Abendmahl, St. Lorenz, Nürnberg, F: explizit.net

Schwere Kost: Jesus über die Eucharistie

Am Höhepunkt der Brotrede Jesu steht das härteste Wort des Neuen Testamentes: «Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.» Kein Wunder, dass die Juden sich empören. Wie kann er so etwas behaupten? Sie scheiterten damals an dieser Forderung Jesu. Und daran hat sich nichts geändert.

Dieses Wort Jesu hat im 15. Jahrhundert große Karriere gemacht. Er hat die Christenheit gespalten. Von nun an gab es zwei Konfessionen im christlichen Westen: Die einen, die sagten, dass das Wort Jesu wörtlich zu verstehen ist, und die anderen, die sagten, dass das Wort Jesu nur symbolisch zu verstehen ist: Katholiken und Reformierte. Und wie groß ist der Streit heutzutage! Erst kürzlich wurde wieder über das gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Protestanten gesprochen. Evangelische Ehepartner sollten mit ihrer katholischen Hälfte gemeinsam zum Altar gehen und die Eucharistie empfangen. Ist es wahrlich Jesu Fleisch und Blut? Oder ist es nur ein Symbol, ein Bild?

Viele Exegeten sehen die Brisanz hinter dieser Frage und versuchen, die Schärfe aus diesem Text herauszunehmen. Man sucht nach einer verträglichen Auslegung für beide. Man will Wogen glätten. Sicher ein ehrenwertes Anliegen! Es gibt dabei nur ein Problem: Der Text ist scharf. Er ist wie ein Schwert, was durch Mark und Bein geht. Es ist nicht die von Paulus abgetane Milch, sondern die feste Speise, die Unerfahrene nicht ertragen können. Das «ertragen können» ist das Entscheidende. Denn der Evangelist Johannes gibt es genau wieder: Die Juden können es nicht ertragen. Was Jesus sagt, ist in ihren Augen ein Skandal. Und genau so geht es auch jedem Leser dieser Stelle. Was Jesus sagt, ist wirklich ein Skandal.

Nun gibt es drei Möglichkeiten, sich dazu zu verhalten: Ablehnung, Annahme oder Wegdiskutieren. Die Juden lehnten Jesus daraufhin ab. Und mit ihnen tuen es auch alle, die Jesus bloß für einen antiken Weisheitslehrer halten. Er hat viel Gutes gesagt, aber dieser Schritt geht zu weit. Wer Jesus bis dahin gefolgt ist, der steigt nun aus. Das Wort ist zu hart. Am Ende der Brotrede gehen die meisten Menschen davon. Und so ist es auch heute, wenn Menschen von der Eucharistie hören.
Der zweite Weg, der orthodoxe und katholische, heißt Annehmen. Es ist das Gegenmodell zu den Juden. Der Skandal wird hingenommen. Wie ist das zu verstehen? Vielleicht wissen es die Jünger auch noch nicht. Aber: Sie bleiben. Sie vertrauen Jesus. Sie bleiben in der Nachfolge. Das Wort ist hart, aber dennoch wahr. Den Jüngern heute geht es auch so wie den Jüngern damals. Es ist wirklich hart. Aber sie bleiben. Und es sind wenige, die bleiben. Waren es bei der Speisung der 5000 viele, so sind es nun wenige. Die Kirche ist klein.
Schließlich bleibt die Deutung übrig, der heute wohl die meisten folgen. Jesus hat das gar nicht so gemeint. Es wäre mehr eine rhetorische Frage und daher nicht wörtlich, sondern symbolisch zu verstehen. Aber was sagt das aus? Einerseits übernimmt man die Haltung der Juden: Das Wort ist zu hart. Wir wollen es ein bisschen verdünnen, aufweichen und damit essbar, verträglich machen. Andererseits will man am Wort Jesu festhalten und ihm vertrauen. Man gibt es nicht auf, sondern irgendeine Bedeutung soll bleiben. Man versucht beide Positionen nachzuvollziehen und am Ende wird man keiner gerecht, weil man den Skandal, das Problem weggeredet hat. Es bleibt ja nichts mehr übrig, was Ärgernis erregen könnte.

