Herzens-Schlösser, Frankfurt, F: explizit.net E.B.

Über die heilige Liebe

Für die meisten Menschen bedeutet «Liebe für etwas haben» von dem diesem Etwas unwiderstehlich angezogen zu werden. Jesus - genauer gesagt das Buch Deuteronomium der Schrift, was er zitiert – differenziert es: Du sollst Gott lieben, ja, aber mit Herz, Seele, Gedanken und Kraft. Diese vier Dinge sollen die Liebe bestimmen, nicht bloß die Anziehung. Das wollen wir bedenken.

 

Wenn es um die Liebe geht, so geht es um ein Missverständnis. Es zieht an wie das Licht die Motte und die Sehnsucht nach dem Etwas wächst, bis sie gestillt wird und das Etwas beim Liebenden erreicht ist.
Mit dem Herzen lieben bedeutet nicht, sich auf Gefühle zu verlassen. Die Kitschindustrie hat das Herz als Symbol verhätschelt und ist zum Zeichen für oberflächliche Zuneigung geworden. An Valentinstagen feiert die Oberflächlichkeit Hochkonjunktur. Und in den Kurznachrichten werden Herz-Emoticons ziemlich schnell und leichtfertig versandt. Die Häufigkeit ist so groß, dass es sich abgenutzt hat und das Herz in die Bedeutungslosigkeit versinkt.

Doch das Herz ist eigentlich der symbolische Ort, wo das Zentrum der Person sitzt. Ein Mensch, der sich ein Herz fasst, überwindet sich. Großherzigkeit zielt nicht auf kitschige Empfindungen. Herzblut fließt nur in kostbare Anliegen. Mut erlangt man im Herzen. Courage, Mut, kommt von Coeur, Herz. Das Herz, von dem Jesus spricht, hat nichts mit Sweetheart zu tun. Wenn wir lieben, dann sollen wir uns ein Herz fassen, Herzblut verwenden, großherzig sein und Mut finden.

Mit der Seele lieben meint nicht, nach der Art der Psychologie zu leben. Liebe ist keine Diagnose des Psychologen. Die Psychologie untersucht die unbewussten Teile der Person. Jesus fordert nicht mit dem Unbewussten zu lieben. Es gibt daher auch kein Psychopharmakon, mit dem man lieben kann. Der berühmte Liebestrank kann es nicht geben. Er betört vielleicht und verführt. Er spricht die unbewussten Aspekte des Menschen an. Aber er verwirrt nicht die Seele, sondern nur die Sinne. Kein Trank kann die Seele berühren, denn die Seele ist reiner Geist. Keine Psychologie reicht dorthin.
Während das Herz der Ort der Person ist, so ist die Seele gewissermaßen der Haken, an dem das Herz aufgehängt ist, was dem Herzen das sichere Fundament, den Felsengrund gewährt, damit es schlagen kann. Von der Seele her hat alles im Menschen seine Lebendigkeit und somit seinen Ursprung und sein Ziel. Was nicht von der Seele kommt, bleibt letztlich irrelevant, und was nicht zur Seele führt, geht letztlich an uns vorbei ohne uns zu berühren.

Zwar lieben wir mit dem Herzen, aber es ist nicht unser Herz, das geliebt wird, sondern unsere Seele. In der Seele liegt das Geheimnis des Menschen verborgen. «Was lieben Sie an Ihrer Frau?», so liebt man nicht ihre Großherzigkeit, ihre Herzblut, ihre Courage, sondern ihre Seele. Herzen können sehr ähnlich aussehen und im gleichen Rhythmus schlagen. Doch die Seele ist einzigartig.
Wenn wir mit der Seele lieben sollen, so sollen wir auf einzigartige Weise lieben, wie es niemand sonst kann. Jeder Mensch hat etwas zu geben, was niemand sonst geben kann. Darin liegt seine größte Würde. Lieben mit der Seele bedeutet, dieses Unersetzbare geltend zu machen. Das reicht noch viel tiefer hinab als das Herz. Denn mag auch ein Herz zum anderen Herzen sprechen: Zwei Seelen reden tiefer miteinander.

