Felix Neumann ist gelernter Philosph und Politikwissenschaftler und arbeitet als Redakteur bei katholisch.de. Ehrenamtlich engagiert er sich im Vorstand der GKP und betreibt den Blog https://artikel91.eu/ über Datenschutz in Kirche und Religionsgemeinsschaften.
1. Bei der Onlinetagung „Kirche im Web“ war das Thema kirchlicher Datenschutz Mitte März 2021 in aller Munde. Welchen Stellenwert hat das Themas innerhalb der katholischen und der evangelischen Kirchen – an der Basis aber auch bei der DBK und der EKD?
In den Kirchen gibt es amtlicherseits ein großes Interesse daran, rechtskonform zu handeln. Durch die im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen deutlich straffere Organisation – auch eigentlich selbständige Verbände sind personell und strukturell oft an die amtliche Schiene angebunden – ist das Niveau der Umsetzung des Datenschutzrechts oft sehr hoch. Zumindest ist der gefühlte Druck, Datenschutzkonformität herzustellen, deutlich höher als anderswo.
Das führt aber auch zu Frustration und dem Eindruck, dass die kirchlichen Datenschutzgesetze besonders streng seien – dabei sind die kirchlichen Gesetze in den meisten Fällen, in denen sie von der europäischen Datenschutzgrundverordnung abweichen, sogar weniger streng als ihre säkularen Pendants. Die Folgen davon sind leider eher negativ: Datenschutz wird mit Bürokratie und Schikane verbunden, nicht mit der operativen Umsetzung von Grundrechtsschutz. Wenn Datenschutz an der Basis auftaucht, dann als lästige Pflicht, oft auch schlecht umgesetzt, weil der Widerwille dagegen so groß ist, und selten in der Form von politischen und medienpädagogischen Impulsen.
Ich würde mir wünschen, dass sich das ändert: Für die Sozialverbände in der Kirche, dass sie sich in die politische Debatte einbringen und den Wert von informationeller Selbstbestimmung stark machen, sich für den Schutz von Freiräumen und der Privat- und Intimsphäre und gegen Überwachung einsetzen. Für die Jugendarbeit, dass dort Kinder und Jugendliche lernen, ihre eigenen Grenzen und Privatheitsbedürfnisse zu kennen und die anderer zu respektieren.
2. Das Gesetz über den Kirchlichen Datenschutz (KDG) ist am 24. Mai 2018 in Kraft getreten. Wie bewerten Sie - knapp drei Jahre später – deren Wirkung? Was steht auf der positiven und was auf der negativen Seite der Bilanz?
Positiv ist sicher, dass Datenschutz in der Kirche jetzt auch durchgesetzt werden kann. Die Datenschutzaufsichten haben deutlich mehr Durchgriffsmöglichkeiten und in vielen Fällen auch mehr Personal bekommen. Wie auch die DSGVO haben das KDG und das evangelische DSG-EKD dafür gesorgt, dass Datenschutz bei vielen erstmals auf dem Radar erschienen ist; die Reform war für viele, auch auf höchster Ebene, ein Anlass, das eigene Datenschutzmanagement erheblich zu verbessern.
Eine ganz grundsätzliche Frage ist aber immer noch nicht beantwortet: Wozu braucht es überhaupt ein eigenes kirchliches Datenschutzrecht und eigene Aufsichtsbehörden? Das ist über die Jahrzehnte als Traditionsbestand der kirchlichen Selbstverwaltung entstanden und soweit ich das überblicke nie daraufhin reflektiert worden, ob es wirklich nötig ist. Ich bin der Meinung, dass die Kirchen darauf gut verzichten könnten und sich besser dem staatlichen Recht und den staatlichen Aufsichten unterwerfen sollten. Das funktioniert bei den meisten Religionsgemeinschaften in der EU schon immer, ohne dass diese in ihrer Tätigkeit irgendwie eingeschränkt wären. Inhaltlich weichen die kirchlichen Datenschutzgesetze ohnehin kaum von der DSGVO ab, und wo sie es tun, stellen sie oft keine Verbesserung dar oder sorgen sogar für unnötigen zusätzlichen Aufwand, wenn man beispielsweise Dienstleistern erklären muss, warum sie wunderliche kirchenspezifische Formulare ausfüllen sollen.
Ich würde mir wünschen, dass die Kirchen ihren Sonderweg verlassen und einen Teil des gesparten Geldes in eine Servicestelle ähnlich der von der Bundesregierung gegründeten Stiftung Datenschutz investieren würden. Da das aber nicht passieren wird, plädiere ich dafür, wo immer es möglich ist, die DSGVO-Regelungen möglichst eins zu eins in die kirchlichen Datenschutzgesetze zu übernehmen und nur dort Änderungen und Präzisierungen vorzunehmen, wo es wirklich von kirchlichen Eigenarten her erforderlich ist.
