explizit.net Kommentar
Radio Vatikan meldete am 29.09.2013, dass die Priesterberufungen in den USA heute um 10% höher lägen als im Jahr 2005. (
) Neben der größeren Religiosität, die es zweifellos in den USA gibt, die Glaubende erfreuen und erstaunen lassen mag, gibt es auch weltliche Gründe für die wachsende Seminaristenzahl: Es gibt immer mehr Hispanics in den USA, die meist katholisch sind und im Priestertum einen großen sozialen Aufstieg sehen.</p> <h2>Für eingewanderte Südamerikaner bietet der Priesterberuf Aufstiegschancen</h2> <p>Amerikaner südamerikanischer Herkunft den USA, die meist katholisch sind und im Priestertum auch einen sozialen Aufstieg sehen. Als ich 2011 das größte Priesterseminar in den USA, das Mundelein Seminary bei Chicago besuchte, fielen mir vor allem zwei Dinge auf. Zum einen, dass es mehr Seminaristen gab als in deutschen Seminaren, was auch an der noch größeren kirchlichen Bindung in den USA liegt, zum anderen aber auch, dass unter den Seminaristen viele Mexikaner oder junge Männer südamerikanischer Herkunft waren, die in erster oder zweiter Generation in den USA lebten, meist aus vergleichsweise ärmlichen Verhältnissen kamen und volkskatholisch sozialisiert wurden. Ein Studium ohne die kirchliche, vor allem finanzielle, Fürsorge, die man als Priesterseminarist erhält, ist schwer realisierbar. Ebenfalls sind Lebenswege abseits der klassischen Formen oft nicht bekannt oder möglich. Das Priesteramt kann, da es einen sicheren Beruf bietet, auch die Einbürgerung erleichtern, sofern man noch kein Amerikaner ist, wobei man von dem normalen Prozess der Einbürgerung nicht verschont bleibt. Die Kirche als Arbeitgeber ermöglicht somit auch weltliche Vorzüge. Dennoch ist der Anstieg der Berufungszahlen auch einem spirituellen Erwachen in den USA geschuldet, da die US-Missbrauchskrise bereits mehr als zehn Jahre zurückliegt und mittlerweile zu einer größeren Disziplin beigetragen hat. Zudem wird in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Kraft des Glaubens stärker wahrgenommen.</p> <h2>Seminaristenzahlen im Wandel der Zeit</h2> <p>Um zu sehen, inwieweit dieses Phänomen des so genannten „Priesterbooms“ der stärkeren spirituellen Suche geschuldet ist, müsste man abwarten, wie sich die Berufungszahlen entwickeln, wenn eine Angleichung der Hispanics an die wirtschaftliche Situation der Angloamerikaner stattgefunden hat. Die Bedeutung der Hispanics für die katholische Kirche sieht man besonders an den Kirchenausstiegszahlen der Amerikaner europäischer Herkunft, die in den letzten Jahrzehnten gewaltig waren und in ihrer Tragweite nur durch hispanische Immigration abgefedert werden konnten. Insgesamt erinnert mich die Situation an die des katholischen Milieus des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts, in dem das Priestertum, vor allem, wenn man das zu viel geborene Kind einer Familie war, gute soziale Absicherung und Anerkennung bot. Der Glaube war vergesellschaftet, auch die wirtschaftliche Absicherung und die Möglichkeit der bezahlten umfassenden Bildung sicherten Berufungen. Pragmatische Erwägungen waren zumindest nicht selten eine Grundlage für volle Priesterseminare. So scheint zumindest auch die Berufungssituation in der DDR verstanden werden zu können, in deren einzigem Priesterseminar in Erfurt sich bis zum Mauerfall eine recht passable Zahl an jungen Männern auf das Priestertum vorbereitete, die nach der Wende abrupt abnahm. Katholiken war in der DDR jede Mitarbeit im Staat sowie Parteimitgliedschaft streng verboten. Damit zwang die Treue zur Kirche gleichsam zur Diaspora und inneren Immigration. Katholischsein war Protestsein. Da das SED-Regime aber in seiner Bildung auf Linientreue setzte, war außerhalb der Kirche ein Weg zu höherer Bildung und sozialem Aufstieg eigentlich nicht möglich. Mit dem Mauerfall fiel auch der Bildungs- und Aufstiegsbonus der Kirche für Katholiken, gleichzeitig gingen die Berufungen zurück.