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Weihnachten in der Nachkriegszeit

Die Inflation hatte das Vermögen aufgefressen. Dann kam auch noch 1929 der Börsencrash, der von Amerika nach Deutschland schwappte und hohe Arbeitslosigkeit und zusätzliche Armut brachte. Auch für den Landwirtssohn, den es durch die Heirat vom Land in die große Stadt verschlagen hatte. Schlechte Voraussetzungen für eine Familie, in die 8 lebhafte Kinder hineingeboren wurden.

Mutter hatte mit ihren 8 Kindern auch vor Weihnachten alle Hände voll zu tun. In zwei Badewannen, eine große und eine für die Kleinen, wurden am Samstag alle Kinder gebadet. Das Wasser musste im „Schiff“ auf dem Kohleherd erwärmt werden. Dann bekam jeder sein Päckchen mit sauberen Sachen für die nächste Woche. Ohne Badezimmer und Heißwasserboiler und in der kleinen Küche, war das sicher eine Tortur für die Mutter.

Weihnachten selbst war bei uns ein außerordentliches und wunderbares Fest.

Die große Schwester erzählt, die Mutter habe immer schon wochenlang vor Weihnachten verpflasterte Finger gehabt. Das fehlende Geld machte sie durch nächtliche Arbeit und eine nie sich erschöpfende Kreativität wett. Im Gebrauchtwarenkaufhaus, fand sie die Dinge, die sie heimschleppte, veränderte und verschönte.

Die Puppen bekamen zu Weihnachten neue Kleider und neue Haare. Die waren echt und stammten von ihren schönen langen Haaren, später auch von denen der großen Schwester. Das Schaukelpferd bekam eine neue Bemalung, neues Zaumzeug und einen neuen Sattel in der passenden Farbe. Einmal war es ein Schimmel, einmal ein feuriger Rappe, einmal braun gestrichen. Kaufladen und Puppenstube wurden neu ausgemalt. Vorhänge und Bettkissen neu genäht.

Am Abend herrschte bei den Kindern zappelige Erwartung. Alle waren in den Badewannen gewaschen und abgeschrubbt worden. Zum Abendessen gab es Kartoffelsalat und Wienerle.

Das Christbaumschmücken war Vaters Aufgabe. Am Hl. Abend war das Wohnzimmer verschlossen. Der Christbaum ging bis an die Decke. Er war schön mit dem alten Christbaumschmuck geschmückt. Drum herum lagen die Geschenke für die Kinder. Bevor wir hineingehen durften, zündete der Vater die Kerzen an und läutete ein Glöcklein. Dann öffnete sich die Tür zum warmen Wohnzimmer und Vater sagte, „das Christkindle war da“. 

Ein feierlicher Augenblick. Es war aber nicht erlaubt, sich gleich auf die Geschenke zu stürzen, erst musste gesungen werden Das dauerte, denn es kamen alle bekannten Weihnachtslieder dran, mit allen Strophen. Es klang schön, die hellen und die tiefen Stimmen und die Zweitstimme der Mutter. Dann erst durften die Geschenke in Besitz genommen werden.

Der sterbenskranke Vater starb bald und viel zu früh. Die warmen Lichter der Weihnacht aber überdauerten und zauberten immer wieder einige helle Momente in die nachfolgenden Katastrophen.

Rosa Anne Löffler


Kategorie: Religion explizit.net

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