Sophienkathedrale in Kiew, foto: explizi.net E.B.

Die drei Tabernakel

Die Verklärung Jesu ist eine der Begebenheiten, über die man mit viel Gewinn nachsinnen kann. Sie ist wie alle großen Dinge: Sie reift mit den Jahren. Und wer sich auf sie einlässt, der reift mit ihr. Welche Früchte können hier gepflückt werden?

Zum Foto: Die Verklärung Jesus, gelesen am 2. Fastensonntag, prägt die Spiritualität der östlichen Kirchen. Die Sophienkathedrale in Kiew ist der in Konstantinopel nachempfunden

Der Bericht von der Verklärung beginnt damit, dass zunächst die Kleider Jesu verwandelt werden. Jesus erscheint in seiner ganzen Reinheit. An ihm ist kein Makel. Was von außen vielleicht staubig und verschwitzt aussieht, ist nur fleischliche Hülle. Von Innen, von der Wirklichkeit aus der Perspektive Gottes ist Jesus strahlendes Licht. Nichts ist verdunkelt. Dazu ist zweierlei zu sagen: Dieses Licht, das strahlende Weiß, ist das kirchliche Verständnis von Jesus Christus schlechthin. Es durchzieht das Neue Testament: «Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast. Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.» (Lk 2,30-32). Die Kirche singt es jeden Abend in ihrem Nachtgebet. «In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht erfasst.» (Joh 1,4f.) In Ps 27,1: «Der Herr ist mein Licht und mein Heil.» «Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen: ‹Wir haben Gemeinschaft mit ihm›, und wandeln doch in der Finsternis, so lügen wir und handeln nicht nach der Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie auch Er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander.» (1 Joh 1,5-7). «Und Nacht wird keine mehr sein, und man wird nicht des Lichtes einer Lampe bedürfen oder des Lichtes der Sonne, denn Gott, der Herr, wird sie erleuchten.» (Apk 22,5)

Blut und weißes Gewand

Zweitens: Jesus ist mit Licht bekleidet und dieses Lichtgewand hat der Christ in der Taufe angezogen. In der Apokalypse heißt es: «Diese mit weißen Kleidern angetan, wer sind sie, und woher kommen sie? Und ich sprach zu ihm: Mein Herr, du weißt es! Und er sprach zu mir: Es sind die, welche aus großer Trübsal kamen und ihre Kleider gewaschen und weiß gemacht haben im Blut des Lammes.» (Apk 7,13f.) Der Christ hat das Lichtgewand Jesu angezogen. Dieses Gewand ist das Gewand des himmlischen Hochzeitmahles: «Denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Braut hat sich bereitet. Und es wurde ihr gegeben, dass sie sich kleide mit glänzenden, weißem Linnen, denn das Linnen ist die Gerechtigkeit der Heiligen.» (Apk 19,7f.) Christus ist die Sonne der Gerechtigkeit. Übrigens ist deswegen auch das Brautkleid weiß. Die Verklärung Jesus schaut also einerseits zurück auf die Taufe und andererseits vorwärts auf Leiden, hier mit Blut des Lammes angedeutet und auf die Auferstehung mit dem Hochzeitsgewand Jesu. Die nächsten Verse aus dem Evangelium der Verklärung bestätigen diese Perspektive deutlich. Denn es kommt die Stimme aus der Wolke, die ruft: «Das ist mein geliebter Sohn.» - Eine klare Parallele zur Taufe Jesu. Und es folgt das Schweigegebot Jesu, wo er von der Auferstehung von den Toten redet. Die Szene ist von diesen beiden Ankerpunkten gehalten und aufgespannt. In dieser Spannung ist sie zu verstehen.

Drei Hütten für drei Gottesboten

Sehr geschickt stellt Markus den Petrus in das Zentrum dieser Stelle. Er sagt: «Meister, es ist gut für uns, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, dir eine, dem Moses eine und dem Elias eine.» - Wie ist das zu verstehen? Hier liegt eine Spannung vor: Petrus meint, dass es für ihn und seine Mitjünger gut ist, dort zu sein. Er will nun Hütten bauen. Aber warum drei Hütten für Jesus, Mose, Elias? Warum nicht für sich und die anderen? Das wäre doch naheliegend.
Petrus hat etwas gravierendes nicht verstanden. Der Evangelist fügt hier einen Erzählerkommentar ein und stößt den Leser auf den Fehler. Er will damit sagen: Liebe Leser, bitte macht euch Gedanken, was Petrus hier vergeigt hat! Es gibt nun zwei Wege: Der naiv religiöse löst die Spannung auf, indem er meint, Petrus hätte für sich und die anderen die Hütten bauen sollen. Dieser Weg ist möglich, aber falsch. Wer für sich oder für Jesus, Mose, Elias eine Hütte baut, der hat nichts, aber rein gar nichts von Jesus Christus verstanden.
Denn bevor Salomon einen Tempel baute, wohnte Gott in einem Zeltheiligtum. Dies war der Ort der Gottesbegegnung. Dieses Zeltheiligtum knüpft an die Offenbarung an, die Gott Mose auf dem Berg Horeb gewährt hatte. Gott umhüllte den Berg mit seiner Wolke. Wir sehen die Parallele. König David war mit diesem Zeltheiligtum unzufrieden. Er wollte Gott eine Hütte, eine bleibende Statt bauen: den Jerusalemer Tempel. Schließlich baute sein Sohn Salomo diesen Tempel. Warum ist das wichtig?
Die Hütte Gottes, d.h. der Jerusalemer Tempel, ist mit Jesus hinfällig geworden. Gott hat in einem Menschen Wohnung genommen; ein lebendiger Tempel. Dieser Zusammenhang wird für das deutsche Ohr klarer, wenn wir auf das lateinische Wort für Hütte schauen: tabernaculum. Petrus wollte drei Tabernakel bauen. Der Tabernakel Gottes ist mit Jesus nicht mehr der Jerusalemer Tempel. Jeder Versuch, einen Tabernakel zu bauen, ist damit hinfällig.
Doch noch mehr. Petrus offenbart sein Verständnis von Jesus: Rabbi, Meister. Damit reiht er Jesus in die Reihe von Moses und Elias ein. Jesus ist also bloß ein Prophet, eine Gestalt des Alten Testaments. Daher auch drei Tabernakel. Sie sind im Prinzip gleichwertig. Das ist zwar die höchste Ehre, die sich ein orthodoxer Jude ausdenken kann, aber meilenweit von Christus entfernt. Petrus verkennt hier Jesus radikal. Der zweite Fehler.

