Der tief gehende Wandel des religiösen Empfindens
Die Herz-Jesu-Verehrung wurde zögerlich von Rom akzeptiert, konkret die Einführung des Festes, diese geschah erst 1856 verbindlich für die ganze Kirche. Es war also keine von oben aufoktroyierte Spiritualität, die etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts prägend wurde. Sie konzentrierte den Beter auf das durchbohrte Herz des Gekreuzigten und damit auf das Leiden Jesu. Dies wurde eng mit dem Sühnegedanken verbunden. Jesus musste wegen der Sünden der Menschen leiden. An diesem Sühneleiden sich zu beteiligen, bestimmte die Grundlinie der Herz-Jesu-Frömmigkeit. Es wäre aufzuarbeiten, warum die Katholiken eine eher düstere Frömmigkeit so verinnerlicht haben. Die Bedeutung des Konzils vor 50 Jahren würde dann noch deutlicher erkennbar, denn neben den wegweisenden Dokumenten war eine tiefergehende Wandlung der Religiosität, der Grundstimmung des Betens, der Vorstellung von Gott, die sich mit dem Konzil Bahn brachen. Das Konzil lenkte nämlich die religiösen Ströme des Katholizismus in die liturgische Frömmigkeit um. Ausgangspunkt der Liturgie, vor allem der Messe, ist die Feier der Auferstehung und damit eine andere Grundstimmung. So liegt dann auch das Herz-Jesu-Fest, weil es nicht sonntäglich gestimmt ist, auf dem Tag der Kreuzigung.
Freitag als Gedenktag der Kreuzigung
Der Freitag ist deshalb Festtag, weil die Verehrung des Herzens Jesu sich auf das durchbohrte Herz bezieht. Das Johannesevangelium berichtet im 19. Kapitel, dass Blut und Wasser aus der Wunde herausflossen.:
Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie
ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine
Seite, und sogleich flossen Blut und Wasser heraus.
Das stellen die Herz-Jesu-Skulpturen in vielen Kirchen dar. Sie zeigen Jesus nicht am Kreuz, aber mit der offenen Wunde. Ihre Form hat die Herz Jesu Verehrung jedoch nicht in der Meditation vor dieser Statue gefunden, sondern im Blick auf die Hostie in der Monstranz. Jeweils der erste Freitag des Monats ist dem Herzen Jesu geweiht, die früher übliche Andacht, heute würde man Wortgottesdienste sagen, fand vor der Monstranz statt. Diese Andacht hatte eine Litanei mit Anrufungen des Herzens Jesu. An diesem Tag wird den Kranken in den Häusern die Kommunion gebracht.
Margareta Maria Alacoque im 17. Jahrhundert
Die Herz Jesu Verehrung in ihrer neuzeitlichen Ausprägung eine Ordensfrau zurück, die in den Jahren ab 1673 Visionen empfing, die anfänglich nur von kleinen Kreisen aufgegriffen wurden und erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Katholizismus bereiter aufgenommen wurden. In Polen hatte diese Frömmigkeit besonderns Fuß gefasst. Dort kam es auch in den dreißiger Jahren durch eine Ordensfrau, Sr. Faustyna, zu einer neuen Form der Herz Jesu Verehrung, die die Barmherzigkeit Gottes ins Zentrum stellt. Wenn diese Frömmigkeit praktiziert wird, ist das an der neuen Herz-Jesu-Darstellung zu erkennen. Auf den Bildern wird Jesus nicht mehr mit dem gebrochenen Herzen dargestellt, sondern von seinem Herzen gehen Strahlen aus. Johannes Paul II. hat diese Frömmigkeit seiner Heimat der ganzen Kirche empfohlen, indem er den Sonntag nach Ostern im Sinne dieser Verehrung zum "Sonntag der Barmherzigkeit" erklärte. Das hat in Westeuropa zu keiner Neubelebung der Verehrung geführt.
