(explizit.net)Im dritten Teil unserer Interview-Reihe beschreibt der Hamburger Theologiestudent Dag Heinrichowski, warum das Bonifatiuswerk auf Praktikanten und Pilgerwege im Norden setzt und warum das die Ökumene fördert. Und er schlägt vor, dass die deutschen Katholiken sich etwas von der schwedischen Freude am Glauben abschauen sollten.
explizit.net: Was tut das Bonifatiuswerk in Uppsala und welche Deiner Tätigkeiten haben damit zu tun?
Dag Heinrichowski: Einerseits hat das Bonifatiuswerk hier beim Aufbau geholfen – so ähnlich ist das auch in Hamburg üblich, wenn zum Beispiel ein Gemeindehaus gebaut werden soll. Das Bonifatiuswerk unterstützt solche Projekte dann finanziell. Hier in Uppsala hat das Bonifatiuswerk außerdem eine Projektstelle finanziert, und wohl auch initiiert. Seit drei Jahren betreut eine Theologin aus der Schweiz, Sibylle Hardegger, das Volontariat, also das Praktikum, das neben mir momentan noch vier andere junge Erwachsene absolvieren. Junge Deutsche bekommen die Möglichkeit, Kirche und Diaspora kennenzulernen; nicht nur in Schweden, sondern auch in Norwegen, Finnland bis hin zu Island und Grönland. Das Bonifatiuswerk stellt die Unterkunft für die Praktikanten. Diese arbeiten in kirchlichen Projekten mit, die vom Bonifatiuswerk unterstützt werden. Währenddessen lernen die Praktikanten das Land, die Leute und die Kirche kennen. Am Newman-Institut sind zurzeit fünf Praktikanten, wobei drei von ihnen nebenbei studieren.
Praktikum sogar in Grönland
Ich arbeite in einem größeren Projekt, einem Second-Hand-Shop. Außerdem helfe ich in der Caféteria des Newman-Instituts mit. Andere arbeiten etwa in einer Vorschule, in der Gemeinde oder in der Bibliothek des Instituts. In Vadstena (am Vätternsee) kann man außerdem im Birgitten-Kloster bei den Schwestern mit leben und sie in der Gästebetreuung unterstützen. Ansonsten helfen wir auch sonst mit, wo Hilfe gebraucht wird. Dadurch kommen wir gut in Kontakt mit Land und Leuten. Die Präsenz der Praktikanten im Second-Hand-Shop gewährleistet, dass an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten verlässlich jemand mitarbeitet. Darauf kann das Newman-Institut aufbauen. Momentan ist die Praktikumsbetreuerin im Gespräch mit dem Pfarrer von Grönland, weil sich eine angehende Praktikantin dafür interessiert; eine Pfarrei in Grönland mit etwa 60 Gemeindemitgliedern, das ist einmalig!
Pilgerwege im Norden wieder bekannt machen
Ein zweites Projekt will die Pilgerwege im Norden wieder in Europa bekannt machen. Dazu hat Sibylle Hardegger ein Buch geschrieben: „Weiter Himmel - stille Wege: Pilgerwege zu den heiligen Stätten des Nordens“. Verschiedene Pilgerwege in den nordischen Ländern sind darin beschrieben: wie man hinkommt, was es zu sehen gibt und die Spuren welcher Heiliger man dort finden kann; von denen gibt es hier nämlich mehr als man denkt. Pilgergruppen werden jetzt auch innerhalb dieses Projekts betreut. Auch im Norden kann man Pilgern, nicht bloß auf dem Jakobsweg und nach Rom. Das soll bekannt gemacht werden. Das Projekt soll noch bis 2015 laufen. Die Pilger werden vom Newman-Institut über die Situation in Schweden informiert. Wir Praktikanten können uns gelegentlich auch einer Pilgergruppe anschließen und haben so die Möglichkeit, das Land noch besser kennenzulernen. Auch dem Newman-Institut hilft dieses Projekt also, um bekannter zu werden und mittels der Studenten, die hier ein Praktikum machen, können Kontakte geknüpft werden zu anderen Universitäten.
