Wer hat uns die Weihnachtszeit gestohlen?

Während in den Kirchen noch die Texte von der Ankunft des Messias gelesen werden und die Menschen sich auf die Geburt des Kindes vorbereiten, stoßen sie beim Verlassen der Gottesdienste bereits nicht nur auf mit Kerzen geschmückte Weihnachtsbäume, sondern auf alles, was es früher erst an Weihnachten gab.

Während in den Kirchen noch die Texte von der Ankunft des Messias gelesen werden und die Menschen sich auf die Geburt des Kindes vorbereiten, stoßen sie beim Verlassen der Gottesdienste bereits nicht nur auf mit Kerzen geschmückte Weihnachtsbäume, sondern auf alles, was es früher erst an Weihnachten gab.

Das Gefühl zählt

Allenfalls bei Geburtstagen gibt es ein besonderes Gefühl, vielleicht noch an Pfingsten, aber kaum am Fest der Auferstehung, an Ostern. Mit diesem Fest hatte das Christentum aber angefangen. Weihnachten scheint Ostern in seiner ursprünglichen Bedeutung abgelöst zu haben. Vielleicht sind die Menschen zu Weihnachten auf der Jagd nach dem „typischen „Weihnachtsgefühl“. Da die Kältewelle meistens vor Weihnachten abebbt, fehlt zunehmend der Schnee. Aber man kann ja den Duft suchen, der das Gefühl vermittelt. Früher war es das Weihnachtsgebäck und die Kinder durften die Teigreste aus den Schüsseln herauskratzen. Dann gab und gibt es noch das Versprechen der Geschenke. Das wirkt aber nur bei den Kindern, die Erwachsenen bekommen Stress, weil das Schenken für sie „Pflicht“ ist. Was sollen die Erwachsenen dann tun, um sich das Weihnachtsgefühl „reinzuziehen“? Zu Hause überkommt es einen nicht mehr. Weihnachten findet ja schon anderswo statt:

Aus den Advents- sind Weihnachtsmärkte geworden

Kaum jemand scheint so wie die Deutschen zu verstehen, wie man Weihnachtsstimmung erzeugt. Es sind nicht mehr nur die Autos die exportiert werden, mit den Märkten wird deutsche Weihnacht in die Nachbarländer exportiert. Die Märkte ziehen immer mehr Ausländer an. Inzwischen gibt es in Deutschland um die 1.500 solcher Märkte. Nürnberg hat schon lange kein Monopol mehr. Nicht nur die Franken finden jetzt solche Märkte vor ihrer Haustür, die Altbayern können in München oder in Traunstein den Christkindlmarkt besuchen. Köln ist, nicht zuletzt wegen der Besucher aus den Beneluxländern, mit etwa 5 Millionen Besucher Spitzenreiter. Insgesamt sollen es 85 Millionen Besucher sein, die das Besondere auf einem der Märkte suchen. Es ist verhältnismäßig einfach, ein oder mehre Glühweingläser sind das beste Mittel, dazu die Gerüche, der Tannenschmuck. Die Weihnachtslieder muss man nicht mehr mühsam zu Hause zum Klingen bringen, sie kommen einfach aus dem Lautsprecher.

Dienten früher die Märkte dazu, für Weihnachten einzukaufen, wurden Sie einfach in Weihnachtsmärkte umgewandelt. Den Einkauf erledigt man in den Geschäften. Weil dort das Gefühl selbst durch herumstrolchende Weihnachtsmänner nicht aufkommen will, gibt es auf den Plätzen die Buden, die mit Musik, Düften, Getränken das Gefühl liefern.

Soll man der Weihnachtszeit nachtrauern

Weil Weihnachten bereits in den Advent verlegt ist, hört das Fest dann auch am 2. Feiertag auf. Die Märkte sind abgebaut, so können die Budenbesitzer wenigstens in Ruhe Weihnachten feiern. Ihr Verdienst war ähnlich gut wie das Sammelergebnis der Stadtstreicher in der Christnacht.

Weil Weihnachten gefühlsmäßig im Advent bereits abgefeiert ist, haben sich die Menschen allerdings damit die Festtagslaune nehmen lassen. Der Alltag kehrt allzu schnell wieder ein, zumal nur die Kirchen noch mit Baumschmuck und Krippen zu anheimelnden Gottesdiensten einladen. Die Straßen sind unwirtlich, Geschäfte werden zum Umtausch aufgesucht, das Flair ist weg. Es hilft nur, in Schneegebiete aufzubrechen. Die Christen und auch die Kirchgänger haben sich nicht gegen die Umwandlung des Advents in eine Weihnachtslandschaft gestemmt. Die wenigsten heben noch die Plätzchen bis zum Weihnachtsabend auf. Der Stollen, der eigentlich das in Windeln gewickelte Christkind darstellt, ist längst angeschnitten. Dass der 24. noch bis zur Mette als Fasttag gilt, an dem es weder Süßes noch Fleisch gibt, ist auch aus dem rheinischen Brauchtum verschwunden. Wer kann aber, der schon seit Tagen oder sogar Wochen „Weihnachtsgefühl“ eingefangen hat, noch in den Jubel des Engelgesangs einstimmen, die Weihnachtslieder, die er schon oft gehört hat, mit weihnachtlicher Hochstimmung singen? Zumindest für die Kirchgänger zahlt es sich nicht aus, wenn sie mit Weihnachten schon im Advent beginnen. Sie spüren, schmecken, riechen das Besondere nicht mehr und die Lieder, die eigentlich die ganze Weihnachtszeit erklingen sollen, hören sich schon „ausgeleiert“ an.

Sich wieder auf Ostern konzentrieren

Es scheint unmöglich, dass die wenigen Kirchgänger das Blatt wieder wenden und den Advent eine Zeit der Vorbereitung sein lassen. Weil faktisch mit Weihnachten eine Urlaubszeit beginnt, müssen die Betriebe und Vereine ihre Weihnachtsfeiern vor das Fest legen. Zudem ist Weihnachten zu einem halbsäkularen Event geworden, das 13. Monatsgehalt, das man den Menschen nicht missgönnen kann, hat den Einzelhandel so in den Mittelpunkt gerückt. Er muss daher für attraktive Weihnachtsmärkte sorgen, damit die Menschen nicht anderswo einkaufen.

Was der Advent nicht mehr vermag, nämlich die Menschen auf ein Fest vorzubereiten, das gelingt in der Fastenzeit immer noch besser. Die Fastenaktionen, so „40 Tage ohne“ und andere, haben diese Wochen neu ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Das hilft den Christen vielleicht auch, Ostern wieder wie in der frühen Kirche und der Orthodoxie zum größeren Fest zu machen. Hier kann das Unterscheidende, was die Zivilreligion nicht vermag, auch sehr viel deutlicher gemacht werden als an Weihnachten.

Eckhard Bieger S.J.

 



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