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Papst Franziskus am Jordan

(explizit.net) Plötzlich stoppte sein Auto auf dem Wege zur Sonntagsmesse am Westufer des Jordans. Papst Franziskus lehnte sich gegen die Trennmauer unter einem Beobachtungsturm, die Bethlehem vom Westjordanland abtrennt. Dieser Wall, bekrakelt mit Graffiti wie „Freies Palästina“, vermindert nicht nur in Israels Augen Terroranschläge. Andererseits bejaht der Pontifex den Staat Palästina, dem die UN im November 2012 als Nichtmitglied einen Beobachterstatus gab. Er verfolgt einen Balanceakt zwischen diversen Seiten. Am Grabe Theodor Herzls, der den Zionismus begründete, legt er einen Kranz ab. Sein Vorgänger Pius X. lehnte noch vor 100 Jahren Herzls Ersuchen um Hilfe im Vatikan strikt ab.

(explizit.net) Plötzlich stoppte sein Auto auf dem Wege zur Sonntagsmesse am Westufer des Jordans. Papst Franziskus lehnte sich gegen die Trennmauer unter einem Beobachtungsturm, die Bethlehem vom Westjordanland abtrennt. Dieser Wall, bekrakelt mit Graffiti wie „Freies Palästina“, vermindert nicht nur in Israels Augen Terroranschläge. Andererseits bejaht der Pontifex den Staat Palästina, dem die UN im November 2012 als Nichtmitglied einen Beobachterstatus gab. Er verfolgt einen Balanceakt zwischen diversen Seiten. Am Grabe Theodor Herzls, der den Zionismus begründete, legt er einen Kranz ab. Sein Vorgänger Pius X. lehnte noch vor 100 Jahren Herzls Ersuchen um Hilfe im Vatikan strikt ab.

Wortkraft

Anders reagierte Kaiser Wilhelm am 19. Oktober 1898 in Istanbul, dann in Jerusalem, als Herzl ihn als Protektor warb. Der Monarch war dem zionistischen Anliegen geneigt, wie er vor seiner Reise ins Heilige Land betonte: dessen Besiedlung durch das kapitalkräftige und fleißige Volk gereiche zum Segen, zumal überall die Hydra des Antisemitismus ihr greuliches Haupt erhebe. Er setze sich beim Sultan für Juden ein, auf dass sie Schutz und Sicherheit erhalten. New Yorker Zionisten appellierten 1907 auch an den Osmanensultan, ein jüdisches Heim in Palästina wäre der beste zionistische und jüdische Weg. Migration verlagere nur das Problem. Das Judentum zu beseitigen, sei ein Verbechen. Assimilation wäre insgesamt unpraktisch, zumal der Judenhass doch nicht zuerst verschwinden würde.

Als die deutsch-osmanische Jihadiserung des Islam im Ersten Weltkrieg ausgriff, lenkte der Kaiser seinen prozionistischen Kurs. Am 24. April 1915 begann der Genozid an den Christen wie Armeniern. Dies wurde parallel an Palästinas Juden versucht, zudem 1917. Wilhelm II. bejahte es daher, dass die letzte osmanische Regierung noch am 12. August 1918 eine „Osmanische Balfourdeklaration“ abgab. Zwar ging sie unter wie Reiche der Osmanen, Hohenzollern und Romanows. Doch versprach London, im Mandatspalästina eine gesichertes jüdisches Heim zu schaffen. Aber 20 Jahre darauf wirkten Achsen von einst wieder in Genoziden mit, darunter an Juden. Noch streiten das viele ab; oder sehen alles viel zu isoliert. Obwohl es einer Geschichte oft mit denselben Akteuren entsprang.

