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Warum gelingen Reformen erst mit den Konservativen?

Die Katholische Kirche wird mal wieder von den Konservativen ausgebremst. So steht es seit dem 12. September in den Zeitungen und vorher schon im Internet. Dem Synodalen Weg wird Scheitern vorausgesagt. Der Reformwille braucht Augenmaß. Denn nicht nur eine Kirche muss weitgehend beim Gewohnten bleiben, weil unser Leben zu kurz ist, um Vieles zu verändern.

Als jemand, der in jungen Jahren das Konzil und dann seit 68 die ständige Reform der Reformen miterlebt hat, sehe ich den Synodalen Weg immer skeptischer. Mir fehlt die Anstrengung, etwas Neues zu entwickeln. Die Lager, ob vorwärtsdrängend oder bremsend, können nur dann etwas bewirken, wenn sie sich verständigen. Dafür ist noch viel Anstrengung notwendig. die erst – wie beim Konzil - eine tiefergehende Verständigung der beiden Lager erbringt. Die Resonanz in den Mediengefährdet das ganze Projekt

Ohne die Medien erreicht man die Katholiken nicht

Es ging in der Abstimmung um eine neue Sexualmoral. Mir sind die Forderungen verständlich, aber wo liegt der Fortschritt in der Moral? Das ist schwierig darzustellen. Aber man sollte es den Journalisten zumuten. Wenn man aber den Eklat, dass das Papier bei den Bischöfen nicht die Zweidrittelmehrheit gefunden hat, nach außen trägt, macht der Synodale Weg es den Medienleuten zu einfach. Zudem bestätigt er die Einschätzung: „Die modern denkende Mehrheit wird von den Konservativen ausgebremst.“ Das ist nicht falsche Berichterstattung, sondern mangelnde Fähigkeit der Moderatoren, gegenseitiges Verstehen zu betreiben und das nach außen als gemeinsame Suche zu „verkaufen“. Denn ohne die Konservativen wird man die Zögernden nicht mit ins Boot zu holen. Und bei Veränderungen zögert die Mehrheit fast immer. Deshalb braucht eine Reform, wenn sie nicht nur beschlossen, sondern dann auch umgesetzt wird, die Konservativen, weil diese die Zögerer viel leichter überzeugen können. Nicht zuletzt brauchen die Reformer deshalb die Konservativen, weil diese sehr viel besser in der Umsetzung sind.  

Die Zögernden mitnehmen

Jede Reform kann scheitern. Deshalb bleibt die Mehrheit der Mitglieder skeptisch, zumal die Deutschen nicht in einem Zeitalter der Reformen leben, sondern der ständigen Nachbesserungen, vor allem im Bildungsbereich. Jede Reform wurde mit dem Versprechen verbunden, dass endlich ein Problem gelöst wird. Das mag hin und wieder gelungen sein. Aber die neuen Probleme, die durch die Reform entstehen, kosten Zeit, Geld und nicht zuletzt Nerven. Wahrscheinlich gehöre ich zur Mehrheit der Reformmüden. Und kann diese Mehrheit dem Versprechen des Synodalen Weges trauen, dass nachher alles besser wird? Mir scheinen die Beton-Schwellen der Bahn das Bild für die Grundstimmung nicht nur in der Kirche, sondern in der Republik zu sein. Sie sind sicher wetterfester als die früheren Holzschwellen. Aber sie zerbröseln, so dass ein Zug bei Weilheim entgleiste und über 70 Streckenabschnitte nur mit Vorsicht oder gar nicht mehr befahrbar sind.
Zurück zu den Reformen in der Katholischen Kirche: Das Zögern scheint verständlich. Die Reformer werden den Zögernden ihre Skepsis erst dann nehmen, wenn Konservative sich hinter die Reform stellen. Man spürt nicht den Willen der Reformer, alle Katholiken ins Boot zu holen. Auch wenn es diesen Willen gibt, es braucht mehr als die Journalisten der Kirchenmedien, um den Katholiken den viel beschworenen Aufbruchsgeist zu vermitteln. Als Medienmensch würde ich sagen, dass der Synodale Prozess zuerst eine Medienstrategie entwickeln sollte, damit etwaige Beschlüsse nicht nur in trockenen Papieren den Kirchenmitgliedern ausgehändigt werden, sondern diese die Entstehung, das intensive Ringen mitbekommen. Das Konzil wurde durch diese Medienpräsenz zum Erfolg. Hier ist beschrieben, wie das Konzil das hinbekommen hat: Mehr Einigkeit Ihr Katholiken

