Das Gesundheitswesen befindet sich in der Ukraine, so wie andere Bereiche, in einer dynamischen Entwicklung. Angesichts der Notwendigkeit von Reformen ist es wohl das am meisten diskutierte Thema. Große Erwartungen der Bevölkerung sind mit diesem Bereich verbunden, denn die Lebenserwartung ist im Vergleich zu Europa niedrig. Die bisherige Finanzierung durch den Staat kann die medizinische Grundversorgung kaum abdecken. Diskutiert werden die medizinische Betreuung, die Finanzierung des Gesundheitswesens, eine effektivere Verwaltung und die Bereitstellung der Mittel für Medizin und Pflege. Die Ausbildung für die verschiedenen Gesundheitsberufe wird intensiv diskutiert. Einige klagen über die außerordentliche Belastung im Studium, andere sprechen von den fundierten Kenntnissen, die vermittelt werden. Eine besondere Herausforderung ist hinzugekommen: Der Bedarf an hochqualifizierten Ärzten und Pflegekräften ist im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ostukraine gestiegen.
Zur Beschäftigungssituation
Im Ausland ist der Beruf von Pflegekräften zurzeit stark nachgefragt. In der Ukraine unterscheidet sich die Situation je nach den Gebieten. Auch in der Ukraine werden die Krankenschwestern unterschätzt. Abgesehen von ihrer Qualifikationen und einem starken Wunsch, theoretische Kenntnisse in die Praxis umzusetzen, ist es immer noch nicht so leicht für Pflegekräfte, ihren Beruf auszuüben. Neben den professionellen Qualifikationen und der Lernbereitschaft geht es um Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Verantwortlichkeit, Ausdauer und psychologische Stabilität.
Die Ausbildungsgänge
Anders als in Deutschland betreiben nicht die Krankenhäuser die Ausbildungsstätten, sondern selbständige Colleges und Universitäten. Es gibt drei Ausbildungsgänge
1. Pflegehelferin – für die Grundpflege, hier reichen einige Kurse im Krankenhaus
2. Medizinische Kollegs speziell für Pflege, 4 Jahre, Zulassung nach dem 9. Schuljahr
3. Universität nach dem 11. Schuljahr, nach 3 Jahren Abschluss für Krankenpflege möglich, weiteres Studium zum Arzt
Zur Ausbildung und den Berufschancen, die die Ausbildung eröffnet, hat Maria Karapata ein Interview mit Alla Golowko geführt. Sie hat an der Nationalen Medizinischen Bogomolets Universität (NMU) in Kiew studiert und sich nach dem 3. Studienjahr für die Arbeit am Nationalen Militärspital in Kiew entschieden. Sie hat bereits als Krankenschwester in der Urologie- und Reanimationsabteilung gearbeitet.
Maria: Erzählen Sie uns bitte, welche Ausbildungsmöglichkeiten es für die Pflegekräfte in der Ukraine gibt? Wie lange dauert die Ausbildung?
A: Es gibt zwei Ausbildungswege, die unterschiedliche Berufschancen eröffnen. Im ersten Fall kann man sich nach der 9.Klasse um einen Studienplatz im Medizincollege bewerben. Diese Variante passt ausgezeichnet denjenigen Kindern und Eltern, die ganz sicher sind, dass sie ausschließlich den Berufswunsch „Krankenschwester“ verfolgen. Sie brauchen daher weder an eine Universität studieren noch ein Hochschulreifezeugnis erwerben, welches erst mit Abschluss der 11. Klasse vergeben wird.
Ausbildung an einem Kolleg
Nach der 9.Klasse legen sie in Biologie, Chemie, ukrainischer Sprache, manchmal in Physik eine Prüfung bei einem medizinischen College ab, um dort das Studium für Krankenpflege, Arzthelferin oder Geburtshelferin zu beginnen. Die Pflichtfächer sind Anatomie, Innere Medizin, Chirurgie, Anästhesiologie, medizinische Biologie und andere, die vier Jahre studiert werden. Außerdem machen sie jährlich Praktika in einem Operationssaal, Kreißsaal, oder in hochspezialisierten Abteilungen. Am Ende des Studiums steht eine Prüfung, in der theoretische Kenntnisse wie auch praktische Fertigkeiten gefordert sind. Nach dem Abschluss können sie sich um eine Arbeitsstelle in einer Klinik bewerben.
