Das Pharisäertum hat sich wohl weiterentwickelt. Obwohl man die Pharisäer fast beneiden kann: ein bisschen Wasser über die Hände und die Füße und gut. Heute braucht es eine Armada an Bio-Siegeln und FairTrade-Aufklebern, um diesen Effekt zu erzielen.
Es ist heute nicht «archaisch-naiv», sondern aufgeklärt. Das aufgeklärte Pharisäertum heute hat ein etwas komplexeres System an Reinheitsvorschriften ausbaldowert. Aber die Grundhaltung ist immer noch die gleiche Grundhaltung:
Reinheit kommt von außen
Woran das liegen mag? Wer diesem Gesetz untersteht, der sieht es nicht. Denn würde er es sehen – sofort wurde er sich davon lossagen. Die Quelle der Reinheit, sagt Jesus, liegt innen. Es ist das Herz, das rein sein muss. Der Psalmist betet darum im Psalm 51: «Herr, schenke mir ein reines Herz und einen neuen, beständigen Geist.» Das Motiv für die äußere Reinheit des Pharisäertums liegt in der Trägheit des Herzens. Dieser Grund zeigt sich immer wieder im Evangelium. So ist es auch beim Gleichnis vom Barmherzigen Samariter: Der Priester, der Levit, der Schriftgelehrte, sie gehen vorbei, weil sie sich nicht konfrontieren lassen wollen mit der armseligen Wirklichkeit. Sie lassen die kranke Welt nicht an ihr Herz herankommen. Sie rennen davon und kuschen. Nicht umsonst redet man von «sich ein Herz fassen». Das ist das Gegenteil und damit das Heilmittel gegen die Trägheit des Herzens..
Reinheit kann man kaufen
Das moderne Pharisäertum fasst sich kein Herz, sondern kauft sich ein reines Gewissen. Die ganze Belastung von außen, ob biologisch oder sozial, geht am Menschen vorbei. Jesus sagt nicht nur, dass die Reinheit von innen kommt, sondern auch die Unreinheit. Daher ist das Herz träge! Das Problem ist nicht die äußere Unreinheit. Der Schmutz kommt aus mir. Das sagt Jesus. Das Neue Testament wiederholt immer wieder: Wer meint, er habe keine Sünde, der betrügt sich selbst.
Die ganze Belastung der Welt, Schmutz und Dreck, dessen Auswirkungen wir doch täglich erleben, bleibt beim aufgeklärten Pharisäer draußen. Er hat keinen Anteil daran. «Ich bin nicht die Ursache. Ich habe keine Schuld.» Sein Gewissen ist immer rein, weil er im Herzen spricht: «Was habe ich damit zu schaffen?»
Das Herz aus Stahl
Ein anderes Wort für die Trägheit des Herzens ist das vom Herz aus Stein, vom harten Herz in Psalm 95 oder vom toten Herz. Es ist überhaupt nicht verwunderlich, dass das Pharisäertum das ganze Leben durchzieht. Der blitzeblank gescheuerte, sauber geätzte, kratzgebürstete Edelstahltopf wird zum Sinnbild für die Haltung des Herzens. Warum nimmt die Kälte zwischen den Menschen zu? Warum sind die Menschen gereizt wie wunde Haut? Warum liegen die Nerven blank? Weil die Herzen blank und wundgespült sind! Weil die Menschen sagen: «Ich bin doch sauber! Schau her!» Aber sie sind es nur außen.
Die öffentlichen Orte sind mit Bakterien und Viren kontaminiert. Die Straße wird zum Feind wegen der Abgase. Die Wohnung wird steril, weil die Belastung auch dort vermutet wird. – Man lässt diese Belastung nicht an sich heran. Man hält Distanz. Und was in personalen Beziehungen oft als Höflichkeit ausgelegt wird, ist in Wahrheit Trägheit des Herzens. Man geht nicht nur an Leidenden und Kranken vorbei, sondern auch an Kindern und Freunden. Denn für das alles muss man sich ein Herz fassen. Leidende und Kranke kosten Überwindung. Man begibt sich in die Gefahr, angesteckt zu werden. Kinder und Freunde brauchen Geduld, Kraft und Zeit, die man lieber für sich und seine Wünsche hätte.
Die wahre Unreinheit kommt von innen. Sie kommt aus dem Herzen. Es ist das Herz, das sich selbst verhärtet, was die kranke und belastete Welt nicht an sich heranlässt. Wer das verstanden hat – Bio-Siegel und FairTrade-Logos machen mich nicht rein -, der ist fast schon auf dem Weg zum echten, lebendigen Herzen aus Fleisch. Denn das Edelstahlherz ist eine Grundhaltung. Es reicht nur ein einziger Sprung, der einen winzigen Riss in die harte Schale reißt, um sie auf zu brechen. Die Grundhaltung verschwindet über Nacht.
Es ist leicht, ein hartes Herz zu haben. Es ist leicht, sich ein reines Gewissen durch regionale Bioprodukte zu kaufen. Es ist aber schwer, ein weiches Herz zu haben. Es ist schwer, sich selbst anzuklagen. Es ist schwer zu sagen, dass die Unreinheit aus mir selbst kommt. Es ist schwer, zu beichten. Es ist schwer, sich ein Herz zu fassen.
Der Riss im Herzen
Wer den Riss in seinem Edelstahlherzen fühlt, der beginnt einen schweren Weg. Er ist nun verantwortlich: Das Böse kommt aus mir. Ich muss den guten Kampf kämpfen und dafür sorgen, dass aus meinem Herzen Gutes hervor kommt. Das Herz ist der wahre Kriegsschauplatz der Welt. – Erst jetzt beginnt das eigentliche Leben. Erst jetzt wird das echte Problem des Menschen offenbar: Ich bin zu schwach, um zu kämpfen. Ich bin zu schwach, um das Böse zu verhindern. Ich bin zu schwach, um ein reines Herz zu haben. Dort hinein kommt Jesus und sagt: Ich habe ein Wasser, welches das Herz von innen reinigt. Es ist der Heilige Geist, der durch die Taufe in eure Herzen eingegossen wird. Er macht euch rein und er kämpft in euch und mit euch, gegen was ihr nicht alleine kämpfen könnt.
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