Die Idee wirklichkeits-fest machen

Ich gehöre zu den Neueren. Mir ist lieber, Neues auszuprobieren als beim Alten zu bleiben. Das Neue hat für mich einen helleren Glanz. Der strahlt aber nicht einfach. Die Leute, die ich beglücken will, melden mir durch ihr Desinteresse: "wir wollen doch nicht etwas nur deshalb machen, weil Sie sich das ausgedacht haben. Probieren Sie es erst Mal selber aus, ob es funktioniert". Mit vielen Projekten habe ich deshalb Schiffbruch erlitten. Glücklicherweise habe ich Kolleginnen und Kollegen gefunden, die meine Vorschläge abgeklopft haben. Daher die Erfahrung, dass die anfänglichen Bremser erst ein Projekt zum Erfolg bringen. Wenn die Reformer aber im Synodalen Weg die Bremser öffentlich attackieren, werden sie ihre Ideen nicht durchsetzen. Dazu eine Beobachtung.

Wo versteckt sich die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs?

Die geforderte neue Sexualmoral wurde von der Mehrheit der Bischöfe abgelehnt. Waren es nicht die Bischöfe und Ordensoberen, die ihre straffällig gewordenen Priester "versetzten" oder sogar in andere Diözesen abschoben? Sie sollen jetzt einer Liberalisierung zustimmen. Das führt zu einem Dilemma, denn wenn jetzt sexuelle Praktiken unter dem Label "Neue Sexualmoral" freigegeben werden, warum ist dann sexueller Verkehr mit Kindern so schlimm? Im Zusammenhang mit der Sexuellen Revolution hatten die Pädophilen es bis in das Parteiprogramm der Grünen geschafft. Wie passen Liberalisierung auf der einen Seite und striktes No-Go für Pädophile zusammen? Da würde man sich von dem Gremium Substantielles erwarten. Das Thema „Sexueller Verzicht in Bezug auf Kinder und Jugendliche“ müsste doch irgendwie in der neuen Sexualmoral einen gewichtigen Platz bekommen. Es bleibt dann immer noch der Spagat zwischen Liberalisierung und striktem Verbot. Es scheint den Reformen nicht mehr vorrangig um den sexuellen Missbrauch zu gehen. Die Neue Sexualmoral müsste mehr sein als die Übernahme von Vorstellungen, die sich in der bundesrepublikanischen Gesellschaft durchgesetzt haben. Auch hier kann zerbröselnder Beton als Symbol für den Zustand der Kirche wie der Republik als Bild dienen. Beton schien unzerstörbar, für die Ewigkeit gemacht. Brücken aus Spannbeton sind zudem sehr viel leichter als solche aus Stahl. Aber anders als erwartet sind gerade diese Beton-Brücken zum Problem geworden, während Stahlbrücken auch den Lastwagenverkehr weiter aushalten. Grund für die gesperrten Brücken ist das mangelnde Zusammenspiel von Beton und Stahl. Die Brücke braucht Moniereisen und zugleich eine genügend dicke Betonschicht, damit Feuchtigkeit und Abgase die Moniereisen nicht rosten lassen. Der Synodale Prozess signalisiert nicht, dass er besten Stahl verbaut, damit die Betondecke nicht bald zerbröselt. Das ist dringend mehr Anstrengung notwendig. Das ist auch am Konzil ablesbar. Obwohl es vermitteln konnte, dass seine Beschlüsse solide erarbeitet und gründlich diskutiert worden waren, waren viele Katholiken mit einzelnen Reformen nicht einverstanden.

