Die niedrigen Zinsen stellen ein Problem für die (Lebens-)Versicherer dar. Inzwischen haben sie darauf mit neuen Varianten bestehender Produkte reagiert sowie neue Geschäftszweige aufgetan. Ermöglicht wird dies auch durch gesetzliche Vorgaben der letzten Jahre. Versicherer gestalten noch die Richtung in die sich die Gesellschaft entwickelt.
Compliance als Modell: Solcency II
Corporate Governance und Compliance sind neue Paradigmen unserer Welt. Jeder, der einen Antrag an eine Behörde stellt, hat dies beim Downloaden der Vertragsbedingungen erlebt. Bei Versicherern tritt dies unter Solvency II auf. Dies tegelt auch Ihre Haftung gegenüber der Gesellschaft.
Im Umfeld der Finanzkrise bestärkt, aber schon vor über zehn Jahren gestartet, besteht Solvency II aus drei Säulen.
1. Eine Vorschrift für die Hinterlegung der Geschäfte mit Eigenkapital,
2. eine zum Risikomanagement und
3. eine zum Berichtswesen.
Sind alle drei Säulen richtig erstellt, ist die Versicherungsgesellschaft von Risiken durch Kunden, Staat, Gerichte geschützt.
Die wichtigste Säule ist die erste, die des notwendigen Eigenkapitals. Sie untergliedert sich in verschiedene Töpfe. Sind diese ausreichend gefüllt, so kann und darf die Versicherungsgesellschaft die Geschäfte durchführen. In der SolvencyII Welt kann dann die Versicherung mit 99,5% nicht insolvent werden. Zur Berechnung dieses Kapitals gibt es eine Standardformel, mit dem bekannten und umstritteneren „Value at risk“. Große Versicherer wie die Allianz dürfen ihr eigenes Modell und Verfahren zur Berechnung verwenden.
Niedrigzins – Lebensversicherungen ohne Zinsgarantie
Die niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen, die bevorzugte aber auch vom Staat gewünschte Anlageform, stellen die Versicherer indessen vor Probleme. Sie reagieren mit verschiedensten neuen Tarife auch ohne garantierte Mindestverzinsung. Diese Tarife werden gut angenommen. Das Vertrauen in Lebensversicherungen fusst offensichtlich nicht vorrangig auf dem Zuwachs durch Zinsen.
Korrektur einer Schwäche der Lebensversicherung
Jede Garantie auf den Ertrag, wie
Versicherer richtig bemerken, kostet wieder Ertrag auch für den Kunden. Die Veranlagung einer Kapitallebensversicherung hat eine Dauer von typischerweise 20 oder 30 jahren im Blick. Hinsichtlich des Ertrags ist die Aktienquote der Veranlagung bisheriger Lebensversicherungen (verursacht auch durch die Garantie) zu gering. Mit Verzicht auf Garantie und mehr Veranlagung un Aktien etc. werden Schwächen des Produkts ausgeglichen.
Neue Geschäftsfelder im Bereich der Sachversicherungen
Es ist nicht neu, dass man erfolgreich das Geschäftsmodell „Versicherung“ ausdehnt. Das zeigt die Geschichte der Versicherungen. Neue Beispiele dafür sind Sachversicherungen passend zum neuen Fernseher etc. in den Elektromärkten. In Österreich bietet die Allianz ein Mobilfunkpaket mit einem Discounter an, die Generali eine PKW-Reparatur-Versicherung. Kraftfahrzeugtarife mit der Verpflichtung, Fahrdaten zu sammeln, sind möglich. Neu ist auch das Sammeln von Bewegungsdaten in den Krankenversicherungstarifen inclusive Beitragsreduktion und Gesundheitscoaching.
Trends
:
Individualisierung
und
Korrelation
Zwei Einflüsse wurden und werden stärker. Zum einen die Individualisierung. Bisher wurden mit wenigen Kennzeichen Kollektive gebildet und mit Ausgleich im Kollektiv versichert. Jetzt wird die Zahl der Kennzeichen erhöht, Kollektive verkleinert, individueller tarifiert, versichert und Risiko ausgeglichen.
Beispiele sind:
Kraftfahrzeugtarife mit der Verpflichtung Fahrdaten zu sammeln. Bewegungsdaten in den Krankenversicherungstarifen inclusive Beitragsreduktion und Gesundheitscoaching. Mehr erhobene Daten erlauben neue Tarife. Das benutzte Schlagwort lautet: Korrelation statt Kausalität. Statt zu suchen was ein Risiko verursacht wird nach der Korrelation von Risiken und Kennzeichen gesucht. Beispiele wären Wohneigentum vs. Fahrverhalten, Vermögen vs. Zahngesundheit, Schulabschluss vs. Gesundheit etc.
Neue Einnahmequellen der Versicherungen aus Beteiligungen
Spiegelbildlich zur Passivseite, also den Versicherungsgenständen, baut man die Aktivseite aus, also die Anlage der Gelder, und das nicht nur wegen des geringen Zinses auf Staatsanleihen. Beispiele sind das o.g. Mobilfunkangebot durch Versicherungen, das Betreiben von Infrastrukturprojekten wie der Wasserversorgung in London oder der Kauf der Rast- und Tankstätten durch die Allianz vor ein paar Wochen.
Gesellschaftliche Beurteilung und Fazit
Die Versicherer dehnen ihre Geschäftstätigkeit weiter aus. Sie erstellen Produkte auf Basis weiterer Individualisierung und gesellschaftlicher Korrelationen. Der Ausgleich durch große gesellschaftliche Kollektive wird zurück gefahren.Das ist hinsichtlich einer demokratischen und gesellschaftlichen Legitimation zu überdenken. Es scheint, dass die Steuerung durch Versicherer oft besser funktioniert als die durch politische Prozesse. Drei Beispiele seien genannt:
1. Der Rückgang der Todesfälle im Straßenverkehr seit den 70ern bezogen auf die gefahrenen Kilometer um einen Faktor 10. Hier haben stark gestiegene Prämien, Schadenszahlungen und Forschung der Versicherer Hersteller und Benutzer umdenken lassen und Prozesse in Gang gesetzt.
2. Private Krankenversicherer wie die Allianz zahlen nicht nur mehr, sondern geben ihren Kunden auch die Daten über Krankenhäuser mittels Empfehlungen weiter.
3. Die Tarifgestaltung der Krankenversicherung mit Forderung des Gesundheitsverhaltens (Generali)
Offensichtlich nehmen Versicherer mehr und mehr Aufgaben wahr und prägen Gesellschaftsprozesse, um die sich andere Gruppen, obwohl es ihnen möglich wäre, weniger kümmern. Das geschieht auch, weil Politik und Gesellschaft den Ausgleich im großen Kollektiv nicht propagieren.
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