(explizit.net) Nachdem die Ära Lehmann schon vor sechs Jahren zu ende war und jetzt auch der Übergangskandidat Zollitsch den Stab an den Münchner Kardinal weitergegeben hat, geht kein Zeichen der Erleichterung durch die Kirchenbänke. Dagegen verwundert die Nachricht, der neue Vorsitzende sei erst im vierten Wahlgang gewählt worden, also eher ein Kompromisskandidat. Den Ausschlag hat wohl gegeben, dass man sich eine offensivere Artikulation katholischer Positionen erhoffen kann. Eine Persönlichkeit wie den Argentinier haben die Deutschen nicht, ob in der Bischofskonferenz oder beim Zentralkomitee der Katholiken. Von den Ordensleuten wagt sich nur Br. Paulus vor eine Kamera.
Wie mit den Päpsten fertig werden?
Unter dem weisen theologischen Lehrer Josef Ratzinger wurde das Dilemma nicht so deutlich, auch wenn der ehemalige oberste Glaubenswächter mit seinen Jesus-Büchern zum Erfolgsautor wurde, indem er zeigte, wie oft bepredigte Bibelstellen für heute gelesen werden können. Der Papst, dem von deutscher Seite immer das Stigma anhaftete, das theologische Denken einzuschränken, wird in Bahnhofsbuchhandlungen verkauft, deutsche Theologen können nur ihre Fragezeichen anbringen. Der Entwurf einer Theologie für die gegenwärtige Gesellschaft, welche sich schon aufmacht, die Postmoderne hinter sich zu lassen, wird noch nicht herumgereicht.
Als dann dieser Papst bei seinem Besuch 2011 die deutsche Kirche aufforderte, sich zu entweltlichen, d.h. erst einmal in Distanz zur bundesrepublikanischen Gesellschaft zu gehen, wurde das nicht als wohlwollende Provokation aufgenommen, sondern als die schon lang erwartete Rücknahme des Aggiornamento Johannes' XIII. und damit als Bruch mit dem Konzil. Aber was kam danach? Nach den Missbrauchsskandalen wurden der Limburger Domberg und der Konkurs des bischöflichen Fantasy-Vertriebes Weltbild zum Medienthema. Keine Initiative zu den vielen, in der Gesellschaft diskutierten Fragen: Familie und Berufstätigkeit der Frauen, Überalterung, Integration von Zuwanderern, Dialog mit dem Islam – die Themen werden von den Medien diskutiert. Aber kein Gesprächsbeitrag oder eine Themeninitiative der katholischen Kirche in Deutschland hielten sich mehr als zwei Tage in der öffentlichen Diskussion. Der Katholikentag naht: Was werden die Laien auf die Tagesordnung setzen? Den Beteiligten scheint nicht klar zu sein: Solange die deutschen Bischöfe wie die deutschen Laien nicht Themen setzen, die mit den Lebenserfahrungen und den Hoffnungen der Menschen zu tun haben, wird der nächste Skandal mit Sicherheit kommen. Dann braucht es keine 30 Millionen für eine Altbausanierung mehr, sondern die öffentliche Aufmerksamkeit ist mit 10 oder vielleicht schon 5 Millionen zu haben, damit wieder tage-oder sogar wochenlang über die katholische Kirche ohne Wohlwollen berichtet wird.
Es fehlt an Themen, und die vorhandenen werden in Rom gemacht.
Warum Papst Franziskus das Dilemma der deutschen Kirche noch verschärft
Dass man Freude und das Evangelium auf einen Nenner bringen kann, das hätten die deutschen Katholiken nicht gedacht, obwohl 2005 die Jugend der Welt das in Köln gezeigt hatte. Weil das Hinterfragen vor das Zustimmen gestellt wird, weil Spiritualität erst durch den kritischen Teil des Gehirns geschleust werden muss, fliegen die religiösen Emotionen nach Rom, aber der Kopf bleibt hier. Der Papst erreicht nicht nur die katholischen Emotionen, sondern auch die Herzen der Protestanten. Im Moment geht es nämlich um die emotionale Seite des Katholizismus, nachdem der emeritierte Papst mit seinen Enzykliken zu Liebe, Hoffnung und Glaube, seiner Sozialenzyklika und den Jesusbüchern die Fundamente neu gesichert hat. Der jetzige Papst wird nicht nur wie sein Vorgänger geachtet und wie Johannes Paul bestaunt, er wird geliebt. Auch von den deutschen Bischöfen oder dem Zentralkomitee der Katholiken? Und hier beginnt das Dilemma. Was machen deutsche Oberhirten, deren Pensionierung herbeigewünscht wird oder die schon kurz nach ihrer Ernennung auf Ablehnung stoßen?
Bauen geht wohl im Moment nicht
Die Geschichte zeigt: Man kann die Kirche und ihre Führungspersonen hervortreten lassen, wenn man dazu die geeignet Architektur schafft. Das war schon in der Romanik so. Bischöfe hatten vor ihrer Ernennung oft einen Dom gebaut und damit gezeigt, dass sie dem Glauben Ausdruck verschaffen können. Im Barock haben die Katholiken wohl nichts gegen die damaligen Neubauten, ob Kirchen mit ihren Klosteranlagen oder die Schlösser der Fürstbischöfe, gehabt, sei es in Münster, in Bonn oder Bruchsal. Heute scheint das nicht mehr zu funktionieren: Wenn ein Bischof einige mittelalterliche Fachwerkhäuser restaurieren und ein stattliches Ensemble baut, schlägt ihm der Unwille der Nation entgegen. Man muss allerdings festhalten: Dieser wäre ohne Franziskus nicht so heftig ausgefallen.
Die deutschen Katholiken müssen selbst mit ihrer Situation fertig werden
Die kurze Analyse zeigt, dass der Papst den Deutschen Katholiken wenig helfen kann. Er ist nun mal der Papst für die Gesamtkirche und ersetzt nicht den Bischof einer Diözese. Dass man seitens der Theologen oder des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken nicht mehr wie bei seinen Vorgängern die antirömische Karte spielen kann, um sich im eigenen Land Sympathien zu erwerben, das erleichtert eigentlich. Noch etwas kommt hinzu: Man kann nicht mehr, wie der emeritierte Kardinal von Köln und andere Bischöfe, die sich als konservativ zu profilieren suchten, den Papst als Garanten für seine eigene Amtsführung herbeizitieren. Dann müsste man ihn in seiner Liebe zu den konkreten Gläubigen nacheifern und nicht ständig an der eigenen Diözese herumnörgeln, weil man sich ein weniger aufmüpfiges, ein gläubigeres Kirchenvolk mit weniger Eheproblemen gewünscht hatte.
Der Papst kann wenig für die deutsche Kirche tun, ob er den Limburger Bischof absetzt oder nicht. Nur die deutsche Kirche könnte Teile Anregungen aus seinen Predigten und dem Schreiben "Freude am Evangelium" tatsächlich umsetzen. Da sollte keiner dem anderen den Vortritt lassen. Denn das Versprechen, dass das Evangelium nicht freudlos macht, gilt auch der deutschen Kirche. Wenn sie allerdings weiter schweigt und in der Mediengesellschaft, ob im Fernsehen oder in Facebook, keine Themen setzt, die die Menschen interessieren, verschärft der Papst mit seiner Medienpräsenz, seinen Gebets- und Besuchsaktionen das Dilemma nur noch mehr.
<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>
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