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Studentenverbindungen – alle rechtsaußen?

(explizit.net) Der AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) in Münster beschäftigt sich in dem Reader „disconnect“ mit Studentenverbindungen. Diese gelten dem AStA im Allgemeinen als rechtsaußen- bis radikal stehende Gemeinschaften. Doch stimmt diese Sicht, oder ist hier blinde Ideologie am Werk?

(explizit.net) Der AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) in Münster beschäftigt sich in dem Reader „disconnect“ mit Studentenverbindungen. Diese gelten dem AStA im Allgemeinen als rechtsaußen- bis radikal stehende Gemeinschaften. Doch stimmt diese Sicht, oder ist hier blinde Ideologie am Werk?

Burschenschaften und viele anders ausgerichtete Verbindungen

Zunächst einmal sollte dem Vorurteil begegnet werden, man könnte alle Studentenverbindungen gleichsetzen. Es gibt viele verschiedene Prägungen in einer und derselben Verbindung und sehr verschiedene Dachverbände mit ganz unterschiedlichen Ausrichtungen. Viele Burschenschaften, die als einzige die Beachtung der Medien gewinnen, sind in dem Dachverband DB (Deutsche Burschenschaft) zusammengefasst. Es gibt jedoch auch viele freie Burschenschaften, die keiner Dachorganisation angehören und nur ihrem eigenem Bund verpflichtet sind. Die Burschenschaften gehen zurück auf die Befreiungskriege gegen Napoleon im 19. Jahrhundert und setzen sich für liberale und nationale Interessen ein. Burschenschaften fechten und haben eine politische Ausrichtung. Darüber hinaus gibt es jedoch andere Verbände, in denen gefochten wird, u.a. den KSCV (Kösener Senioren-Convents-Verband), der viele Corps vertritt, die oft aus dem deutschen Idealismus kommen und den CC (Coburger Convent), der viele Landsmannschaften und Turnerschaften vertritt. Auf katholischer Seite gibt es die beiden großen Dachverbände CV (Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen), KV (Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine), in denen u.a. auch Papst em. Benedikt Mitglied ist, sowie die beiden kleineren UV (Verband der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine Unitas) und RKDB (Ring katholischer deutscher Burschenschaften).

Katholische Studentenverbindungen entstanden nach 1848

Seit der Vereinsfreiheit durch die Märzrevolution 1848 haben katholische Studenten vermehrt Vereine gegründet, die dann zu Verbindungen wurden. Der KV begann mit einem Leseverein in Berlin 1853. Der CV ging aus einem Korrespondenzverhältnis zweier Verbindungen im Jahr 1856 hervor. Über die inhaltliche Ausrichtung und das Recht Farben zu tragen, zerbrach die Einheit zwischen KV und CV, sodass der Würzburger Bund, der bis 1865 sowohl KV als auch CV in einem Verband repräsentierte, zerbrach. 1865 konstituierte sich dann der KV in Würzburg. Alle katholischen Verbindungen sind nichtschlagend, das heißt sie fechten nicht. Dies ist seitens der Kirche verboten und wurde bereits im Kirchenrecht, dem CIC von 1917, sogar unter Strafe der Exkommunikation gestellt. Einige Studentenverbindungen tragen Mützen und haben Bänder um die Schulter, andere haben zwar Farben, tragen diese jedoch nicht auf ihrer Kleidung. Katholische Verbindungen sind erst einmal konfessionell ausgerichtet. Es gibt das Bekenntnis zum katholischen Glauben und daraus verschiedene Verpflichtungen wie Messbesuche und zu gewissen Anlässen Chargeneinsätze [Veranstaltungen, bei denen Verbindungsuniform getragen wird] in der Kirche und auf Prozessionen. Die Religion ist für diese Verbindungen ein wichtiges Prinzip. Es gibt noch weitere Grundlagen.

Verbindungen sind auf dauerhafte Mitgliedschaft angelegt

Allen Verbindungen gemeinsam sind das Lebensbundprinzip, das Konventsprinzip sowie das akademische Prinzip. Die Mitglieder versprechen ihrem Bund also ein Leben lang Treue, Entscheidungen werden basisdemokratisch, im Konvent, getroffen. Darüber hinaus besteht eine Verbindung aus Studenten verschiedener Fakultäten. Sie fördert so den akademischen Austausch, z.B. zwischen Juristen, Biologen, Philosophen, Theologen, und Wirtschaftswissenschaftlern. Wie kommt es nun, dass alle studentischen Verbindungen unter der Rubrik „rechts“ subsummiert werden?

