(explizit.net)Oster zum 85. Bischof von Passau geweiht
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Es könnte das größte Ereignis der katholischen Kirche in Deutschland gewesen sein, vom bevorstehenden Katholikentag in Regensburg abgesehen: Die Weihe des 48-jährigen Salesianerpaters Stefan Oster in Passau am gestrigen Samstag. Schon drei Stunden vor Beginn der Feier füllten sich die Bierbänke vor dem Dom St. Stephan. Rund 5.000 Menschen wollten mit dem neuen Oberhirten feiern, ihn kennenlernen oder wiedersehen: Darunter Gäste, die den Salesianer als geistlichen Begleiter, als Professor oder noch aus seiner Zeit als Journalist kennen, jahrzehntelange Weggefährten wie auch Menschen, die nach einer einmaligen Begegnung sich gerufen fühlten, zu dem Anlass in die Dreiflüssestadt zu kommen. „Wir kennen ihn noch nicht“, sagten zwei ständige Diakone in Erwartung der Begegnung. Nach allem, was sie seit der Ernennung so mitbekommen hätten, wirke der Neue sehr gewinnend. Lange Schlangen vor dem Eingang des Domes, darunter viele junge Familien in Tracht, Jubel und Applaus, zeigten, dass viele ebenso denken.
„Kommunikativ, freundlich, offen.“ So beschrieb ihn auch der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, der Oster zum 85. Bischof der ostbayerischen Diözese weihte, bevor 23 weitere Bischöfe aus Deutschland, Österreich, Tschechien und Brasilien die Hand auflegten. In seiner Predigt betonte der Kardinal: „Wenn Stefan Oster als Bischof hier raus geht, ist er kein Anderer, aber anders.“ Eine Weihe greife tief in das Leben eines Menschen ein. Die Beziehung zu Christus und zu den Menschen verändere sich. „Die Sehnsucht nach Verwandlung ist im Menschen verwurzelt“. Und als Bischof sei Oster auch „Zeuge des neuen Lebens“. Mit Blick auf dessen Leitspruch, der Sieg der Wahrheit ist die Liebe (victoria veritatis caritas), sagt Marx, die Wahrheit Gottes, die die Liebe ist, könne nur durch eine lebendige Begegnung weitergegeben werden.
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In seiner ersten Ansprache nach der Weihe erklärte Oster, was er für die Kirche der Zukunft und damit für den Glauben als zentral erachtet: „Es geht immer und zuerst um Beziehung. Zuallererst um eine Beziehung zu Christus, die lebendig, tief und tragend ist.“ Er appellierte an die Gläubigen, darauf zu vertrauen, dass die Begegnung zum Erlöser „wirklich und real ein Leben erfüllen, tragen, verwandeln und im tiefsten Sinn des Wortes retten und heilen“ könne. „Der Herr ist schon da in jedem und jeder von uns.“ Seinen Eltern dankte er dafür, ihn zu dieser Erkenntnis geführt zu haben. „Durch Euer bedingungsloses Ja zu mir, habt Ihr mir tief in den Glauben geholfen, denn solche vorbehaltlose Liebe schenkt eine erste tiefe Ahnung davon, wie die Zuwendung Gottes zu uns allen ist.“ Seine Berufung zum Ordenspriester wiederum verdanke er der Begegnung mit dem Regensburger Philosophen Ferdinand Ulrich. Dessen Denken führte ihn zu den Antworten auf seine Fragen nach dem, was Freiheit, Wahrheit und Liebe bedeuten. Oster stieg tief in dessen Verständnis des Seins als Liebe ein und promovierte über den Religionsphilosophen im Jahr 2003 im Fach Philosophie in Augsburg. Es ist ein außergewöhnlicher Weg ins Kloster: Durch die Wahrheitssuche mittels des Verstandes kam der im oberpfälzischen Amberg geborene Oster offenbar zu einer solchen lebendigen Tiefe des Glaubens, dass er seinen scheinbar vorgezeichneten Weg noch einmal neu erfand: Der gelernte Zeitungs- und Hörfunkredakteur gab seinen Beruf auf und noch mehr, die Beziehung zu seiner langjährigen Partnerin. 1995 trat er in den Salesianerorden ein, studierte Theologie und empfing 2001 die Priesterweihe. Nach der Promotion und Habilitation war Oster 2009 bis 2013 Ordentlicher Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Salesianer in Benediktbeuern.