</p> <h2>Priestermangel in Lateinamerika</h2> <p>Doch müsste die Aufstiegs- und Absicherungsthese nicht dazu führen, dass die Berufungszahlen in dem größten katholischen Land der Welt, in Brasilien, explodierten? Wobei doch gerade dort in Wirklichkeit ein großer Priestermangel herrscht? Jedoch ist die Kirchenstruktur in Brasilien und vergleichbaren Ländern ganz anders als in Europa und den USA. Kirchliches Leben bildet sich hier traditionell viel stärker aus so genannten Laienbewegungen, deren bekannteste Entwicklung die Theologie der Befreiung ist. Es gibt dort auch keine vergleichsweise starke Pfarrstruktur. Dort ist ein Priester meist nicht -wie in Europa früher üblich - Pfarrer einer Pfarrei, der sozial abgesichert und gesellschaftlich hoch anerkannt ist. Vielmehr ist der Priester dort ein mobiler Sakramentenspender ohne wirkliche gemeindliche Verwurzelung. Er mag ein hohes Ansehen genießen, jenseits einer starken sakramental-kirchlichen Affinität ist ein solches Leben allerdings eher Verheizung als Verheißung.</p> <h2>Pfarrer in den USA</h2> <p>Die im Vergleich zu Deutschland höhere Attraktivität des Priesterberufs, insbesondere im Amt eines Pfarrers, ist auch den vergleichsweise kleinen Gemeinden geschuldet. Zwar ist die finanzielle Vergütung wesentlich geringer als in Deutschland, jedoch wird der Dienst als Pfarrer wesentlich höher von der Gemeinde und den Katholiken mitgetragen und unterstützt als es in Deutschland der Fall ist. Der Priesterberuf gilt in den USA als so genannter "</p> <p><emphasize>blue color job</emphasize> <p>", also als ein im Niedriglohnsektor anzusiedelnder Beruf. Die Ausrichtung ist meist konservativer als in Deutschland, eine Staatskirchenstruktur wie in Deutschland gibt es nicht. Die Pfarrer sind vollkommen vom Vermögen der Pfarrei und der Unterstützung des Bistums abhängig. Der Staat kümmert sich in keiner Weise um die finanziellen Sorgen der Kirchen, vor allem nicht um die Gehälter kirchlicher Mitarbeiter. Weiterhin ist in den USA eine größere spirituelle Dimension des Priestertums als in Deutschland vorhanden. Wenngleich es keine Universitätstheologie nach europäischem Muster gibt, wurde die Erziehung zur persönlichen Spiritualität sehr stark ausgebildet</p> <h2>Berufungsgründe</h2> <p>Die gut erhaltene priesterliche Identität, die größere Religiosität der Amerikaner, insbesondere unter denen aus südlichen Ländern, wie auch der soziale Aufstieg und die hohe Anerkennung machen den Priesterberuf trotz Zölibat, geringer Bezahlung und vieler Kritik attraktiv.Die Wege des Herrn, so heißt es, seien unergründlich, dies mag letztlich auch für die Motive des Weges ins Priesterseminar gelten, dennoch scheint es mir zu kurz gegriffen, will man hier eine rein geistig-spirituelle Dimension sehen. Es sollten ebenfalls weltliche Beweggründe, die man auf den ersten Blick nicht sehen mag, berücksichtigt werden.</p> <p>Ein Kommentar vonJosef Jung</p>
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