Warum will Putin Russland in Syrien verteidigen?

Seit Beginn der militärischen Operation in Syrien fragt man sich, was die Russen dort eigentlich wollen. Sollten sie aus dem Krieg in Afghanistan, der das Ende Sowjetunion einläutete, nichts gelernt haben? Oder steht dahinter ein Masterplan von Vladimir Putin? Falls ja, was kann er damit bezwecken? Ist es ihm nicht genug, die ehemalige Sowjetunion wiederzubeleben? Muss er noch im Mittleren Osten eingreifen? Oder knüpft er an das Erbe des alten Zarenreiches an? Will er den alten Traum Russlands von Ufern an warmen Seen verwirklichen?

Seit Beginn der militärischen Operation in Syrien fragt man sich, was die Russen dort eigentlich wollen. Sollten sie aus dem Krieg in Afghanistan, der das Ende Sowjetunion einläutete, nichts gelernt haben? Oder steht dahinter ein Masterplan von Vladimir Putin? Falls ja, was kann er damit bezwecken? Ist es ihm nicht genug, die ehemalige Sowjetunion wiederzubeleben? Muss er noch im Mittleren Osten eingreifen? Oder knüpft er an das Erbe des alten Zarenreiches an? Will er den alten Traum Russlands von Ufern an warmen Seen verwirklichen?

Kampf gegen den Islamismus

Die Gedanken von Putin kennen wir nicht. Es geht auch nicht darum, die russische Politik zu verteidigen oder sie sogar zu rechtfertigen. Hier geht es um die Stimmungslage in Russland, was die herrschende Elite in Russland bewegt und welche Motive sie evtl. haben könnte.

Die Beweggründe der russischen Regierung sind komplex. Reale Interessen des Landes mischen sich mit den Interessen der regierenden Eliten, Phantasmen, Machtansprüchen und Phobien. Der Kampf gegen den Terror, der wirklich eine Gefahr für das Land darstellt, mischt sich mit Wünschen, wieder Großmacht zu sein oder zumindest zu scheinen. Reale geopolitische Interessen werden kaum von dem unterschieden, was die Entscheidungsträger selbst für solche halten. Keine einzelne Begründung noch ein Motiv alleine würde reichen, das militärische Engagement zu rechtfertigen. Um zu verstehen, warum die Regierung Russlands sich in den syrischen Bürgerkrieg auch militärisch einmischt, müssen mehrere Gründe in Betracht gezogen werden.

Putin und die Regierung stellen immer wieder heraus, dass es ihnen um die Verteidigung der Interessen Russlands geht. Wo liegen die Interessen des Landes? Ist es nur die Bekämpfung von Terror oder steht dahinter noch mehr?

Russland fühlt ich für die Christen im Orient verantwortlich

Das Engagement Russlands im Nahen Osten hat eine lange Geschichte. Sie beginnt vor Sowjetzeit. Schon im 18. Jahrhundert war Russland zum Schutzmach der Christen im Osmanischen Reich geworden. Das Schicksal der Christen dort blieb den Russen nie fern. Was dort jetzt geschieht, ist für die Menschen wichtig.

Das Vorgehen der russischen Regierung in Syrien ist aufs engste mit der Situation in Russland selbst verbunden. Wenn man auf die Landkarte blickt, kann man sehen, dass die südliche Flanke Russlands den Einflüssen aus Zentralasien und dem Nahen Osten offen liegt. Was im Nördlichen Kaukasus geschieht, kann man nicht von den Ereignissen im Nahen Osten trennen. Putin und die führende Schicht im heutigen Russland ist von dem afghanischen, aber besonders tief von den Tschetschenin-Kriegen geprägt. Bei diesen zwei Kriegen wiederholte sich das gleiche Muster – es war ein Kampf mit den von außen unterstützten Islamisten. Wobei im Afghanistan Vereinigten Staaten mit ihren Verbündeten selbst stark engagiert waren. In Tschetschenien wurden die Rebellen hauptsächlich von den arabischen Ländern unterstützt, der Finanzier der Rebellen war ein Jordanier. Nach der Niederlage Russlands im ersten Tschetschenienkrieg hat dieses de facto seine Unabhängigkeit bekommen. Aber was von den kriegsmüden Russen als ein Ende des Problems gesehen wurde, war für die islamistischen Rebellen erst der Anfang. Das Islamische Kalifat im heutigen Irak und in Nordsyrien hatte seinen Vorgänger im Kaukasus. Ein Kalifat vom Kaspischen bis zum Schwarzen Meer war das nächste Ziel für die dort agierenden Islamisten. Sie blickten weiter gen Norden, nämlich nach Tatarstan, das nur einige hunderte Kilometer vor Moskau liegt. Die Logik der Islamisten ist nicht die Logik der Nationalstaaten, sondern der Weltherrschaft der islamischen Umma. Im zweiten tschetschenischen Krieg wurde die Oberhoheit der Zentralregierung in Moskau im Nordkaukasus zwar wiederhergestellt, der Krieg aber endete nicht, und es wird wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht enden. Von der, Putin hat in Tschetschenien die Ordnung einigermaßen wiederhergestellt. Er konnte sich auf den dort vom Sufismus geprägten Islam stützen. Die Tschetschenen hassen nämlich die aus den arabischen Ländern kommenden Wahhabiten noch mehr als die Russen. Inzwischen hat sich der Schwerpunkt des Konfliktes in das benachbarte Dagestan verlagert. Dort, in den Bergen, halten sich bewaffnete Rebellengruppen versteckt.

