Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde gestern in der Ukraine ein Schuldenschnitt vereinbart. Die Geschichte des Deals zeigt, dass Staatsschulden und das „Zocken“ damit zum Spannendsten gehört, was es in der Finanzwelt gibt. Der Vorgang ist in Medien wie Finanzmedien wie dem Bloomberg Nachrichtendienst leicht verfolgbar und auch als bedeutend eingestuft; gleichwohl berichten Fernsehen oder Qualitätszeitungen nicht - und wenn dann nur ohne angemessene Würdigung.
Die Situation der Ukraine
Die finanzielle Notlage der Ukraine war schon vor der Maidan-Bewegung schlecht, hat sich aber seitdem nochmals deutlich verschlechtert. Wirtschaftshilfen wurden bereits von westlichen Organisationen zugesagt. Ein Krisenpunkt sind die Staatsschulden und die Begleichung kurzfristig fälliger Anleihen.
Der Einstieg von Franklin Templeton
Franklin Templeton, eine der großen Kapitalanlagegesellschaften der Welt, hat wie viele andere Gesellschaften auch Fonds, die vorwiegend Staatsanleihen beinhalten. Diese sind oft nach Anlagedauer oder Land sortiert.
Wie der Nachrichtendienst Bloomberg letztes Jahr berichtete, hat es in einigen seiner großen Fonds u.a. im Templeton Global Total Return Fund (ISIN: LU0170475312) beginnend in 2013 sein Exposure (Veranlagung/Investition) bis auf 6,4 MRD USD erhöht (Stand Ende 2013)
<p>. Das war zum damaligen Zeitpunkt mehr als ein Drittel der Staatsanleihen der Ukraine, die in Dollar begeben wurden. </p> <p>Der Fonds orientiert sich in seiner Anlage an bestimmten Benchmarks, also Vorgaben wie der Fonds zusammengesetzt sein soll. Dieses Exposure in solchem Umfang in der Ukraine war und ist eine deutliche Abweichung von der Benchmark. Weiter handelt es sich, da der Fonds so große Anteile an den ukrainischen Anleihen besitzt, eine sehr pointierte und auch risikoeiche Wette. Das Exposure ist, da zeitlich parallel zu Maidanbewegung getätigt, auch als politisches Investment zu sehen. </p> <p>Ab spätestens 2014 hat ein massiver Verlust des Wertes dieser Staatsanleihen eingesetzt bis auf 10 bis 20 cent (bzw. 10 bis 20% des Nennwertes/Rückzahlungsbetrag der Anleihe). Der Markt hat somit ebenso wie die Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit der Ukraine als massiv gefährdet gesehen. <h2>Der Vergleich vom 27. August</h2> <p>Im Hintergrund dieser Kreditsituation der Ukraine hat ein lange dauerende Verhandlung zwischen Gläubigern und der Regierung der Ukraine (sowie dem IWF) stattgefunden. Eine Vereinbarung ist am 27. August zustande gekommen</p> <p>Wie Bloomberg u.a. melden, sind folgende Kernpunkte zwischen der Ukraine durch die Finanzministerin Natalie Jaresko und Franklin Templeton als Vertreter der Gläubiger vereinbart worden:</p> <p>Strukturiert wurden Anleihen im Wert von 18 MRD USD; u.a. 11 staatliche Eurobonds und drei staatlich garantierte Eurobonds (des ukrainischen Infrastrukturfonds). Die Nominalwerte/Rückzahlbetrag wurde auf 80% reduziert. </p> <p>Die Anleihen werden in neue umgetauscht mit leicht höherem Zins (7,75%) und späterem Rückzahlungsdatum, z.B. 2019 statt 2015 oder 2023 statt 2019. </p> <p>Zusätzlich gibt es eine zusätzliche Prämie/Garantie abhängig von der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts der Ukraine.</p> <p>Der Vereinbarung müssen noch 75% der Inhaber der Anleihen zustimmen</p> <h2>Charakteristika des Deals</h2> <p>Der Schuldenschnitt der Ukraine folgt bewährtem Muster wie es z.B. in Griechenland 2010 durchgeführt wurde. Dem Beitritt des IWF geht eine Restrukturierung der Anleihen voraus. Dies sind eine Reduktion des Rückzahlbetrags sowie eine Streckung der Anlagezeit bzw. der Rückzahlzeitpunkts. Garniert wird dies mit einem versprochenen „Zuckerl“, also einer zusätzlichen Zinszahlung, wenn das Wirtschaftswachstum bzw. die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts einen bestimmten Wert übersteigt.</p> <h2>Bewertung des Deals im Markt</h2> <p>In der Bewertung der Anleihen nachfolgend dem Vergleich zeigte sich: Die Anleihen, die 2017 fällig werden sind gestern deutlich gestiegen um13 cent. Eine in 2023 fällige Anleihe stieg um 16 cent auf 71 cent bzw. Prozent des Nominalwerts. Die Vereinbarung wird also als sehr positiv gesehen, bzw. der Wert der Anleihen steigt deutlich gegenüber dem Wert, wie sie in den letzten zwei Jahren gehandelt wurden.</p> <h2>Keine Beteiligung Russlands</h2> <p>Russland hat sich an den Verhandlungen zu Umstrukturierung nicht beteiligt. Es betrachtet die o.g. Vereinbarung als eine mit den Privatschuldnern der Ukraine, worunter es nicht falle. Interessant wird sein, wie die Anleihen, die von Russland gehalten werden, bedient werden. Im Dezember ist eine Anleihe in Höhe von 3 MRD EUR fällig, die in Besitz Russlands ist. Insofern ist hier eine klare Entscheidung zu erwarten; die Ukraine wird die Anleihen zurückzahlen oder nicht.</p> <h2>Prognose der weiteren Entwicklungen</h2> <p>Der IWF hat dem ganzen Procedere zugestimmt. Implizit ist damit eine Einigung mit den Gläubigern vorausgesetzt oder angenommen. Deswegen denke ich, dass es eine Einigung hinsichtlich der Rückzahlung der russischen Anleihen geben wird. Ansonsten droht ein offener Konflikt im und mit dem IWF (auch Russland ist daran beteiligt) bei einer kommentarlosen Nichtzahlung durch die Ukraine. Ein solcher Konflikt zwischen IWF und Russland ist eher auszuschließen. Dies würde die Position oder sogar die Reputation des IWF massiv schädigen, gerade da seit Juli 2014 ein wenn auch kleinerer Konkurrenzfonds zum IWF, die Contingency Reserve Arrangement (CRA) gegründet wurde. Der Westen wird somit weiter massiv finanzielle Lasten in der Ukraine übernehmen müssen.</p> <p>Uli Spreitzer <p>Links:</p> <p>http://www.bloomberg.com/news/articles/2014-02-19/franklin-templeton-lifts-ukraine-bet-by-over-250-million</p> <p>http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-08-27/all-you-need-to-know-about-ukraine-s-18-billion-debt-agreement</p> <p>http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-08-27/ukraine-bonds-surge-on-better-than-expected-restructuring-deal</p>
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