3. Sie haben in der Gesellschaft der Katholischen Publizisten Deutschlands (GKP) an einem Beitrag zur Evaluierung des KDG mitgearbeitet. Was sind die zentralen Änderungsvorschläge und gib es bereits Reaktionen darauf?
Die kirchlichen Gesetzgeber haben einen relativ kleinen Spielraum. Die DSGVO verpflichtet die Religionsgemeinschaften darauf, dass ihre Datenschutzregeln „in Einklang“ mit den Wertungen der DSGVO stehen. Unsere Stellungnahme zur Evaluierung beschränkt sich daher einmal darauf, nur Dinge vorzuschlagen, die diesen Einklang nicht beeinträchtigen. Zum anderen bringen wir uns zu Punkten ein, bei denen wir als Verband von Publizist*innen eine eigene Expertise haben: Vor allem den Medienbereich, aber auch Klarstellungen, die die Anwendung für ehrenamtlich getragene Vereine und Verbände einfacher machen.
Im Bereich des Medienprivilegs haben die bischöflichen Gesetzgeber besonders viel Spielraum, weil das eine Regelungsmaterie ist, für die die EU nicht zuständig ist – auch bei der DSGVO müssen die Mitgliedstaaten diesen Bereich mit nationalen Gesetzen ausfüllen. Wir schlagen hier mehrere Änderungen vor: Das Medienprivileg soll so weit ausgelegt werden, dass nicht nur klassische Presse darunter fällt, sondern auch Publikationen von Pressestellen, Gemeinden und Verbänden – das sind nämlich auch wichtige Bestandteile der demokratischen Öffentlichkeit. Mit Blick auf Bildrechte sollte explizit geregelt werden, dass die bewährten Abwägungskriterien des Kunsturheberrechts weiterhin gelten – das betrifft zum Beispiel Fotos von öffentlichen Veranstaltungen und Personen der Zeitgeschichte. Schließlich wollen wir eine eigene Regelung für die Übertragung von Gottesdiensten, wie sie sich schon im DSG-EKD bewährt hat. Eine wichtige Klarstellung wäre auch, dass nicht jede Foto-, Video- und Audioaufnahme von Menschen schon biometrische Daten darstellt, die besonders geschützt werden müssten.
Für Vereine und Verbände wäre es hilfreich, explizit zu regeln, wann Ehrenamtliche wie Beschäftigte zu zählen sind, etwa bei der Pflicht, Datenschutzbeauftragte zu bestellen. Und dann gibt es noch eine große Ungleichbehandlung: Die Gesetzgeber nehmen ausgerechnet die öffentlich-rechtlich organisierten kirchlichen Stellen von Bußgeldern aus – also vor allem Pfarreien und Bistumsverwaltungen, die Stellen, an denen mit die meisten und sensibelsten Daten verarbeitet werden. Das wirft kein gutes Bild auf die Kirche, wenn sie sich selbst einen Freibrief ausstellt.
Über die konkreten Vorschläge hinaus hoffen wir auch, dass das Beispiel der Beteiligung Schule macht: Die kirchliche Gesetzgebung ist immer noch in weiten Teilen eine Black box. Macht würde geteilt, die Qualität der Gesetzgebung erhöht, wenn es bei bischöflicher Gesetzgebung immer Beteiligungsverfahren gäbe. Unseren Beitrag haben wir erst Anfang März an die zuständigen Gremien gegeben, daher haben wir bisher nur Eingangsbestätigungen erhalten – aber wir gehen davon aus, dass wir bald in den Dialog treten, um das kirchliche Datenschutzrecht zu verbessern.
Danke für das Gespräch.
Lesetipp:
Der Blog von Felix Neumann über Datenschutz in Kirche und Religionsgemeinsschaften:
https://artikel91.eu/
Das Interview wurde am 23. März 2021 geführt von: Christian Schnaubelt
(freier Journalist und Ressortleiter Kirche und Medien bei explizit.net).
Weitere Informationen zur Tagung "Kirche im Web" gibt es auf www.kirche-im-web.net.
Aufmacherfoto: Pete Linforth / pixabay
Foto Felix Neumann: privat
Dieses Interview ist ein Beitrag des publicatio e.V. - Monatsthemas "Kirche + Medien".
Weitere Beiträge folgen auf: https://explizit.net/medien/.
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