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Warum FDP und SPD zögern

Nicht mit den Grünen im gleichen Sandkasten. Die FDP scheint zu schwach, ihre Positionen durchzusetzen. Sie ist umgefallen, um nicht wieder wegen Mitarbeit in der Regierung als Umfaller-Partei disqualifiziert zu werden. Offensichtlich ist ihr Programm zu schwach. Aber wird es mit der SPD besser gehen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar zur schweren Suche nach einer neuen Regierung

Die Wähler der FDP, Ärzte, Rechtsanwälte, Handwerker, sind stark. Sie können sich nicht lange ausruhen und sind nahe an den Menschen. Als Selbständige haben sie einen geschärften Blick dafür, wie man mit Geld richtig umgeht. Warum verlässt ihre Vertreter die Kraft, wenn es darum geht, das Gemeinwesen entsprechend den Kompetenzen der Selbständigen zu gestalten?

Die FDP-Wähler bauchen kein Programm

Die Wähler der FDP brauchen eigentlich den Staat nicht so wie die Sozialhilfeempfänger, die abhängigen Lohnempfänger, die ledigen Mütter, die Siemensarbeiter in den neuen Bundesländern. Sie haben gelernt, sich alleine durchzuschlagen. Sie verdienen meist so viel, so dass sie sich nicht wie die Wähler der Linken und auch der AfD die Republik von ihrer Kehrseite ansehen zu müssen. Die Wohlfühlrepublik ist für sie gut bewohnbar, eigentlich muss sich nichts ändern, man muss nur die Auswüchse des staatlichen Zugriffs, vor allem dessen Griff in den Geldbeutel, zurückstutzen. Für was ein weiteres Programm! Offensichtlich wollen die Wähler der FDP von ihrer Partei nicht mehr. Für die 16% bei der vorletzten Wahl genügte der Slogan "Mehr Netto vom Brutto". Und das brauchte die FDP noch nicht einmal durchzusetzen. Anstatt sich der Härte der Finanzpolitik auszusetzen, wählte Westerwelle den bunten Garten des Außenministeriums. Der war wohl zu groß für ihn, so dass er darin verloren ging. Die SPD-Wähler wollen dagegen ein Programm, mehr als ein vages Gerechtigkeitsversprechen.

FDP – um nicht umzufallen, fiel die Verhandlungsdelegation um

Obwohl nur mit 9% der Wähler gegenüber 11% der FDP hatten die Grünen offensichtlich Ziele, die ihnen mehr Kampfgeist gaben. Sie hatten ein Programm, das die eigenen Wähler mobilisierte. Lindner war es wichtiger, eine Regierungsbeteiligung der Grünen zu verhindern und Merkel zu schwächen, als selbst die Regierungsämter zu erobern, mit denen man die Politik seiner Partei hätte umsetzen müssen. Bei Finanzen, Wirtschaft, Verkehr wären die Grünen der FDP noch nicht einmal sehr ins Gehege gekommen. Es gab auch noch ein anders Paradox, das die Freien Demokraten nicht bewältigt haben. Ihre größte Angst ist immer noch, als Umfallerpartei diffamiert zu werden. Da sie in den Jamaika-Verhandlungen auch Abstriche machen mussten, sahen sie wohl diesen Vorwurf wider auf sich zukommen. Um nicht wieder umzufallen, sind sie wieder umgefallen. Wer nach der Tagesschau und nicht spätestens nach zwei Wochen erst die Notbremse zieht, stilisiert sich noch medienwirksamer als Umfall-Partei, zumal wenn der Klick auf ein Foto zeigt, dass der Austritt schon drei Tage vorher beschlossene Sache gewesen sein muss.

