Foto: Laura. C. Müller

Spaziergang über den Weihnachtsmarkt

Wenn ich mich im Dezember durch Freiburg bewege und mich der Weihnachtsmarkt auf meinen Alltagswegen blockiert, frage ich mich, was die Menschen an Weihnachtsmärkten so fasziniert. Oft ist es nasskalt und irgendwie ist es überall das Gleiche. Aber dennoch entstehen an immer mehr Orten Weihnachtsmärkte, die dann von noch mehr Menschen besucht werden. Mit einem ganz bewussten Spaziergang über den Weihnachtsmarkt möchte ich mich auf die Suche nach Antworten begeben.

 

 

 

Bevor ich losziehe, warte ich bis es dunkel wird. Richtig lohnt es sich erst, wenn man die Lichtdekoration auch sieht. Außerdem sind dann nicht mehr so viele französische Schulklassen unterwegs. Diese kommen in der Adventszeit in Massen nach Freiburg, um über den Weihnachtsmarkt zu schlendern. Scheinbar eine typisch deutsche Attraktion, wie Oktoberfest oder so?

Die Märkte entstehen mit dem Spielzeugangebot

Während ich auf den ein Einbruch der Dunkelheit warte, ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte der Weihnachtsmärkte. Eine gewisse Tendenz zur Kommerzialisierung entdecke ich bereits in den Anfängen. Logisch, es handelt sich um ein Marktgeschehen. Interessant finde ich, dass die Entstehung der Weihnachtsmärkte im 17. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Spielwarenindustrie zusammenfällt. Hinzu kommt, dass vor Weihnachten dem Gesindel der Lohn ausgezahlt wurde, sodass es sich zu dieser Zeit des Jahres etwas leisten konnte. Als es im Biedermeier Mode wird, dass Kinder zu Weihnachten einen Wunschzettel schreiben, verwandeln sich die Weihnachtsmärkte zu regelrechten Spielzeugmessen. Obwohl die Weihnachtsbesorgungen ab Ende des 19. Jahrhunderts in den großen Kaufhäusern erledigt werden, halten sich die Weihnachtsmärkte mit ihrer ganz besonderen Atmosphäre.

Vertraute Umgebung

Heute werden wahrscheinlich immer mehr Geschenke online gekauft. Dennoch erwarte ich drei Tage vor Ladenschluss auf dem Weihnachtsmarkt und in den umliegenden Geschäften großes Chaos. Wenn der 4. Advent kurz vor Weihnachten liegt oder mit dem 24. zusammenfällt, wird die Zeit, Geschenke zu besorgen, besonders knapp. Der Hinweg zum Markt verläuft erstaunlicher Weise reibungslos. Auf dem Weihnachtsmarkt angekommen begegnet mir das, was ich auch von anderswo kenne. Viele Menschen, Stände in denen Kerzen, Schmuck und Töpferware verkauft werden und natürlich Glühwein- und Fressbuden. Zu den üblichen Angeboten wie Crêpes und Bratwürsten kommen hier im Badischen noch Spezialitäten wie Schupfnudeln mit Sauerkraut oder Kartoffelpuffer. Trotz der Sauerkrautnote überwiegt der vertraute Weihnachtsmarktduft nach gebrannten Mandeln und Glühwein.

Kindheitserinnerungen werden wach

Im Getümmel zwischen den Buden muss ich aufpassen, dass ich nicht über eines der Kinder stolpere. Die im Gewusel mit ihren Familien unterwegs sind und mir am Bein irgendwo zwischen Knie und Hüfte reichen. Als neben mir auf einmal ein Mädchen mit einem Bausch Zuckerwatte auftaucht, befürchte ich, dass mir der Süßkram gleich an der Hose kleben könnte. Aus meiner Weihnachtsmarkt-Vergangenheit weiß ich, dass Zuckerwatte fatale Folgen haben kann: Ich war ungefähr fünf Jahre alt und hatte meine Mutter solange genervt, bis ich die erste und letzte Zuckerwatte meines Lebens bekommen habe. Als am Ende mein ganzes Gesicht klebte, war ich überzeugt, dass meine Mutter vielleicht Recht hatte und Zuckerwatte wirklich nicht so toll ist.

Beim Weitergehen wird mir klar, gerade wegen solcher Erinnerungen kommen Menschen auf die Weihnachtsmärkte. Es sind Kindheitserinnerungen, die Karussellpferde oder Lebkuchenherzen in uns wecken. Vielleicht auch nur unbewusste Erinnerungen an eine Zeit, in der es noch ewig dauerte, bis endlich alle 24 Türchen des Adventskalenders geöffnet waren. In der man gar nicht abwarten konnte, bis es endlich Heiligabend war. Erwachsen wird man, gefühlt, mit jedem Jahr unvorbereiteter in die Feiertage hineingeworfen. Aber dieses Wissen, dass Weihnachten etwas ganz besonderes ist, bleibt im Unterbewusstsein präsent. Manchmal wünsche ich mir das Staunen aus der Kindheit zurück.

Vorbei bevor es eigentlich losgeht

Nicht nur Aktivitäten wie Weihnachtsmarktbesuche, sondern auch Weihnachtsfeiern in Vereinen und Betrieben prägen den Advent, sodass dieser zur Vorweihnachtszeit mit starkem Eventcharakter wird. Oft habe ich das Gefühl, dass sich allgemeine Erleichterung einstellt, wenn einen Tag vor Heiligabend die Weihnachtsmärkte abgebaut werden. Eigentlich komisch - die Events sind vorbei, bevor es nach dem Festkalender überhaupt losgeht. Die Stimmung macht sich breit, dass die Feierlaune an Heiligabend endet. Die Weihnachtsfeiertage bilden ein langersehntes Ende oder werden als Anhängsel zur Regeneration wahrgenommen.

Eine Sehnsucht, die bleibt

Trotz der Events bleibt eine Sehnsucht unerfüllt. Deutlich wird dies, wenn Weihnachten als Fest der Liebe, des Friedens und der Familie umschrieben wird. Die Sehnsucht, in einer heilen Welt zu leben - wenigstens die Feiertage über. Doch die patrouillierenden Polizisten auf dem Weihnachtsmarkt zeigen: wir leben in keiner heilen Welt. Auch die Erfahrungen aus unseren Familien machen deutlich: zu hohe Erwartungen verurteilen die Feierlichkeiten zum Scheitern. Das perfekte Fest gibt es nicht. Irgendetwas geht immer schief. Doch gerade die Botschaft von Weihnachten kann hier entlasten. Die heile Welt können und müssen wir nicht selbst machen. Es ist Gott, der an Weihnachten auf die Menschen zukommt und in einem kleinen Kind selbst Mensch wird, um diese Welt heil werden zu lassen. Als dann vom Weihnachtsmarkt um die Ecke biege und die große Krippe entdecke, blicke ich auf das Jesuskind und sage leise: An Heiligabend sehen wir uns an andere Stelle wieder, ich freue mich auf dich.

Jutta Mügge will den Advent zurück



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