Korruption hat den Islamismus gefördert

Die radikale Interpretation des Islams fanden in den verarmten und unter Korruption leidenden Ländern des Nordkaukasus unter den jungen Muslimen Anhänger. Der Kampf für den Sieg des Islams ging mit dem Kampf gegen die korrupten Eliten einher. Dann kam der sog. “Arabische Frühling”. Plötzlich haben junge Muslime aus den nordkaukasischen Republiken eine neue Aufgabe für sich entdeckt. Den Glaubensbrüdern in den arabischen Ländern zu helfen. Das verbinden sie mit der Hoffnung, nach dem Sieg zurückzukommen und die Kriegserfahrungen in ihrem Heimatland zu nutzen. In Dagestan kennt jeder eine Familie, aus der jemand nach Syrien gegangen ist. Diese Freiwilligen machen auch kein Geheimnis aus ihren langfristigen Zielen – “Heute Syrien, morgen Russland”, ist auf den Häusern in den eroberten Gebieten Syriens zu lesen.

Deswegen rechnen die Russen damit, dass nach der Beseitigung Assads sie das nächste Ziel der Islamisten werden. Das macht verständlich, warum die Russen den militärischen Einsatz so verstehen, dass Russland in Syrien verteidigt wird.

Warum Russland zu Assad hält

Die Behauptungen, dass die Islamisten nur deswegen so stark geworden sind und dass der Krieg deshalb so lange dauert, weil Assad nicht sofort entfernt wurde, können von Russen nicht ernstgenommen werden, wenn man bedenkt, was in Libyen und Irak geschah. Russland ist allerdings an der Fortsetzung des Krieges nicht interessiert. Die Gründe sind eher pragmatisch als humanitär. Der Krieg, auch wenn man keine Truppen einsetzt, verursacht Kosten, die Russland angesichts der Wirtschaftskrise nicht lange tragen kann. Außerdem weiß Moskau aus den Erfahrungen in Afghanistan und Tschetschenien, dass ein solcher Krieg kaum zu gewinnen ist. UN-Botschafter Witali Tschurkin sagte im Interview für Zeitung Kommersant, wenn man versuche diesen Krieg militärisch zu gewinnen, wird es sehr lange dauern, bis man sein Ziel erreicht hat, wenn überhaupt.

Keine weitere Konfrontation mit dem Westen

Die russische Regierung weiß, dass sie in der Konfrontation mit dem Westen schon ziemlich weit gegangen ist. Es gibt keinen Grund und auch keinen Wunsch, noch weiter zu gehen. Das erklärt die Kompromissbereitschaft und auch den Druck auf Baschar al Assad, die in München ausgehandelte Waffenruhe einzuhalten. Wie die Regierung in Russland und auch die Beobachter betonen, geht es jetzt darum, der anderen Seite zu zeigen, dass dieser Krieg militärisch nicht zu gewinnen ist. Witali Tschurkin hat auch gesagt, dass die Opposition in Syrien bis vor kurzem noch hoffte, Assad “auszupressen”. Jetzt sind solche Träume verschwunden. Das hat die Friedensgespräche und ausgehandelte Waffenruhe möglich gemacht.

Die Rolle der Türkei

Viele hängt jetzt davon ab, ob die Waffenruhe eingehalten wird und davon, ob die Türkei militärisch eingreift. Ein großes Problem kann die mögliche Einmischung von Saudi Arabien und noch mehr der Türkei sein. Die Beziehungen Russlands zur Türkei, die vor 2011 ihre Blütezeit erlebt haben, verschlechterten sich nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien ständig. Die türkische Regierung hat von Anfang an auf den Sturz Baschar al Assad hingewirkt. Das führte zu Verschlechterung der Beziehungen zu Russland. Beide Seiten waren aber wirtschaftlich so eng verbunden, dass keine zum völligen Bruch bereit war. Auch nachdem die Türkei einen russischen Bomber abgeschossen hat, gab es trotz Empörung in Russland viele Stimmen, die fragten, wie darauf zu reagieren sei. Einen Krieg wollte keiner der Beteiligten, auch wenn es im Fernseher Debattenvon Hitzköpfen gab, Russland solle die Türkei bombardieren. Sogar die wirtschaftlichen Sanktionen fielen mäßig aus. Sie betrafen hauptsächlich Obst und Gemüse sowie den Tourismus. Das war für einige Firmen zu viel und sie übten Druck auf die Regierung aus, die Wirtschaftssanktionen einzustellen oder zumindest einige Ausnahmen machen. Damit ist zu rechnen, auch wenn Außenminister Lawrov hat vor kurzem gesagt hat, die Unterstützung von Terroristen werde Russland der Türkei nie vergessen. Es ist wenig wahrscheinlich, aber nicht auszuschließen, dass die Türkei mit Bodentruppen in kurdische Gebiete im Norden Syriens eingreift. Das würde die Spannungen zwischen beiden Ländern verschärfen. Wie Russland darauf reagieren wird, ist eine offene Frage.

Vladimir Pachkov

Die russische Bevölkerung über den Militäreinsatz ihres Landes in Syrien:

Die Mehrheit unterstützt die Militäroperation in Syrien – nach der letzten Umfrage mit 60% gegen 27%.

Der größte Teil derer, die diese Operation unterstützen, meinen, dass Russland den Kampf führt. Andere meinen, dass der Hauptgrund für das Engagement die Unterstützung von Assad bzw. die Rivalität mit den Amerikanern sei. Als die Operation begann, herrschte Angst, dass es zu einem neuen Afghanistan kommen würde. Jetzt herrscht eher Gleichgültigkeit. Nur 18% der Bevölkerung informiert sich regelmäßig über den Krieg in Syrien. Die Opposition in Russland wirft der Regierung vor, den Krieg zu benutzten, um die Bevölkerung von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten abzulenken.



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