Dann sollen wir mit Gedanken lieben. Die Gedanken sind der Sitz des Verstandes und der Vernunft. Eine Motte fliegt gedankenlos ins Feuer. So mancher Rennfahrer fliegt in einer Todeskurve gedankenlos aus dem Leben. Der Verstand hält die Liebe im Zaum. Er legt dem entflammten Herzen Zügel an. Liebe beginnt oft als Stichflamme. Aber nur wer das Feuer zu kontrollieren lernt, der wird auf Dauer lieben. Lernen findet mit dem Verstand statt. Darin liegt eine große Würde. Doch es ist noch mehr. Man soll mit Verstand lieben, weil der Geliebte schön ist. Je mehr man mit seinen Gedanken den anderen erkennt, desto mehr erkennt man seine Schönheit. Wer seinen Verstand ausschaltet, der kann die Schönheit des anderen nicht erkennen. Die Liebe kann dann nicht mehr wachsen, sondern nur noch abnehmen. Doch die Liebe will wissen, wer der andere ist. Sie begnügt sich nicht mit dem diffusen Gefühl. Sie will Klarheit.
Mit Verstand lieben bedeutet auch, die Träume fallen zu lassen. Gedanken sollen keine Luftschlösser sein. Oft presst man den Geliebten in eine Schablone. Man hat die Traumfrau oder den Traummann vor Augen. Doch der Verstand sieht, dass der Geliebte so nicht aussieht. Ein Traum ist seelenlos. Wer mit Gedanken liebt, der liebt den anderen, wie er wirklich ist und ohne Illusionen.

Schließlich kommt die Kraft hinzu. Die Liebe ist etwas zartes und eigentlich sollte Kraft eher stören. Doch Kraft meinte keine körperliche Stärke, sondern die Macht des Willens. Die Anstrengung soll sich auf den Geliebten richten. Wir müssen den anderen wirklich wollen. Wir müssen beständig den anderen mit unserem inneren Ja annehmen. Das darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Es muß in jeder Sache, die aus und mit Liebe getan wird, erkennbar werden.
Der Wille für den anderen ist das Schwierigste an der Liebe. Wir können uns gerne ein Herz fassen und unsere Seele ist auch irgendwie mit im Spiel, ja, die Vernunftliebe ist sowieso gern gesehen, aber wirklich den anderen wollen, das ist schwer. Denn wer den anderen will, der muß sich selbst nicht mehr wollen. Ein Soldat zieht nicht in den Krieg, wenn er seine Haut retten will. Er zieht in den Krieg, um die Haut seiner Lieben, Familie und Vaterland, zu retten. Dabei kann er sein eigenes Leben verlieren. Nur wer liebt und sich selbst dabei weniger will als den anderen, der kann Soldat sein. Der Liebende muß sein Ego überwinden. Die Welt dreht sich nicht mehr um ihn, sondern um die Geliebten. Willensstärke heißt: da sein für den anderen und nicht für sich selbst. Die Willenskraft kämpft mit sich selbst. Es braucht die höchste Anstrengung, sich selbst weniger zu lieben und den Geliebten mehr.

Gott fordert diese Liebe ein. Er tut dies ganz. Das ist auch eine harte Forderung: aus ganzem Herzen, ganzer Seele, mit allen Gedanken und ganzer Kraft. Nicht 2/3 Herz, ein bißchen Seele, jedem fünften Gedanken und halbem Willen. Alles. Vollkommene Liebe. Erst dann ist Liebe wirklich Liebe. Alles davor ist nur eine Halbherzigkeit.

Es fällt natürlich nicht leicht. Wir brauchen diese Belehrung Jesu dringen. Ohne sie wüßten wir nicht, was Liebe wirklich bedeutet. Man redet heute gerne von der Nächstenliebe und trägt sie wie eine Monstranz vor sich her. Jesus fordert uns dazu auf, den Nächsten zu lieben. Doch die Nächstenliebe ist fast immer halbherzig.

In Kamerun wütet teilweise immer noch Ebola. Nächstenliebe heißt für den Mitteleuropäer unserer säkularisierten Kultur: Wir schicken Ärzte eingepackt in Folie und mit Sagrotan bewaffnet in die Quarantänestationen und behandeln die Kranken mit der Kneifzange. – Nächstenliebe nach Jesu Art bedeutet: Wir legen die Folie ab und umarmen den Kranken, spüren sein Leid am eigenen Körper, auch auf die Gefahr, dass wir selbst krank werden und sterben. Das ist die heilige Liebe, die Liebe eines Franziskus von Assisi, eines Damian de Veuster, einer Mutter Teresa. Dazu braucht es einen göttlichen Willen, einen göttlichen Verstand, ein göttliches Herz und schließlich eine göttliche Seele: die Seele Christi.


Kategorie: Religion

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang