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Pluralistisches Eheverständnis:

Das Ergebnis des irischen Volksentscheids zur Einführung der Ehe für homosexuelle Paare war ein Erdbeben, nicht nur für das kleine Land an der Europäischen Grenze. Es war über alle politischen Debatten hinaus ein Erdbeben.

Das Ergebnis des irischen Volksentscheids zur Einführung der Ehe für homosexuelle Paare war ein Erdbeben, nicht nur für das kleine Land an der Europäischen Grenze. Es war über alle politischen Debatten hinaus ein Erdbeben.

Die Katholische Kirche ist vor allem: dagegen?

 

Die gesellschaftliche Debatte um ein pluralisiertes Eheverständnis müsste an der katholischen Kirche nicht vorbeilaufen. Dass die Akzeptanz der Ehe für die verschiedenen Paarkombinationen mittlerweile wohl alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst, lässt sich sogar an der Positionierung vieler Senioren ablesen: Mit zwei Enkelkindern an den Armen stehen nach dem Gottesdienst die Großeltern vor der Kirche und stellen dem Pfarrer Sophie und Niklas vor. Ihre Väter seien an diesem Wochenende beruflich unterwegs, so dass es nun ein super Großelternwochenende gebe. Nur, dass die Kirche die Ehe ihres Sohnes mit einem Mann und damit ja auch die Enkelkinder nicht akzeptieren wolle und überhaupt gegen alles Moderne sei, das mache sie aggressiv und werde sie wohl bald aus der Kirche treiben.

Die Kirche schweigt zur Diskussion um die Ehe

 

Angesichts solcher Begegnungen wird klar: Es gibt Situationen, die wenig Raum für Differenzierungen und sachliche Diskussionen lassen. Und es gibt das Problem kirchlicher Kommunikation, die in immer mehr gesellschaftlichen Debatten als ein einziges Rückzugsgefecht mit Dauerkritik an gesellschaftlichen Entwicklungen empfunden wird. Der katholischen Kirche wurde zuletzt mit dem Abstimmungsergebnis in Irland so massiv wie selten zuvor die Diskrepanz zwischen ihrer offiziellen Lehre und dem Denken ihrer eigenen Gläubigen vor Augen gestellt. Nur so erklärt sich wohl die Reaktion im kirchlichen Milieu auf die in vielen Ländern geführte Debatte: weitgehende Stille!

Kaum ein Bischof nimmt Stellung, um das katholische Verständnis der Ehe als eines Bundes zweier Menschen im Unterschied zu verbreiteten Vertragsvorstellungen zu erläutern. Kaum ein Bischof ist bereit, die offiziellen kirchlichen Positionen in Talkshows oder Kommentaren zu vertreten – wohl wissend, dass man damit nur verlieren kann und zum Prügelknaben der Gesellschaft wird.

Der Vorwurf der Homophobie

Wer auch immer Kritik an der massiv geforderten Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit heterosexuellen Ehen äußert oder auch innere Widersprüche der auf größtmögliche Bürgerlichkeit abzielenden Konzeption von gleichgeschlechtlichen Ehen hinweist, gerät in den Ruf von Intoleranz und Homophobie. Damit entsteht auch für das Bemühen um die Gleichberechtigung aller Lebensformen in Gesellschaft und Kirche ein Problem.

Man könnte meinen, die VertreterInnen der Homosexuellenbewegung hätten ihr Ziel nicht nur erreicht, sie sind auch darüber hinausgeschossen: Zwar rückt die völlige Gleichstellung der verschiedenen Partnerschaften und Lebensmodelle in einem gemeinsamen Ehebegriff in greifbare Nähe. Zugleich ist die Bewegung aber gesellschaftlich so mächtig und einflussreich geworden, dass sie als sakrosankt und nicht zu kritisieren gilt. Überraschend hat damit die Bewegung zur Etablierung homosexueller Gleichstellung mit der Kommunikationsmuster der katholischen Kirche auf einmal sehr viel gemein: die mangelnde Fähigkeit zu Kritik und Diskurs.

Diese mangelnde Fähigkeit zum offenen Diskurs stellt die Kirche indes vor ein riesiges Problem, weil damit ihr Auftrag zur Verkündigung des Glaubens unmöglich wird.

Es entsteht eine Verkündigungslücke

 

Denn so schwer sich die kirchlichen VertreterInnen auch mit der Formulierung vernehmbarer Diskussionsbeiträge tun, sicher ist meist: die Kirche ist bestimmt dagegen! Darin zeigt sich das Problem einer Gegen-Kommunikation, bei der allenfalls noch verzweifelt versucht wird, die Definitionshoheit über die eigenen Begriffe zu retten. Und darin liegt mehr als ein fatales Imageproblem: Der Rückzug in die bloße Gegen-Kommunikation widerspricht dem eigenen, kirchlichen Selbstauftrag zu größtmöglicher Solidarität mit den Zeitgenossen. Und sie verspielt die Chance, gemeinsames gesellschaftliches Leben mit zu gestalten. Das wäre eigentlich gerade bei dem Ringen um verschiedene Lebensformen und -konzepte theoretisch möglich. Denn gerade die katholische Kirche kennt in ihrer Tradition keine Engführung auf eine monopolartige Vorgabe für die Lebensform Ehe. Mit den verschiedenen Varianten der Ehelosigkeit hat sie der Ehe ein Gegenmodell und eine Pluralität von Lebensformen an die Seite stellt. Traditionell begleitet die Katholiken auf ihrem Weg durchs Leben die Ansage: es gibt viele verschiedene Lebensformen und es ist deine Aufgabe, die für dich richtige zu finden. Hier findet sich eigentlich eine ungeahnte Anschlussfähigkeit an postmoderne Lebensrealitäten, die der Kirche selbst kaum bewusst zu sein scheint.

Steuerliche Benachteiligung der Alleinerziehenden

 

Im Diskurs um die Ehe für homosexuelle Paare steht dabei ohnehin ein Relikt bundesrepublikanischer Geschichte auf dem Prüfstein: die Verknüpfung von Familienförderung mit dem besonderen Schutz der Ehen. Dabei ist die Lebensrealität längst so weit verändert, dass Kinder zu einem immer geringeren Teil in Familien mit einer klassischen Ehekonstellation aufwachsen und staatlich geschlossene Ehen nicht mehr selbstverständlich mit Kinderwunsch und Familienplanung einhergehen. Das Anliegen, Kinder zu fördern, ist deshalb früher oder später von der staatlichen Förderung der Ehe zu trennen. Das würde den Staat nicht nur von der Definitionsfrage, welche Paarkonstellation überhaupt eine Ehe begründen kann, befreien. Es würde den Staat auch davon befreien, sich überhaupt über ein Minimum hinaus für die Lebensformen der Menschen interessieren zu müssen. Wenn der Staat Kinder fördern will, dann sollte er das an jene Erwachsenen knüpfen, die sich um Kinder kümmern und sie erziehen. Und das sind nun einmal nicht immer die leiblichen Eltern.

Und wenn der Staat möchte, dass Menschen in verlässlichen Verbindungen leben und sich auch in Notsituationen umeinander kümmern, dann sollte er dafür neue Rechtsformen ausbilden, die es allen Bürgern ermöglichen, Vertrauenspersonen zu benennen – übrigens auch den vielen Alleinlebenden der verschiedenen Altersgruppen. Ob Menschen ihre Partnerschaft als Ehe definieren, kann dann ihnen selbst und ihrer religiösen Beheimatung überlassen bleiben. Auf welche Dauer oder welche Art des Zusammenlebens solche Ehen dann ausgerichtet wären, muss einen Staat mit religiöser Neutralität nicht interessieren. Und ob solche Ehen in der Kirche geschlossen werden, bei einer freien Rednerin, einem Ritendesigner oder aber als Dienstleistung in einem romantischen Rathaus, bliebe eine Frage des persönlichen Geschmacks und der religiösen Überzeugung.

Was dabei sicher entstünde, das wäre das Ende von steuerlicher und gesetzlicher Ungerechtigkeit, bei der kinderlose Ehen sinnlos gefördert und Alleinerziehende und Singles benachteiligt werden. Und vielleicht fänden in der Debatte um solch eine Systemumstellung auch die Hirten der Kirche ihre Sprachfähigkeit wieder. Es wäre um der Diskussion willen zu wünschen.

Wolfgang Beck



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