Montreux, Palace-Hôtel (Wikimedia Commons)

Streit um Syrienkrieg in Montreux, Genf und Davos

(explizit.net) Erst wollten Syrer nicht zu den UN-Friedensgesprächen im Schweizer Montreux und in Genf anreisen. Dennoch, in „Genf II“ wiesen sie es ab, miteinander zu reden oder einen Raum zu teilen. Dann trafen sie Sonntag dort endlich unter dem Vermittler der Vereinten Nationen und der Araberliga, Lakhdar Brahimi zusammen, um Humanitäres zu erörtern. Erstes Resultat: Al-Asads Regime lässt am Montag Frauen und Kinder aus der belagerten Altstadt von Hums ziehen. Zwar misslang ein Gefangenentausch, und Rebellen forderten Garantien, dass kein Abziehender aus der westsyrischen Stadt verhaftet werde. Doch war Brahimi froh, dass nun „gegenseitiger Respekt“ in die fortlaufenden Gespräche einziehe.

(explizit.net) Erst wollten Syrer nicht zu den UN-Friedensgesprächen im Schweizer Montreux und in Genf anreisen. Dennoch, in „Genf II“ wiesen sie es ab, miteinander zu reden oder einen Raum zu teilen. Dann trafen sie Sonntag dort endlich unter dem Vermittler der Vereinten Nationen und der Araberliga, Lakhdar Brahimi zusammen, um Humanitäres zu erörtern. Erstes Resultat: Al-Asads Regime lässt am Montag Frauen und Kinder aus der belagerten Altstadt von Hums ziehen. Zwar misslang ein Gefangenentausch, und Rebellen forderten Garantien, dass kein Abziehender aus der westsyrischen Stadt verhaftet werde. Doch war Brahimi froh, dass nun „gegenseitiger Respekt“ in die fortlaufenden Gespräche einziehe.

Diese Konferenz zwischen dem Palasthotel in Montreux am Genfer See, Genf und, nur kurzweilig auf dem Seitenschauplatz Davos, wird zum enormen Kraftakt auf allen Seiten. Auf dem Weg dahin gerieten US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergei W. Lawrow aneinander. Plötzlich sinnierte der Amerikaner, doch ebenso Iran zur Genfer Tagung mit einzuladen. Dagegen liefen nicht nur syrische Oppositionelle Sturm, sondern auch benachbarte Länder wie Saudi-Arabien. Kurz vor dem Treffen verkündete Lawrow, natürlich nehme Teheran teil. Rasch wurde es ausgeladen. Alle wissen, dass es lokal Bashshar al-Asads Hauptlieferer mit Waffen, Beratern und Hizballahkämpfern ist.

Bildermacht

Was aber viele zudem elektrisierte, bewirkten auch Fotos über Kriegsverbrechen, die zur Konferenz eintrafen. Freilich betonten UN-Experten, solche Übeltaten auf beiden Seiten dokumentiert zu haben, was dem Internationalen Gerichtshof zugeleitet werden würde. Navi Pillay, Hochkommissarin der UN für Menschenrechte, unterstrich zur Jahreswende noch Beweise gegen al-Asads Regime. Laut der US-Expertin Karen Koning Abu Zaid am Freitag, habe man Listen seiner darin verwickelten höheren Beamten. Auch ausländische Kämpfer hegten ihre Agenda. Sie bildeten zuweilen Schariagerichte, die Pauschalurteile fällten und diese sofort vollzogen, darunter Erschießungen. Ein Fotograf, angeblich von der syrischen Militärpolizei, fing Folter und Töten von über 11.000 Gefangenen auf Fotos ein. Zwar seien diese vor Gericht noch nicht erlaubt. Doch werde das UN-Team ermitteln – insgesamt 55.000 Bilder – und Familien befragen. Dies sei jedoch nur eine Quelle; und man lasse daher Vorsicht walten. Am 20. Februar folgt der Bericht dieser UN-Ermittler.

Man kann nur hoffen, dass die Beteiligten Schritt für Schritt Regelungen für brennende Fragen finden. Denn der Krieg geht weiter. Aber die humanitären Lösungen, so auch ein Konvoi mit Hilfsgütern nach Hums, sind kleine, indes effektive Schritte. Die Grundfrage ist die, eine Übergangsregierung zu bilden und al-Asad die Macht abzunehmen. Und das wird Delegierte im Verlauf dieser Woche und vielleicht in neuen Runden herausfordern. Bekanntlich spekuliert al-Asad darauf, Präsident zu bleiben und sich möglichen Wahlen zu stellen. Nicht alle hassen ihn. Iran, die Hizballah und sicherlich noch der Kreml hätten nichts dagegen. Allerdings kamen aus Moskau widersprüchliche Signale. Zum einen tut man dort viel zugunsten al-Asads. Zum anderen heißt es, oft hinter vorgehaltener Hand, doch nicht an ihm kleben zu wollen. Natürlich, so der syrische Oppositionschef Ahmad Jarba in Genf am Freitag, sei die Zukunft seines Landes nur ohne al-Asads Clan denkbar. Der wäre jetzt Vergangenheit, was selbst Moskau, dessen Hauptstütze, signalisert habe.