Braucht die katholische Kirche die Verehrung des Herzens Jesu
Für die Achtundsechziger, der Autor gehört zu dieser Generation, war die Abschaffung der Herz-Jesu-Frömmigkeit das deutlichste Zeichen, sich vom Katholizismus des 19. Jahrhunderts loszusagen. Damit wurde ein tragender Stein aus dem geistigen Gebäude des Katholizismus herausgebrochen. Auch wurde die Verehrung der Hostie weitgehend aufgegeben. Im Rückblick muss sich die Generation eingestehen, dass sie die Lücke nicht mit einem neuen, tragfähigen Stein geschlossen hat. Ob die nachfolgende Generation, die jetzt Fünfzigjährigen, die den synodalen Prozess betreiben, die Lücke im Blick hat? Ob sie überhaupt wie die Katholiken im 19. Jahrhundert eine Praxis des Betens anstrebt, wird nicht deutlich. Und ist den gremienerfahrenen Protagonisten, die dem Kirchenvolk Hoffnungen machen, auch klar, dass die vom Konzil eingeleitete Liturgiereform, insbesondere die Messe in der Muttersprache, ausgelaugt erscheint und deutsche Katholiken kaum noch in die Kirche zieht. Wenn es nicht die aus anderen Ländern zugezogenen Katholiken gäbe, würden für die wenigen deutschen Kirchgänger der Priesternachwuchs reichen. Die katholische Kirche verfügt über Geldmittel wie fast keine andere Kirche im katholischen Kosmos, aber sie bräuchte eine spirituelle Motivation. Ob eine neue Form der Jesusverehrung, es muss etwas die Herzen der Gläubigen bewegen.
Was das Herz Jesu bewegt
Wenn Herz-Jesu-Verehrung, dann könnte ein Blick in das Johannesevangelium weiterhelfen. Ein belgischer Bibelwissenschaftler, Ignace de la Potterie hat dem Autor den Blick für eine Sicht geöffnet, die auch ein Achtundsechziger mitvollziehen kann, ohne die Grundangst dieser Generation wachzurufen, nämlich die tiefgehende Umorientierung des Konzils könnte durch die Päpste rückgängig gemacht werden. Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI waren diesem Verdacht ausgesetzt. De la Potterie lenkt den Blick auf die Beziehung des Sohnes zum Vater, das Herz Jesu ist zuerst dem Vater zugewandt, das Herz Jesu für die Menschen ist aus dieser inneren Beziehung erst die Folge, weil nämlich Gott, der Vater, die Rettung der Menschen will. Das Vorbild Jesus, der viele Stunden im Gebet verbrachte, könnte einen neuen spirituellen Aufbruch initiieren. Hier ein Zitat aus den Stunden, bevor Jesus auf seine Hinrichtung bewusst zugeht:
Er erhob seine Augen zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da. Verherrliche
deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht. Denn du hast ihm Macht über alle
Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt.
Diese andere Akzentsetzung, die nicht neu, sondern im Johannesevangelium grundgelegt ist, würde sich mit dem liturgischen Gebet verbinden, das die Beziehung Jesu zum Vater immer wieder zum Ausdruck bringt: Im Geist durch Jesus zum Vater. Ob es der tragende Stein wird oder eine andere Frömmigkeitsform, die Katholische Kirche braucht eine spirituelle Bewegung, die sie zum Herzen Jesu führt. Eine Neu-Akzentuierung der Herz-Jesu-Verehrung ist nicht versperrt, denn in der Frömmigkeitsgeschichte ist die im 17. Jahrhundert von der französischen Ordensfrau geformte Verehrung nicht die einzige. Das hat Doris Weirich in einer eingehenden Studie aufgezeigt, der ich wesentliche Hinweise zu diesem Betrag verdanke. Es sind Überlegungen im Förderverein des Gebetsapostolates, die in dem Beitrag aufgegriffen werden.
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