Drei Hütten, drei Kreuze, dreimal ewiges Leben

Dennoch liegt in der Szene etwas sehr prophetisches. Die drei Tabernakel sind eine Parallele zum Kalvarienberg: Drei Kreuze. So wie Petrus die drei Hütten falsch verstehen kann, so kann man auch die Kreuze falsch verstehen. Es hängen nicht drei Verbrecher an ihnen. In der Mitte hängt nicht «einer von ihnen», sondern einer, der nicht in die Reihe passt. Da hängt auch nicht ein Prophet oder ein Rabbi, sondern es ist Gott selbst. Wie der Evangelist Johannes sagt: das Lamm Gottes.
Und so fügt sich die Stelle zusammen: Gott hat mit seinem Licht in Jesus selbst Wohnung genommen. Dieses Licht soll auch uns zuteil werden. Es wird uns zuteil, wenn Gott in uns Wohnung nimmt. So wie die Verklärung von Angelpunkten Taufe und Auferstehung zusammengehalten wird, so wird auch die Wohnung Gottes in uns durch Taufe und Auferstehung zusammengehalten. Wenn wir mit Jesus in das Wasser des Jordan hinabsteigen, wenn wir mit ihm am Kreuz hängen und wenn wir mit ihm aus dem Grabe wieder auftauchen zum Ewigen Leben, dann hat Gott in uns Wohnung genommen. Dann sind wir zum Tabernakel Gottes geworden, zur Hütte Gottes unter den Menschen.

Verklärung Jesu nach Markus


Kategorie: Kirche

Kommentare (2)

  1. Kolbeck am 23.02.2018
    Der Gedanke, dass wir Menschen „Tabernakel“ des dreifaltigen Gottes unter den Menschen seien, klingt für mich zu abstrakt und zu abgehoben angesichts auch der Dramatik Gottes unter und im Menschen. Wenn unsere Kirchen es schaffen würden, Goot in den Menschen zu suchen und nicht nur in den feinsten Tabernakeln aufzubewahren und zu verehren sondern Mit dem präsentischen Jesus zu den Menschen zu gehen, denen seine vorrangige Option gilt und zu denen er nach Galiläa uns vorausgegangen ist, dann bräuchte sie nicht solche abstrakten Klimmzüge zu machen, wie denn das Geheimnis Gottes seiner präsentischen Gegenwart im Tabernakel zu vermitteln sei, So lässt Gott nicht wehrlos aber ohnmächtig nicht von den Menschen los, ob in Syrien, in Somalia, in Afghanistan oder ob in den Verarmenden Regionen weltweit angesichts eines marodierenden gierigen Kapitalismus, der sich alles unterwerfen möchte.
  2. Kolbeck am 23.02.2018
    Das ist doch ein wegweisender Gedanke, das wir Menschen Tabernakel Gottes sind und dass Gott auch durch uns aufscheint. Das ist gewiss eine Zumutung Gottes.
    Es gibt wohl kein katholisches Gotteshaus in unseren Breitengraden, in dem nicht Tabernakel so gestaltet sind, dass zumindest in bisherigen Zeiten Menschen sich in Ehrfurcht diesen Wohnstätten des gegenwärtigen Gottes näherten und in der Gewissheit seiner präsentischen Gegenwart sich versenkt haben vor ihm in Ehrfurcht, Treue und sich ihm in den Sorgen, Nöten, Freuden, Klagen hinzuhalten .
    Aber wir als Tabernakel Gottes meint doch mehr, den Anspruch, dass das Leben sich nicht beschränkt auf die Jetztzeit sondern dass diese Lebenszusagen hinausgreift über das Irdische hinaus.
    Jesus lädt seine Jünger ein, ihm nach Galiläa vorauszugehen und zu folgen und ihn nicht in den Sicherheiten seiner treue allein zu suchen.
    Gott ist treu, darüber brauchen sich Menschen keine Sorge zu machen, aber er will, dass wir uns aufmachen , frei und befreiend zu leben und anderen Menschen diese Befreiung durch Zeugnisse einer Nächstenliebe, die zum Leben aufrichtet und nicht verurteilt zu schenken oder wenigstens durch verlässliche Compassion die Sicherheit zu geben, dass niemand verloren geht.
    Jesus hat seine Jünger schlafend vorgefunden, zu der Zeit, in der ihre betende Gegenwart gesucht hat, er findet viele von uns vor, dass wir betend ihm und seinem Vater alles hinhalten, aber nicht uns tätig einbringen, weil uns das Zeugnis des Glaubens überfordern würde. Menschen suchen heute, wie sie die Starre der Tabernakeln Türen überwinden können und es tun.
    eben, weil wir Menschen Tabernakel Gottes sind und nicht allein Mitglieder einer fast in Formeln und Gesetzen erstarrenden Kirche.

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