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Wirtschaft: Portugal – eine verlorene junge Generation

(explizit.net) Arbeitsmarkt produziert eine verlorene junge Generation - die Verfassung versperrt den Weg in die Zukunft

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Wie in Spanien ist vor allem die Jugend von der Finanzkrise betroffen, weil sie faktisch vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wird. Das führt zu einem Gefühl der Aussichtslosigkeit, dass ihnen die Zukunft genommen wird. In Portugal gibt es einen tiefen Graben zwischen denen, die Arbeit haben und denen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Der Kirche kommt in dieser prekären Situation eine wichtige Aufgabe des sozialen Ausgleichs zu. Zuerst soll jedoch der Ausgangspunkt der Finanzkrise, aus der eine soziale Krise geworden ist, erklärt werden.

(explizit.net) Arbeitsmarkt produziert eine verlorene junge Generation - die Verfassung versperrt den Weg in die Zukunft

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Wie in Spanien ist vor allem die Jugend von der Finanzkrise betroffen, weil sie faktisch vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wird. Das führt zu einem Gefühl der Aussichtslosigkeit, dass ihnen die Zukunft genommen wird. In Portugal gibt es einen tiefen Graben zwischen denen, die Arbeit haben und denen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Der Kirche kommt in dieser prekären Situation eine wichtige Aufgabe des sozialen Ausgleichs zu. Zuerst soll jedoch der Ausgangspunkt der Finanzkrise, aus der eine soziale Krise geworden ist, erklärt werden.

Finanzmitteln wurden nicht produktiv investiert

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Wie in Griechenland und Spanien wurden die reichlich verfügbaren Finanzmittel, die nach dem Beitritt in die EU und in die Eurozone über EU-Hilfen sowie Kredite den Ländern zur Verfügung gestellt wurden, für Infrastrukturmaßnahmen aufgewendet. Viele Neubauten, Straßen und Autobahnen brachten den Menschen Einkommen, um sich den Kauf von Autos und den Bau von Häusern leisten zu können. Viele, auch große Autos fahren durch die Straßen. Jedoch stehen viele Wohnungen und Häuser leer, weil wegen der Arbeitslosigkeit die Portugiesen, die eigentlich als Mieter und Käufer infrage kämen, sich die Wohnungen nicht mehr leisten können. Wären mehr Kredite in Investitionen geflossen, gäbe es mehr Arbeitsplätze. Das behindert jedoch die Struktur des Arbeitsmarktes.

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Es fehlt das innovative Klima

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Portugal hat Arbeit für die Älteren und zugleich eine sehr viel besser ausgebildete junge Generation. Für diese ist der Arbeitsmarkt jedoch verriegelt. Es hängt mit den Arbeitsplatzgarantien derjenigen zusammen, die Arbeit, vor allem im Öffentlichen Dienst, haben. Solange die Privilegien verteidigt werden, ändert sich nichts, denn Verteidigung von Privilegien heißt notwendig, dass nicht nur die Jungen ausgeschlossen bleiben, sondern dass sich die innovativen Kräfte nicht entfalten können. Ohne Innovationen gibt es aber keine neuen Arbeitsplätze. Die junge Generation ist wegen dieser Unbeweglichkeit verbittert und sieht auch keinen Willen zur Veränderung. Das Land verliert viele gut ausgebildete junge Leute, die nach England, in andere europäische Länder oder in die früheren Kolonien Angola und Mozambique gehen.