Die Achtundsechziger verfemten die Verbindungen

Die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung galt lange Zeit als ganz normal für Studenten. Verbindungen haben eine lange Geschichte, die bis in die „Nationes“ an den Universitäten im Mittelalter zurückreichen. Die weitgehend anerkennende Sichtweise über Studentenverbindungen änderte sich jedoch mit dem Auftreten der 68er. Tradition geriet nun unter Generalverdacht. Studentenverbindungen galten als Vertreter einer überkommenen Zeit, die wegen ihrer traditionellen Ausrichtung mit zur sog. Machtergreifung Hitlers 1933 beigetragen hätten. Nun war das Verbindungs-Studententum für viele nicht mehr tragbar. Man wollte eine neue Zeit und einen neuen Menschen, der Tradition abschüttelte und stattdessen neuen Heilsideologien seine Zukunft anvertraut.

Verbindungen sind keine politischen Zusammenschlüsse

 

Wenn auch in kleinerer Größe, so haben die meisten Verbindungen ihr weitgehendes Verbot durch die Nazis überstanden und die 68er überlebt. Dies liegt vor allem an einem Grundsatz, für den Verbindungen einstehen: Gemeinschaft. Es handelt sich hierbei nicht um Laissez-faire, sondern um Bundesbrüderlichkeit, wie es in Verbindungskreisen heißt. Wer hier die Frauen benachteiligt sieht, sei darüber informiert, dass es auch gemischte Verbindungen und Damenverbindungen gibt, also Bundesschwestern in einigen Verbindungen ebenfalls vorhanden sind. Das Wesen einer Verbindung ändert sich jedoch, sobald sie nicht nur aus Männern oder Damen besteht. Es handelt sich also bei der Entscheidung, wen man aufnimmt, vor allem um die Frage, welche Art von Vereinsleben man haben möchte und nicht um eine Benachteiligung von Männern oder Frauen. Neben der angeblichen Benachteiligung nun wieder zu dem Vorwurf, dass sich in Verbindungen vor allem politische Gedanken fänden, die rechtsaußen zu verorten seien. Dies ist schon deswegen ein unpassender Vorwurf, da es viel zu viele Verbindungen gibt, die überhaupt keine politische Ausrichtung haben, sondern sich konfessionell oder traditionell verstehen. Es spielt also für die Mitgliedschaft keine Rolle, von wo man herkommt, welcher demokratischen Partei man nahesteht und welche Staatsangehörigkeit man hat. Die weitgehende Mehrheit der Verbindungen bekennt sich vollends zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bunderepublik. Nicht wenige Verbindungsstudenten haben daher auch am Grundgesetz mitgewirkt. Außerdem sind viele der sog. rechten Verbindungen weit davon entfernt, extreme Tendenzen zu entwickeln. Sie vertreten eher konservative Positionen, die heute schnell bereits als rechtsradikal gelten, obwohl nichts dergleichen vertreten wird. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, doch lokalisieren sich nur sehr wenige Verbindungen in einem extremen politischen Lager. Weiterhin begegnet einem immer wieder das Gerücht des massiven Biertrinkens. Dazu sei zuallererst gesagt, dass häufiges Biertrinken allgemein unter Studenten üblich ist, also nicht explizit mit Verbindungen zu tun hat. Geselligkeit und Bier können sich gut ergänzen, ob nun bei der Verbindung oder auf irgendeiner Party.

Persönlichkeitsentwicklung

Verbindungen bauen auf Prinzipien, die den Charakter ausbilden sollen. Sie wollen durch ihre Grundsätze verantwortungsbewusste und mündige Menschen für die Gesellschaft heranbilden, die sich nicht scheuen, für das einzustehen, was ihnen wichtig ist. Dies haben nicht zuletzt die Verbindungstudenten Konrad Adenauer (KV), Clemens August Kardinal von Galen (Ehrenmitglied im CV) oder Dietrich Bonhoeffer (A.V. Igel, verbandsfrei) unter Beweis gestellt.

<emphasize>Josef Jung</emphasize>



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