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In seiner Ansprache erklärt er seine Theologie, die er in seinem Wahlspruch verdichtet hat: „Die einende Mitte, die Wahrheit als Liebe gelebt und umgekehrt: die Liebe, die die Wahrheit bezeugt, diese Mitte trägt den Sieg davon und sie heißt christlich - und jetzt erschrecken Sie nicht - Heiligkeit“, sagte er in der Feier vor Tausenden Gläubigen, die vom Fernsehen übertragen wurde. Osters Warnung, weder die Wahrheit noch die Liebe zu vergessen, war durchaus auch kirchenpolitisch gemeint: „Natürlich gibt es eher konservativere und eher liberalere Christen, aber wir müssen aufpassen uns nicht gegenseitig zum Klischee oder zur Karikatur zu werden“, sagte Oster. Er appellierte, miteinander im Gespräch zu bleiben, sich nicht gegenseitig zu verteufeln.
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Der jüngste Bischof Deutschlands lässt sich in der Konsequenz keiner Seite zuordnen. Er macht deutlich, dass meist keine Gegensätze existieren, wo jedoch oft welche hineingelesen werden: Er zitiert voller Hochachtung den emeritierten Papst Benedikt XVI., mit dem ihn das Thema der Wahrheitssuche mittels Vernunft und Glaube verbinden dürfte. Zu Beginn seiner Ansprache verliest er dessen Gebet, das dieser 2007 für die Kirche in China an Maria, die Mutter Jesu, gerichtet hat. Ganz dem Beispiel dessen Nachfolger Papst Franziskus folgend trägt er einen Bischofsring aus Silber. Sieht er sich zu klarem Widerspruch gezwungen, bedeutet dies für ihn nicht, die Zusammenarbeit auf der ganzen Linie aufzukündigen. Oster vermeidet also all das, was Lagerdenken kennzeichnet. Einen Teil der Kollekte erbat er während der Heiligen Messe für den Verein BDKJ-St. Altmann, der im Bistum Passau die Integration für behinderte und nichtbehinderte Kinder und Jugendliche fördert. Vor zwei Jahren kritisierte er sehr deutlich, wenn auch durchaus empathisch, das BDKJ-Debattenpapier zur Zukunft der Kirche »Freiheit der Kinder Gottes« vor studentischer Zuhörerschaft. Die darin enthaltene Rede von der Anschlussfähigkeit der Kirche schalt er als zutiefst zweideutig und gefährlich. Christus wolle, dass sich die Menschen ihm anschließen, nicht umgekehrt. “Selbst wenn all diese klassischen Forderungen nach Strukturreform umgesetzt würden, wäre damit noch kein einziger Gläubiger hinzugewonnen, aber mit großer Sicherheit eine Spaltung herbeigeführt und vertieft“, befürchtete Oster.
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Lebendige Begegnung versuchte der Neugeweihte möglichst vielen Gästen nach der dreistündigen Messe zu ermöglichen. Bis zur ersten Erfrischung bei einem Glas Sprudel im Festzelt vergingen zwei Stunden, in denen sich Oster in der kraftvollen Maisonne durch die Masse der Festbesucher nur langsam fort bewegen konnte. Lächelnd ergriff eine ausgestreckte Hand nach der anderen. Polizisten mussten den Bischof streckenweise abschirmen, damit er nicht erdrückt wird. Oft warf er die Arme hoch und winkte mit beiden Armen in die Menge.
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„Christentum wächst nicht durch Propaganda, Christentum wächst durch Anziehung“, sagt er im Interview mit dem Passauer Bistumsblatt. Er weiß aber auch, dass der Mut der Zeugen dazu gehört, um den Glauben anziehend zu machen. „Wenn man versucht, einen Weg zu gehen, der ein bisschen entschiedener ist oder ein bisschen intensiver, das fordert andere heraus, die damit weniger anfangen können und produziert auch Abwehr.“ Der rote Palmzweig und die drei roten Steine in seinem Wappen stehen für das Martyrium seines Namenspatrons und Patrons seiner Kathedrale, das heiligen Stephanus.
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<emphasize>Aus Passau berichtete für explizit.net Michaela Koller.</emphasize>
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