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Freimaurer und jakobinische Tradition

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Es gibt seit dem 18. Jahrhundert eine starke Bewegung der Aufklärung. Diese wurde durch eine Phase der Monarchie mit starken religiösen Akzenten abgelöst. 1910 wurde diese nach dem Mord an König und Thronfolger durch die Ausrufung der Republik beendet. Dabei bleib es aber nicht, sondern es wurden auch alle Klöster aufgelöst. Ein Militärputsch beendete das Chaos dieser Republik und führte zur Diktatur des Wirtschaftsfachmanns Salazar. Gegen seinen Nachfolger, Marcelo Caetano rebellierten deshalb junge Offiziere, weil es für das Militär aussichtslos war, den Willen zu Unabhängigkeit von Angola und Mozambique militärisch zu unterbinden. Sie führten 1974 die sog. Nelken-Revolution herbei. Dieser erneute Militärputsch verband sich mit kommunistischen Ideen. Faktisch hat Portugal eine kommunistische Verfassung, die eigentlich die Enteignung privaten Kapitals damit auch die Verstaatlichung der Unternehmen verlangt. Zudem sind in der Verfassung und nicht nur in Gesetzen Rechte der "Werktätigen" festgeschrieben, so dass Portugal eigentlich eine Verfassungsänderung und damit eine Zweidrittelmehrheit bräuchte. Da vor allem die sozialistische Partei und Teile der Sozialdemokraten, die eher eine liberale Partei sind, sich der Revolution verpflichtet fühlen, kann jedes Gesetz für einen durchlässigeren Arbeitsmarkt leicht mit Verweis auf die Verfassung gebremst werden.

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Mitschuld der EU

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Wenn in Portugal neue Arbeitsplätze in der Telekommunikation und im Bankgewerbe, jedoch nicht in der Industrie entstanden sind, dann ist das einmal Folge des Ausbildungssystem, das nicht zur Herausbildung von Facharbeitern angelegt ist. Jedoch trägt auch die EU eine erhebliche Mitverantwortung, das Agrarland Portugal nicht richtig unterstützt zu haben. Denn die Portugiesen "lernten", dass es von der EU Subventionen gibt, wenn man Agrarflächen still legt. Gravierend kommt hinzu, dass die EU Portugal gezwungen hat, einen Teil seiner Fischereiflotte zu verschrotten und dafür Subventionen zahlte. Diese Maßnahmen sollten verhindern, dass den bisherigen Agrarstaaten der EU eine nennenswerte Konkurrenz erwuchs. Die Folge war, dass sich die Landwirtschaft Portugals nicht entwickelter, sie gilt als eine der ineffektivsten in Europa.

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Eine melancholische Grundstimmung

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Anders als Griechen und Spanier reagieren die Portugiesen auf diese Situation nicht mit Wut, sondern eher mit Melancholie. Deshalb hört man wenig von Protesten. Für den Ausdruck der inneren Stimmung, der Schwermut des Herzens haben sie den "Fado", einen Gesang entwickelt, der am späten Abend in Restaurants erklingt.

Die katholische Prägung des Landes hat die Portugiesen gelehrt, dass man mit Leiden und Entbehrungen zu rechnen hat.

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Die Kirche sorgt für den sozialen Ausgleich

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Dass die Finanzkrise und die daraus folgende Arbeitslosigkeit nicht zu Hunger und totaler sozialer Ausgrenzung führen, ist nicht zuletzt der portugiesischen Caritas zugute zu halten. Diese verfügt über finanzielle Ressourcen, auch weil ihr nicht wenige Vermögen vererbt wurden. Weiter funktionieren die Tafeln, so dass es in Portugal keinen Hunger gibt. Die Pfarreien spielen eine wichtige Rolle als nächste Anlaufstellen für Menschen, die Hilfe brauchen.

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Ein Ausweg aus der Krise zeichnet sich nicht ab

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Das Land kennt eigentlich, mit Ausnahme der Jahre nach dem EU-Beitritt, nur eine wirtschaftliche Dauerkrise. Sie wurde durch den Beitritt zur EU nur überdeckt, aber nicht überwunden. Die Älteren sind daran gewöhnt, mit Besserem und Schlechterem zurechtzukommen. Für die Jüngeren bedeutet die Situation Auswandern oder in Depression versinken. Denn für einen Ausweg aus der Krise gibt es keine Idee. Es beginnt bei wenigen eine Rückbesinnung auf die eigenen Traditionen. Portugiesen gehen aufs Land zurück und bauen die verlassenen Bauernhöfe wird auf.

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<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>



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