Unzufriedenheit, weil man sich abgehängt fühlt. Diese Menschen brauchen eine politische Stimme. Trump hat deren Gefühle artikuliert. Für den Brexit gaben sie den Ausschlag. Die AfD fischt in den gleichen Gewässern. Schulz zeigt, dass es auch "links" geht. Was haben die Demokraten in den USA falsch und die SPD gerade noch richtig gemacht?
Es gibt Verlierer des technologischen Wandels. Sie sind meist schlechter ausgebildet, in traditionellen Berufen beschäftigt und nicht mit dem Computer vertraut. Zudem können sie sich nur in ihrer Muttersprache verständigen. In der Industrie, aber auch im Handel werden durch das Internet traditionelle Berufe ausgehöhlt und dann durch neue ersetzt. Nur noch Lastwagenfahrer, Lokführer, Schaffner und die Gesundheitsberufe sind von den neuen Technologien nicht angefressen.
Die Arbeiterparteien haben die Arbeiter vergessen
Die Demokraten in den USA, wegen ihrer Gewerkschaftsnähe der SPD strukturell vergleichbar, wurden von den neuen Berufsgruppen der Ost- wie der Westküste gewählt. Ihre früheren Wähler im heutigen Rostgürtel der USA haben Trump gewählt. Eigentlich ein Widerspruch zur Parteizugehörigkeit Trumps, denn die Republikaner sind die Partei der Wallstreet. Die SPD hat in manchen Regionen die Arbeiterschaft an die CDU oder die Linke verloren, so in Nordwürttemberg. Sie ist eigentlich zu einer Partei des Öffentlichen Dienstes geworden, die wie die Demokraten die Emanzipationsgruppen aufgenommen hat.
fortschrittlich oder gerecht
Als die SPD gegründet wurde, waren die Arbeiter zwar von den Bürgerlichen als Proletariat abgeurteilt. Sie trugen aber die Zukunft und konnten mit der weiteren Industrialisierung ihr politisches Gewicht nur wachsen sehen. Fortschritt war mit der Industrialisierung das Zukunftsversprechen. Aber Gerechtigkeit ist der eigentliche Wurzelgrund der Arbeiterbewegung. Die SPD hat aber wie die Demokraten in den USA auf Fortschritt gesetzt und die Gruppen angezogen, die die neuen Ideen in sich trugen. Während die Demokraten die ökologische Bewegung integriert haben, musste in Deutschland eine neue Partei dieser Zukunftsperspektive politische Gestalt geben.
Gerechtigkeit heißt heute Wertschätzung
Jetzt betritt ein Kanzlerkandidat die Bühne, der sich nicht an die Spitze des Fortschritts stellt und auch nicht das ökologische Mantra beschwört, sondern mit dem Thema "Gerechtigkeit" die Wurzeln der SPD wieder freilegt und Saft in dem alten Baum aufsteigen lässt. Er kann auf jeden Fall diejenigen erreichen, die Fortschritts-müde sind und die das Gefühl prägt, nicht mehr mitzukommen. Es ist eine ganz andere Rhetorik. Nicht mehr: "Geht mit uns, dann gehört euch die Zukunft." Fortschritt, das heißt nämlich auch, dass es Verlierer gibt, die für junge Betriebswirtinnen und IT-Leute abschätzig zum alten Eisen gehören. Das lassen sie die Abgehängten auch spüren. Es ist dieser Blick, der besagt: „Du gehörst bald ausgesondert“. Wer will das schon ertragen, wenn man seinen Beruf ordentlich erlernt und ausgeübt, seinen Beitrag für die Gesellschaft geleistet hat? Eines hat Schulz den Grünen voraus: Er tritt nicht moralisch auf, verordnet keinen Veggieday, man darf wer sein, selbst wenn man einen VW mit zu hohem Stickstoffausstoß fährt.
Von der SPD lernen
Wenn auch die Wahlen noch nicht gewonnen sind, die anderen Institutionen, nicht zuletzt die Kirchen, können von der SPD lernen. Es ist nicht mehr die nackte wirtschaftliche Not, sondern die Überforderung mit den immer neuen Innovationsschüben, die heute bewältigt werden müssen. Die Fortschrittsträger, die mit Handy und Laptop 24 Stunden im Einsatz sind, brauchen die von Schulz ausgelöste Bewegung genauso, weil sie sonst dem Burnout ausgeliefert sind. Deutlich wird: Es braucht keine Parteien am rechten Rand, wenn die Linke ihr Fortschrittmantra mal nicht vor die Gerechtigkeit stellt. Zudem muss die SPD nicht mehr befürchten, dass Merkel der direkte Draht zu den Gewerkschaften mehr alleine gehört.
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