Mögliche Reformen beschließen und umsetzen

Deutschland ist reform-müde und die Katholische Kirche noch weniger in der Verfassung, etwas zu ändern. Ihr Synodaler Prozess beendet auch nicht durch mutige Entscheidungen die Dauerdiskussion um den sexuellen Missbrauch. Die diözesanen Verwaltungen, selbst verantwortlich für die Vertuschung, bekommen es auch im 12. Jahr nicht hin, wenigstens den Katholiken die Sicherheit zu geben, dass die Missbraucher nicht weiter bloß versetzt und so ungeschoren davonkommen. Stattdessen werden eine wohl nicht gründlich ausgearbeitete Sexualmoral und die Abschaffung des Pflichtzölibats propagiert. Den Synodalen, wer kennt sie überhaupt, ist doch nahezulegen, erst einmal das zu erledigen, wozu Verwaltungen prinzipiell nicht in der Lage sind, nämlich sich selbst zu reformieren. Das Grundübel ist das "Versetzen" schwieriger Hauptamtlicher. Es gibt ja nicht nur den Sexuellen Missbrauch, sondern andere Formen von Fehlverhalten Hauptamtlicher. Sie werden versetzt, weil eine Verwaltung nichts Anderes machen kann als verwalten. Wenn denen, die versetzt werden müssen, keine weitere Hilfe zuteilwird, werden sie am neuen Ort die gleichen Probleme erzeugen. Deshalb ist nicht nur ein besserer Schutz der Kinder und Jugendlichen geboten, sondern auch Hilfe für die Täter. Es reicht auch christlich nicht, Täter zu verurteilen, sie müssen unterstützt werden, um mit ihrer Veranlagung anders zurechtkommen. Wie das gehen könnte, muss Gegenstand der Neuen Sexualmoral werden. Und wie sollen es Katholiken hinnehmen, dass ihnen Hauptamtliche "vor die Nase gesetzt" werden, die anderswo abgezogen werden mussten.
Im Vatikan ist eine Regelung eingeführt worden, die auch für die kirchlichen Verwaltungen maßgebend sein sollte, nämlich dass jemand nur 7 bzw. 5 Jahre auf einem Posten bleiben kann Das sollte für die Gemeinden wie für die Verwaltungen gelten. Es können auch 10 Jahre sein. Dann verliert eine Gemeinde zwar eine für ihre Aufgaben hoch begabte Pastoralreferentin und eine Gemeindereferentin oder ein Diakon, die in der Verwaltung verständnisvolle Ansprechpartner waren, gehen in eine Gemeinde zurück. Das ist allemal besser als Leute, die 20 Jahre immer dasselbe gemacht haben.

Der Spielraum für Reformen bleibt prinzipiell begrenzt

Der Synodale Prozess hat uns viel versprochen. Er will das Grundgefühl des Katholisch-Seins aus der Melancholie herausholen. Oben habe ich im Vergleich mit Konzil die Kommunikationsstrategie angefragt. Wenn die Versammlung alle Katholiken erreichen will, braucht es die allgemeinen Medien. Es braucht dafür aber zuerst eine andere Stimmung in der Versammlung selbst. Was nach außen dringt, ähnelt dem, was Fußballmannschaften Niederlagen beschert: Das Zusammenspiel scheint nicht flüssig.
Hat sich der Synodale Weg vielleicht übernommen und die Kapazität überschätzt, wieviel Reform überhaupt machbar ist? Der Philosoph Odo Marquardt hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir für unser Leben immer mehr Altgewohntes weiterführen müssen nur wenig Neues implementieren können. Seine Begründung ist nicht zu widerlegen: Unser Leben ist zu kurz, um Vieles anders machen zu können. Schon der zweite Tag der Revolution findet sich im Bisherigen vor. Die Beobachtung gilt auch für die digitalen Medien. Nach meiner ihrer Protagonisten werden sie alles umwälzen. Man kommt zwar nicht mehr ohne das Smartphone aus, aber was kommuniziert und geregelt wird, verläuft nach den alten Mustern und ist wie das Bisherige von der Erbsünde infiziert. Das zeigt auch dieser Kommentar:
Was ist so neu an den Beobachtungen, außer dass sie online und nicht gedruckt die Leser erreichen. Wer sich die Mühe macht und die32 Seiten des Sexual-Papier durcharbeitet, wird kaum etwas Neues finden. Dazu folgt ein eigener Beitrag.

Links

Zur Ablehnung des Sexual-Papiers auf der 4. Vollversammlung führt zu einer  Schieflage des Synodalen Weges
Der Synodale Weg muss zeigen, dass sich Reformer und Konservative verständigen. Das hat das Konzil besser hinbekommen. Deshalb: Mehr Einigkeit: Ihr Katholiken


Kategorie: Kirche

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