Schwarzer Block Foto: explizit.net

Starker Staat mit schwachen Lösungen

Spätestens seit Chemnitz spricht jedes politische Lager von einem „starken Staat“. Sie hören kein Interview, in dem nicht diese zwei herbeigesehnten Worte fallen. Dabei ist ein starker Staat eine schwache Lösung.

Der Staat versucht auf die Krawalle in Chemnitz zu reagieren, in dem er wie Popeye anfängt seine Muskeln aufzublasen. Dafür isst er eine extra große Portion Spinat: Polizei-Verstärkungen kommen aus Bayern oder Baden-Württemberg, um den gewalttätigen „Demonstranten“ einen starken Staat entgegen zu stellen. Mit einem Wasserwerfer gewinnt man vielleicht gegen eine Horde Glatzköpfe mit Baseballschlägern, aber mehr auch nicht.

Sie sind Vater oder Mutter eines aufmüpfigen Lausbubs. Und schon wieder stellt der Rotzlöffel was an. Sie verordnen ihm Hausarrest, streichen ihm das Taschengeld und blasen ihm den Marsch, so dass alle Nachbarn mithören können. Der aufmüpfige Lausbub fühlt sich von ihrer rigorosen Autorität herausgefordert, ist der Hausarrest aufgehoben, geht er raus und setzt noch einen drauf. Sie sind jetzt für ihn ein noch größeres Feindbild als vorher: ein ignoranter Besserwisser.

Keinesfalls wollen wir Hooligans, die Spaß an Gewalt haben, für die eine Schlägerei ein festliches Ritual wie der sonntägliche Kirchgang ist, mit einem Lausbub vergleichen. Wer gewalttätig ist, muss zum Schutz der friedlichen Bevölkerung sanktioniert werden. Dennoch: Viel Polizei kann Gefahren abwehren, aber sie kann keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt bewirken.

Wer in einer Diktatur aufgewachsen ist, schlüpft am nächsten Tag nicht als weltoffener Demokrat aus dem Ei. Wirtschaftliche Gleichstellung von Ost und West ist wichtig, nur alleine fördert sie keine soziale Integration. Kein Mensch lässt sich in ein soziales Netz fallen, was nur als Sozialhilfe auf dem Bankkonto erscheint. Soziale Integration ist mühsam, braucht Zeit und kostet, ohne dass sie wirtschaftlichen Ertrag bringt.

Aber dem Lausbub, die Ohren lang zu ziehen, reicht nicht. Wir brauchen mehr Nannys, meint soziale Anlaufstellen, und zwar in Ost und West. Sie können soziale Teilhabe bewirken, bevor die Fäuste sprechen. Das wäre dann ein starker Staat.



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