Apostel-die erste Priestergruppe, St.Lorenz Nürnberg, F: E.B.

Brauchen Kirchen Priester?

In Deutschland gibt es wie in Westeuropa immer weniger Priester. Sie werden auch nur noch von den Älteren gebraucht, die noch zum Gottesdienst kommen. In Afrika wie auch in den meisten asiatischen Ländern wählen viele junge Männer diesen Beruf. Bräuchte es mehr Priester oder ist ihre Zeit vorbei? Irgendwann auch in Nigeria oder Südkorea? Zuerst eine Bestandsaufnahme.

Priester ist eine Rolle, eine Aufgabe in der Katholischen und den Orthodoxen Kirchen. Die Kirchen der Reformation setzen auf das Predigeramt. Hier tritt schon ein entscheidender Aspekt hervor: Die Rolle und auch das Selbstverständnis des Priesters wird ihm von seiner Kirche vorgegeben und ist theologisch bestimmt. Der katholische Priester wird durch die Sakramente bestimmt, der evangelische Pfarrer durch das Wort. Der Eine feiert Eucharistie und ist dort unentbehrlich, der andere kennt die Bibel und kann sie in der Predigt auslegen. Wie der katholische Kollege hat er eine Amtskleidung und leitet den Gottesdienst. 
Weder nach dem Einen noch nach dem Anderen scheinen sich die Menschen zu sehnen. Evangelische Christen sind früher Kilometer gefahren, um einen Prediger zu hören, Katholiken, vor allem Frauen, jeden Tag "in die Messe gegangen".

Liturgie war der Motor des Religiösen

Die Katholische Kirche in Deutschland wurde im 20. Jahrhundert durch die "Liturgische Bewegung" geprägt. Diese hatte den größten Einfluss auf das Konzil vor bald 70 Jahren. Dieses hatte ihre Zielsetzung übernommen, nämlich dass die Gläubigen nicht bloß der Messe "beiwohnen", die der Priester mit den Messdienern in lateinischer Sprache im Altarraum feiert, während die Gläubigen in den Bänken kniend den Rosenkranz beteten. Participatio actuosa, tätige Teilnahme ist das Stichwort für diese Zielsetzung. Nicht der Priester ist das Subjekt der Feier, sondern die Gemeinde. Die Liturgische Bewegung hat viele junge Männer in den Priesterberuf gezogen, es waren in manchen Diözesen mehr als Stellen, also auch konkret Wohnraum und Gehalt, zur Verfügung standen. Da die zukünftigen Priester bis in die fünfziger Jahre die einzigen waren, die Theologie auf universitärem Niveau studierten, konnten nur sie an Berufsschulen und Gymnasien Religion unterrichten. Diese Stellen konnten noch bis in die sechziger Jahre besetzt werden.

Priestermangel seit 60 Jahren

Obwohl die sonntägliche Messfeier, jetzt meist Eucharistiefeier genannt, durch das Konzil in ihrer Bedeutung neu herausgestellt und damals in vielen Pfarreien in einem Liturgiekreis vorbereitet wurde, zog das weniger junge Männer in den Beruf als vor dem Konzil. Es blieb jedoch bis nach der Jahrtausendwende ungefragt, dass ein eigens geweihter Priester der Zelebrant sein muss. Im liturgischen Fachjargon wurde er auch "Vorsteher" genannt. Dieser Begriff ist jedoch nicht von den Katholiken übernommen worden, es blieb beim Pfarrer oder Kaplan. Diese wurden sogar noch unentbehrlicher für die Gemeinden, weil die damaligen Wortgottesdienste, „Andachten“ genannt, die vor allem am Samstagabend gepflegt worden waren, wegfielen und die Eucharistiefeier zur einzigen Form katholischer Gottesdienste wurde. Das wurde durch eine Regelung befördert, die die Eucharistiefeier noch mehr monopolisierte: Eine Sonntagsmesse kann schon ab 18 Uhr am Samstagabend gefeiert werden, denn nach dem von den Juden übernommenen Brauch beginnt der Sabbat bereits am Vorabend, so schon vor dem vor dem Konzil der "Heiligen Abend" und seit 1951 auch durch die "Osternacht" bereits probeweise eingeführt. Es ist paradox: Die Pfarrei ist ganz auf die Rolle des Priesters ausgerichtet, die Rolle verspricht ein interessantes und durch die Religion erfülltes Leben, aber kaum noch junge Männer streben sie an. Und gäbe es Viele, die das Theologiestudium wählen, es fehlten die Kirchgänger

Gottesdienste über den Bildschirm

Ein Phänomen harrt der Erklärung. Während die Zahl der Kirchgänger erheblich zurückgegangen ist, auch weil die Katholiken nicht mehr jeden Sonntag an der Messe teilnehmen, hat sich die Zahl der Zuschauer von Übertragungen bereits in den neunziger Jahren mehr als verdoppelt und ist mit der Pandemie noch einmal gestiegen. Sie könnte, wenn man die Zuschauer der gestreamten Gottesdienste vieler Pfarreien hinzurechnet, über 2 Millionen und damit über der Zahl der Kirchgänger einer der beiden großen Konfessionen liegen.

Die Gesellschaft vermisst die Belebung der Kirchenräume durch Gottesdienste nicht

Das, was allein die Kirchen zur Kultur der Gesellschaft beitragen, Gottesdienste in dafür eigens konzipierten Räumen zu feiern, ist von Auflösungserscheinungen bestimmt. Faktisch gibt es für die wenigen Gottesdienstbesucher zu viele Kirchenräume. Es ist so, als hätte eine Stadt 3 Theater, jedoch nur Zuschauer für eines. So gibt es auch bald mehr katholische Kirchengebäude als katholische Priester in Deutschland. Damit ist der Priesterberuf fraglich geworden.

Kirchen gibt es nicht ohne Gottesdienste

Wenn die Katholiken überzeugt sind, dass es Gott "gibt" und er für den Menschen von höchster Bedeutung ist, dann werden sie auch im Namen Gottes zusammenkommen - um durch den Gottesdienst mit ihm in Beziehung zu treten. Die jetzige Eucharistiefier wird nicht mehr als Weg zu Gott erlebt. Das müsste dringend näher angeschaut werden. Das muss ja Gründe haben, dass die Menschen zum Bildschirm tendieren, über die nicht eine Fernsehmesse, sondern die Sonntagsmesse aus einer Kirche übertragen wird, von einer konkreten Gemeinde gefeiert.
Aus der Geschichte der Kirche seit der Völkerwanderung können die jetzt ratlos bleibenden Katholiken und Katholikinnen die Sicherheit mitnehmen, dass die Herzen vom Geist Gottes bewegt werden und diese Bewegung sich eine Form geben wird, die wieder zu Gott und konkret zum dem führt, was ihnen mit der Eucharistie geschenkt ist.  Die Form findet sich wie immer in einer Synthese des Tradierten mit Neuem. Wir sind vielleicht in der Phase der Verpuppung und müssen auf den neuen Schmetterling noch warten.


Kategorie: Kirche

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