Die nicht-reale Deutung zerlegt sich selbst. Wenn das Fleisch und das Blut nicht wörtlich gemeint sind, warum sollte dann der Himmel und die Ewigkeit und das Leben nicht auch nur gleichsam symbolisch zu verstehen sein? Es gibt gar keinen Grund mehr, das anzunehmen. Jesus wird so insgesamt harm- und zahnlos. Ein bloß symbolischer Glaube ist gar kein Glaube. Niemand will das symbolische Fleisch essen, um dann symbolisch auferweckt zu werden am symbolisch Letzten Tag und das symbolische Ewige Leben im symbolischen Himmel beim symbolischen Vater haben. In diesem Sinne von Symbol als nicht-real ist der Text, der am Sonntag zu hören ist, nicht gemeint.

Es bleiben also nur die Haltungen Ablehnung oder Annehmen: Skandal im Tempelbezirk. Vor dieser Situation standen die Menschen damals und so stehen die Menschen heute noch vor der Brotrede. Das ist die feine Ironie des Evangelisten. Jeder, für den das Wort Jesu zu hart ist, lehnt den Skandal ab und steht damit ipso facto auf der Seite der Juden. Der Leser muss keine eigene Stellung zu dem Text entwickeln. Er findet sie schon vor. Entweder bin ich auf Seiten der Juden oder auf Seiten der Jünger und damit Jesu.

Viele tuen sich mit der Rede so schwer, dass sie den Skandal kleinreden. Warum schaffen immer noch Anhänger Jesu, dieses harte Wort zu ertragen?
Jesus sagt es: «so wird jeder durch mich leben». Das ist das Wesen der Liebe. Durch den anderen leben. Wer liebt, lebt durch den Geliebten. Der Geliebte ist wichtiger als man selbst. Wer wahrhaftig liebt, nimmt nicht den Geliebten so an, wie er sich ihn vorstellt oder gerne hätte, sondern so wie er ist. Doch das reicht Jesus noch lange nicht. Der Liebende lebt nicht mehr für sich, sondern er lebt für den Geliebten. Er lebt vom Geliebten her, er lebt durch den Geliebten. Er selbst lebt nicht mehr aus sich heraus. Er versteht sich vom Geliebten her. Das ist das Wesen der Liebe: vom Geliebten her leben. Der Geliebte ist der Grund der eigenen Existenz. Er ist die Nahrung, die mich selbst am Leben erhält. Ohne wäre mir der Geliebte nicht Nahrung – nichts könnte mich sättigen, nichts könnte mir gefallen, alles wäre schal und fad geworden. Ein Leben ohne den Geliebten macht nicht mehr satt.

Der Jünger nach der Brotrede ergreift diese Liebe. Er weiß: Damit ich durch den Geliebten lebe, muss ich Liebender sterben. Ich muss mir selbst sterben. Oder wie Johannes d. Täufer sagt: «Ich muss abnehmen, Christus in mir zunehmen.» Er versteht sich nicht mehr von sich selbst her, sondern von Christus her. Alles, was er hat, hat er nicht mehr aus sich, sondern von Christus erhalten. Und was gibt ihm Christus? Den, den er liebt: den Vater. Wer durch Christus lebt, der lebt durch den Vater.
Das ist der Skandal, den Christus offenbart hat. Es ist das Kreuz. Es bedeutet: Wer liebt, der stirbt sich selbst, um vom anderen her zu leben. Warum musste Christus am Kreuz sterben? – Um durch das Sterben die Welt ganz zu lieben und von der Welt her zu leben. Er ist nicht um seinetwillen gestorben, sondern um unseretwillen, damit wir ihn wirklich lieben können; damit er sich von uns her verstehen kann. Und diesen Sachverhalt nennen wir für gewöhnlich «Eucharistie»: von Christus verdanktes Dasein.

Das Evangelium, die Brotrede, findet sich bei den Lesungen des 20. Sonntags im Jahreskreis



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