Universitätsstudium für Pflege
Für die zweite Möglichkeit, den Beruf als Krankenschwester auszuüben, erfordert mehr Mühe, Ausdauer und Leistungsfähigkeit. Denn für das Studium an einer medizinischen Universität sind mehrere Voraussetzungen erfüllen. Es ist vor der Zulassung zum Studium nach dem Schulabschluss mit der 11. Klasse eine Prüfung in Chemie, ukrainische Sprache, Physik und Biologie abzulegen. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wird ein Ranking zusammengestellt. Je nach den Leistungen kann einem Abiturienten ein Studienplatz zum Wintersemester zugeteilt werden. Falls der Absolvent die Chancen ergreift, an die medizinische Universität zu gehen, soll er Anatomie, Physiologie, Innermedizin und viele andere Fächer „pauken“. Und nach dem dritten Studienjahr dürfen sich der Student, die Studentin mit entsprechend guten Noten um eine Arbeitsstelle in einer Klinik bewerben.
Stellensuche
M: Ist es schwierig eine Arbeitsstelle als Krankschwester zu finden, wenn man noch keine Erfahrungen vorweisen kann?
A: Zum Teil fällt es wirklich schwer. Denn fast kein Klinikleiter will unerfahrene Kräfte einstellen. Selbst wenn man alle Voraussetzungen erfüllt und sich offiziell um die Arbeitsstelle bewerben darf, kann der Absolvent, die Absolventin dabei eine Niederlage erleiden. Aber das ist kein Grund, sich einfach zurückzuziehen und den erwünschten Beruf aufzugeben. Man sollte sich in einer Personalabteilung nach den freien Stellen erkundigen. Selbst nach einigen Absagen kann der leidenschaftliche Absolvent immer auf eine Vakanz im jeweiligen Krankenhaus hoffen. Es kommt darauf an, welche Abteilung für eine Krankenschwester interessant ist. Im Sommer entscheiden sich beispielweise viele Studenten, in Kliniken zu kündigen, weil sie ihr Universitätsstudium abschließen wollen. Das bedeutet, dass auch die Krankenschwestern, die das Medizinkolleg absolviert haben, eine Stelle finden können, wenn sie sich gut beim Vorstellungsgespräch zeigen.
Pflegehilfe
M: Welche Erfahrungen haben Sie während Ihres Praktikums gesammelt? Was war für Sie von besonderem Interesse?
A: Was mich angeht, hat mir die Arbeit während des Studiums geholfen, die notwendige Sicherheit für meinen Traumberuf zu gewinnen. Als ich an die Uni gegangen bin, habe ich mich am ersten Tag als Pflegehilfe in der Abteilung für Urologie gemeldet. In der Ukraine gibt es zwei ganz verschiedene Begriffe „Pflegehilfe“ und „Krankenschwester“. Unter dem Begriff „Pflegehilfe“ versteht man die Person, die den Patienten beim Bewegen und Transportieren Hilfe leistet und nichts mit den Impfungen u.a. mehr medizinischen Tätigkeiten zu tun hat. Dafür ist weder ein Diplom eines Medizinkollegs noch einer Hochschulzuegnis erforderlich. Um einen Vertrag mit der Klinik zu schließen, muss man einfach einen Fachkurs in einem Krankenhaus mitbekommen haben. Für die Stelle einer Krankenschwester ist dagegen ein Diplom mindestens eines Medizincolleges erforderlich.