Das Zögern der SPD ist verständlich

Anders als die FDP hat die SPD nicht verhandelt. Jetzt muss sie sich entscheiden und hat ebenso wenig ein Programm wie die FDP. Das hatte sie für die Wahlen schon nicht. Anders als für die FDP sind die Grünen nicht die Konkurrenten der SPD, sondern Linke und AfD. Die SPD leidet wie die FDP unter einem entscheidenden Mangel. Sie stützt sich, anders als unter Willy Brandt, nicht auf vorwärtsweisende Trends. Sie bleibt nicht nur in Brandenburg bei der Kohle, es fehlt ihr auch die Spürnase für die Gerechtigkeitslücken und die Zukunftsthemen:  

Digitalisierung als Heraufziehen einer neuen Kultur

Man kann es an Luther abschauen. Es gab mit ihm nicht nur eine Technik, sondern einen kreativen Sprachschöpfer, der die neue Satztechnik Guttenbergs mit einem attraktiven Programm versah, das als Reformation die deutschen Lande verändert hat. Weil Luther ein Programm hatte, konnte Karl V. ihn nicht einhegen. Bei Lindner stimmt nur der Anfangsbuchstaben mit dem Mediengenie Luther überein. Wer traut der FDP denn auch zu, die von ihr propagierte Digitalisierung mit einer kulturellen Innovation und einem neuen Menschenbild auszustatten? Und was sagt die SPD denen, die bei der Digitalisierung nicht mithalten können? Bildung ist hilfreich zur Bewältigung der digitalen Transformation. Was den Liberalen wie der SPD fehlt, ist das Gespür für Kultur, die es braucht, um das neue digitale Land bewohnbar zu machen. Luther und nach ihm Paul Gerhardt, Bach uva. andere haben nicht nur gepredigt, sondern eine neue religiöse Kultur geschaffen. Das nehmen wir als so selbstverständlich, dass die evangelische Kirche in der Lutherdekade musikalisch nicht innovativ wurde.

Freiheit gegen Datenschutz

Die Internetgiganten kommen immer mehr in Erklärungsnot, wie sie mit ihrer Macht umgehen. Der Staat ist gefordert, dem ausufernden Digitalismus Grenzen zu setzen. Ausbeutung, das wäre ein SPD-Thema, findet heute anders statt. Die FDP müsste die Freiheit des Individuums nicht nur gegen die Vorratsdatenspeicherung der Behörden schützen, sondern gegenüber Google und Facebook. „Digital first. Bedenken second“ ist keine politische Aufgabe. Digitalisierung treiben die Unternehmen ohne den Staat voran, der Staat muss dafür endlich die Rahmenbedingungen formulieren. Die SPD muss das Thema ebenfalls aufgreifen, um den Menschen das Sicherheitsgefühl zu geben, das man beim Besteigen eines Flugzeugs ähnlich braucht.

Arbeitslosigkeit

Was der SPD wegen ihrer Fokussierung auf den Öffentlichen Dienst abgeht, ist die Wahrnehmung der Abstiegsängste vieler Menschen. Die FDP kann der Leistungsfähigkeit ihrer Klientel vertrauen, aber mit dem Abbau der Steuerlast hat sie keine Antwort auf die Frage, wie der Markt das regeln soll. Blindes Vertrauen in die Marktkräfte verfängt nach den vielen Skandalen nicht mehr.

Überalterung der Gesellschaft und Einwanderer

Die Wirtschaft braucht gut ausgebildete Einwanderer. Die Einwanderungspolitik der Großen Koalition zu kritisieren, ist zu einfach. SPD und CDU müssen sagen, wie sie das Flüchtlingsproblem lösen wollen.

Weder FDP noch SPD sind regierungsfähig          

Wie die FDP scheut auch die SPD mit guten Gründen vor Regierungsverantwortung zurück. Wer keine starken Programme hat, wird vom Pragmatismus der CDU und der Grünen überrollt. Es ist bedauerlich, dass die einzig neue Partei noch rückwärtsgewandter ist.

Zur Gerechtigkeitslücke, die die SPD nicht sehen kann
die digigale Gerechtigkeitslücke

Ein Kommentar von Eckhard Bieger SJ.


Kategorie: Politik

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