Davos

Dabei hat Jarba gleichwohl John Kerry hinter sich: Al-Asad habe doch Kriegsverbrechen begangen, behaupte aber irgendwie noch Legitimität, das Land zu regieren. Offizielle, so der Außenminister Mittwoch weiter gegenüber Al-Arabiyya TV, die nicht Blut an ihren Händen haben, könnten in einer Interimsregierung ihren Platz finden. In diesem Licht, so mein Kurzfazit, steht ein wackliger Balanceakt an. Beteiligte könnten ihn auch abbrechen oder maßlos verlängern. Viel hängt dort am Geschick der Vermittler und am Einfluss von Kräften, die nicht direkt teilnehmen, wie der Weltwirtschaftsgipfel in Davos erhellt hat.

Einladend gab sich Präsident Hasan Ruhani vor jenem Davosforum Donnerstag. Motto: konstruktives Engagement (was nicht wenige an die „friedliche Koexistenz“ jener Seiten erinnert hat, die ihre Regimes im Kalten Krieg retten wollten). Sein Land habe nicht die Absicht, Nuklearwaffen zu erhalten. Was er auch erklärte, da knirscht Sand im Getriebe.

Noch ist offen, was genau Teheran und fünf Vetomächte nebst Deutschland vereinbarten. Angeblich gibt es zum Abkommen einen Geheimzusatz mit 30 Seiten. Schon jetzt weitet sich die Kluft um die Interpretationen. Präsident Muhammad Khatami meinte im CNN-Interview mit Moderator Farid Zakariya, Iran würde nicht bejahen, auch nur eine einzige Zentrifuge abzubauen. Außenminister M. Javad Zarif erklärte, gar nicht zugestimmt zu haben, das Atomprogramm abzubauen. Man pausiere in der Urananreicherung über fünf Prozent. Aber es würden keinerlei Strukturen beseitigt werden. In die Kerbe schlug auch Israels Premier Benjamin Netanjahu in Davos am Donnerstag: nichts, was Ruhani hier darüber erklärt habe, wäre durch echte Änderungen in der iranischen Politik untermauert. Was, mag sich der Leser fragen, wenn sich Iran und die sechs Mächte in diesem Halbjahr entzweien werden, vielleicht zum Ausgang dieses syrischen Bürgerkriegs, und was, wenn die Ausbruchszeit im Bombenbau Teheran erlaubte, einige Seiten zu Syrien zu erpressen?

Vorboten

Händeringend bat Jordaniens König Abdullah die Welt in Davos, dem Flüchtlingsströme aus Syrien zukommen, ihre Bemühungen für ein Kriegsende zu verstärken. Ein reeller und inklusiver Übergangsplan sei nötig. Alles darunter lade nur zu einer Fragmentierung, Machtergreifung durch Extremisten und Instabilität ein. Er werde, so der Monarch nach Parlamentswahlen von Mittwoch, dem 23. in Amman, auch Muslimbrüder einladen, die das Votum boykottierten. Wie kann er sie in den prodemokratischen Prozess einbinden?

Gleichwohl nicht am syrischen Gesprächstisch blieb die islamistische Opposition. Ihre Truppen führen nicht nur gegen al-Asad, sondern untereinander Krieg. Der syrische al-Qaidazweig an-Nusrafron geht die Jihadisten des „Islamstaats in Irak und Syrien“ unter Abu Bakr al-Baghdadi an. So gab es laut Londoner Beobachtern seit Jahresbeginn etwa 1.400 Tote. Al-Qaidachef Aiman az-Zawahiri rief in YouTube am 22. auf, den Kampf unter den Brüdern im Jihad zu beenden. Im Audio orientierte er, al-Asad zu schlagen. Seit dem Ende des Kalten Kriegs haben sich Kräfte, die sich in Staaten gegen Antagonisten in anderen Lagern wandten, stark etabliert. Fronten verlaufen seither massiv innerhalb aller Länder. Wenn John Kerry in Davos gegen den Mythos auftrat, sein Land ziehe sich aus Mittelost heraus, so verkennt er einen tiefen Wandel Amerikas: neue Kräfte, Schulden und Krisen. Dem Aktivismus zum Trotze, zeigen das nicht drei Jahre Syrienkrieg und Irans Atompakt?

<emphasize>Wolfang G. Schwanitz</emphasize>

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