Ich wollte das Ende des 3. Studienjahrs abwarten, um dann Krankenschwester zu werden. Deshalb begann ich meine medizinische Karriere zuerst als Pflegehilfe. Einerseits verlangt die Pflegehilfe nicht eben die Fertigkeiten, die eng mit dem ärztlichen Fach verknüpft sind, weil das „Hintern-Abwischen“ oder Transportieren der Behinderten nur eine kleine Andeutung an medizinische Zukunft beinhaltet. Trotzdem habe ich immer danach gestrebt, Pflichten zu übernehmen, um dann diese praktischen Kenntnisse in der medizinischen Tätigkeit einzusetzen. Nach dem 3. Studienjahr wurde ich dann als medizinische Krankenschwester in dieser Abteilung tätig. In dieser Arbeit habe ich sehr wichtige Erfahrung gesammelt. Ich habe geübt, nicht nur zu impfen und Verbände anzulegen, sondern auch Fertigkeiten im OP-Saal erworben.
Bedarf an Pflegekräften in der Ukraine
M: Man spricht heutzutage davon, dass es einen immer größeren Bedarf an Krankenschwestern und Pflegekräften in der Ukraine gibt. Stimmt es?
A: Ja, das stimmt. Angesichts des Kriegs in der Ostukraine habe ich mich sofort für die Arbeit in der Notfallaufnahme eines Militärspitals entschieden, weil der Bedarf an ausgebildeten Pflegekräften dort so dringend war. Dank dieser Möglichkeit habe ich die echte, pure Medizin entdeckt. Wenn ich als Krankenschwester in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung treffen und eine Lösung finden sollte, erinnerte ich mich an viele Dinge, die ich in der Hochschule gelernt hatte. Unser Personal war rund um die Uhr bereit, ein Flugzeug mit den verletzten Soldaten aus der Ostukraine in Empfang zu versorgen. Dort habe ich den jungen Soldaten geholfen, den Bewegungsverlust zu überwinden. Diese Stelle war eine Lebenserfahrung für mich. Ich musste immer für die schwierige Reanimation bereit sein. Genauso wichtig war, mit meiner Lebensfreude die Verwundeten anzustecken, die meine Heimat schützen. Nach dieser Erfahrung bin ich für anspruchsvolle Aufgaben bereit. Selbst wenn man alles versucht und sich jede Mühe gibt, den Patienten zu helfen, die fast im Sterben liegen, gibt es keine absolute Sicherheit für eine erfolgreiche Rehabilitation. Leider war es in der Notfallaufnahme oft so, dass ich am Morgen zur Arbeit gekommen bin und der Patient, der mir gestern die Hand entgegengestreckt hatte, schon in der Leichenhalle war. Mit „solchen Niederlagen“ sollte man als Krankenschwester rechnen und immer sorgfältig arbeiten. Das markerschütternde Stöhnen der Patienten kann ich immer noch spüren. Aber jetzt hege ich keinen Zweifel daran, dass ich meinen Beruf verfehlt hätte. Falls ich etwas ausführlicher auf die Situation in den Regionen eingehe, kann ich dabei erwähnen, dass die Krankenschwestern aus den Militärspitälern in der ganzen Ukraine hoch motiviert sind. Sie sind unter den schwierigsten Bedingungen im Umgang mit den verletzten Soldaten auf die Probe gestellt und lernen viel dadurch. Sie setzen immer alles ein, um einen Patienten zu retten. Darum gibt es in den Militärkrankenhäusern einen hohen Bedarf an Pflegekräften.
M: Wie schätzen die Pflegekräfte ihre Karrierechancen im Ausland? Gibt es viele, die bereit sind, ihren Beruf im Ausland auszuüben?
A: Zu dieser Frage lässt sich sagen, dass die Pflegekräfte in der Ukraine kaum über die Berufschancen im Ausland informiert sind. Aber ich bin sehr überzeugt, dass die ukrainischen Krankenschwestern dank ihrer Erfahrung in der jeweiligen Klinik alle Voraussetzungen erfüllen, um überall eingesetzt zu werden. Vielleicht hört es sich ein bisschen unbescheiden an, aber nach der Erfahrungen unter den Kriegsbedingungen können unsere Krankenschwestern jede Aufgabe im Ausland meistern.
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