In Hamburg gibt es an der evangelisch-lutherischen Hauptkirche St. Jacobi den „Pilgerpastor“, Bernd Lohse. Er gilt als Ansprechpartner für Pilger aus Norddeutschland und aus Skandinavien…
…Ja, das muss man auch sagen: Die Pilgerwege werden in Schweden gerade auch von der Schwedischen Kirche ganz gut aufrechterhalten. Das Pilgern ist ein Punkt, an dem tatsächlich in Schweden Ökumene geschieht. Die Schwedische Kirche ist relativ „harmlos“, wenn man so sagen darf, reformiert worden. Daher gibt es hier nicht so sehr die Abneigung gegen Heilige, wie man sie sonst vielleicht in manchen evangelischen Kirchen vermutet oder antrifft. Im Dom von Uppsala steht nach wie vor der Schrein des Heiligen Erik (Erik IX., 1156 bis 1160 König von Schweden, Schutzheiliger Schwedens; Anm. d. Red.), es gibt einen Pilgerweg vom Dom aus zu dem Platz, wo der alte Dom stand. Jahrelang bestand die Tradition, die Gebeine an seinem Gedenktag dorthin zu tragen. Auf dem Pilgerweg hat die Schwedische Kirche einen Meditationsplatz eingerichtet, an dem große Steine als „Perlen des Glaubens“ stehen. Also die Schwedische Kirche versucht schon, diesen „Pilger-Boom“ mit aufzunehmen.
Was können die Christen in Deutschland von der Schwedischen Kirche oder Diaspora-Situation in Schweden lernen?
Wir können lernen, froh zu sein darüber, was man hat und weniger zu meckern darüber, was man nicht hat; sich mit der Situation einzurichten. Jede pastorale Umstrukturierung in Deutschland ist eigentlich nichts im Vergleich zu der Situation der Gemeinden hier. Und hier funktioniert es auch, dass sich Leute treffen, auch wenn der Pfarrer nicht dabei ist; hier kommt man zum Gottesdienst und bleibt danach noch zusammen. Das können wir in vielen Gemeinden und das kann ich hier auch lernen: nicht diese „Service-Mentalität“ nach dem Motto: „Ich habe gewisse Ansprüche, die von der Kirche erfüllt werden sollen“ - sondern: ich gehe oder fahre zur Kirche, weil ich dazugehöre und weil mir das wichtig ist und ich schaue auch, was ich einbringen kann. Ich habe hier noch niemanden meckern gehört darüber, dass es eben so ist wie es ist. Wir können lernen, froh zu sein, dass wir den Glauben haben. Das merke ich hier bei vielen, diese Freude. Es ist hier eben keine Selbstverständlichkeit.
Kirche soll sich gesellschaftlich einbringen und Präsenz zeigen durch Aktionen
Es wäre auch wünschenswert sich mehr auf die Gesellschaft einzulassen; bei Veranstaltungen wie einer Kulturnacht mitzumachen. Zum Beispiel ein Projekt wie den Second-Hand-Shop in Kooperation mit einer großen Hilfsorganisation mitzumachen, um auch ein Stück weit Präsenz zu zeigen – nicht über irgendwelche Hochglanzbroschüren oder Funktionäre, sondern durch die Gläubigen selbst, die die Sache in die Hand nehmen und einfach Dinge machen.
Abschließend noch eine persönliche Frage: was ist Deine Hoffnung für die weitere Zeit, die Du in Schweden verbringst?
Ich hoffe, dass ich noch viele Facetten der „Schwedischen Kirche“ kennenlernen, dort einmal einen Gottesdienst besuchen und ins Gespräch kommen kann. Und in der katholischen Kirche möchte ich natürlich auch noch meine Eindrücke vertiefen. Ich wohne hier jetzt einen Steinwurf entfernt von der Kirche, das ist nicht selbstverständlich. Viele Gemeindemitglieder wohnen sehr weit weg von Uppsala. Es wäre schön, noch mehr mit zu leben mit den Leuten und noch mehr ein Gefühl dafür zu bekommen. Ich finde es spannend, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Ich möchte auch noch einmal stärker sehen, was kann Deutschland von der Kirche in Schweden lernen, was kann uns das bringen. Ich glaube, ein großer Teil davon ist eben, sich darüber zu freuen, was man hat. Ich finde es schön, dass Schweden so nah an Deutschland liegt, dass man ziemlich schnell hinfahren kann.
Hoffnung lernen und Wachstum spüren
Hier wächst die Kirche. Kürzlich erst hat man eine Kirche von der Schwedischen Kirche abgekauft, weil es Gemeindemitglieder gibt, die dort sonntags Gottesdienst feiern möchten. Vielleicht kann man hier auch Hoffnung lernen. Es ist sicher kein Patentrezept für andere Regionen, aber die Kirche ist hier am Wachsen, wenn auch nur wenig und im Kleinen. Meine Hoffnung ist, dass diese Erfahrung uns auch in Deutschland weiterbringt. Vielleicht können wir aufhören, so viel zu meckern und stattdessen mehr hoffen und dazu beitragen, dass es wieder wachsen kann.
Die Fragen stellte Matthias Alexander Schmidt.
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