, hat das fast immer mit fehlender Linie zu tun. Das Hin und Her mit den Dokumentationen der Rechtsanwälte zeigt, dass man in Köln scheinbar nicht Aus noch Ein weiß. Wenn dann Anfragen der Journalist:innen oder von kirchlichen Gremien beantwortet werden müssen, kommt nur Unsicherheit heraus. Sicherheit in der Präsentation gewinnen die Vertreter:innen der Institution erst, wenn sie eine klare Linie verfolgen und dafür auch etwas tun.

Ich, der Schreiber dieses Kommentars, habe verschiedene kirchliche Stellen angefragt, wie mit den Tätern umgegangen wird? Neben den Betroffenen brauchen aus meiner Sicht auch die Täter professionelle Hilfe. Das entspricht dem Evangelium und der kirchlichen Tradition, die mit Krankenhäusern und Witwen- und Waisenversorgung schon in der Frühzeit die heilende Tätigkeit Jesu fortgeführt hat. Wenn es keine Heilungschancen für die Täter:innen gibt, dann bleiben diese Gefährder:innen der Kinder. Das reiche Erzbistum Köln hätte schon längst Forschungsaufträge und Therapieentwicklung finanzieren können.

P.S.: Die Widersprüche, in denen Kardinal Woelki sich notwendig verheddern musste werden in einem separaten Beitrag transparent gemacht.

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Kategorie: Kirche

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