Hoffungszeichen

Man muss sehen, was wie geschah. Erstmals erklärte Mahmud Abbas am 27. April den Holocaust zum gemeinsten Verbrechen der modernen Geschichte. Der Palästinenserchef folgte dem Ägypter Husni Mubarak, der dies so am 30. Dezember 2010 sagte und eine Delegation nach Auschwitz sandte. Fathi Shihab ad-Din aber, Gehilfe von Muhammad Mursi, sah im Holocaust einen „Geheimdiensttrick“. Irans Ali Khaminai zeigte sich am 21. März unischer, ob und wie der Genozid ablief. Im selben Monat reisten erstmals Palästinenser der al-Quds-Universität unter Muhammad S. ad-Dajjani ad-Dawudi nach Auschwitz. Dieser Mutige lehrt auch den Holocaust. Da der Papst Abbas und Israels Premier Benjamin Netanjahu in den Vatikan einlud, und beide zusagten, mehren sich Hoffungszeichen. Franziskus hat keine Armeen. Aber seine Worte und Gesten können auf dieser Reise oftmals mehr als sture Politik erreichen. Auch Abbas’ Rede ist wichtig. In Moskau promovierte er 1983 über „Geheimbeziehungen von Nazis und Zionisten“ im Zweiten Weltkrieg. Rückblickend unterstrich er darüber, dies mit seinem späteren Wissen anders geschrieben zu haben. Sicherlich, jedoch zählen Taten. Macht er nun Geschichte?

Aderlass

Seit Samstag gestaltet der Papst dies auf seiner dreitägigen Tour dies- und jenseits des Jordans mit. Der 77-Jährige schluckt bittere Pillen. In Bethlehem bildeten Christen vor 50 Jahren die Mehrheit. Heute sind es nur 15 Prozent. In der Küstenenklave Gaza unter der Hamas leben noch 1.300 Christen. Franziskus erklärte am 24. November 2013, der wahre Islam und eine angemessene Interpretation des Koran stünden jeder Gewalt entgegen.

Das mag eher seine Hoffnung als Realität sein. Im Amman würdigte er zwar, dass König Abdullah II. 600.000 Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg aufnahm. Darunter sind wohl 17.000 Christen, von denen einige der Messe des Papstes am Samstag beiwohnten. Aber in Damaskus sorgt das Regime Bashshar al-Asads für weiteren Aderlass unter den dortigen Christen. Angeblich sind es eine halbe Million von ihnen, die fortzogen. Nicht anders in Jerusalem. Seine 27.000 Christen verminderten sich in 50 Jahren auf 5.000. In ganz Mittelost stellten sie kurz nach 1900 etwa zehn Prozent der Bevölkerung dar. Heute werden sie auf noch fünf Prozent geschätzt. In Irak tobt ein verbissener Sektenkrieg und Iran betrieb über viele Dekaden eine den Christen gegenüber recht unfreundliche Politik.

Licht

Aber es gibt auch positive Anzeichen. Wenn sich Länder in Mittelost nach einer Reihe von Revolten stabilisieren, ergeben sich auch für die Minoritäten, die wie vor 100 Jahren als „Blitzableiter“ herhalten mussten, bessere Lebensumstände. In Ägypten deutete die Coupvolte Mitte 2013 eine antiislamistsche Wende an. Einheimische folgen kaum mehr Islamisten, die den „wahren Islam“ so eng ausdeuten. Viele koptische Kirchen brannten.

Hingegen legte der al-Azhar- Großscheich Ahmad Muhammad at-Tayyib am 20. Juni 2011 sein Dokument eines liberalen Ägyptens vor. Von diesem so genannten Al-Azhar-Dokument ging viel in die Ende 2013 angenommene Verfassung ein. Zwar bildet die Scharia die Hauptquelle des Gesetzes. Doch gesteht Artikel 3 den christlichen und den jüdischen Ägyptern „ihre eigene Scharia“ als Hauptquelle ihrer Gesetze, ihres religiösen Lebens, ihrer persönlichen Verhältnisse und Führerauswahl zu. Was für ein Fortschritt im demokratischen Regierungssystem (Artikel 1). Also adieu, Islamismus und Sozialismus. Beide haben Völker weit von Wegen abgebracht, die den wenigsten Schaden bereiten.

Ende 2013 erklärte der Nilstaat die Muslimbruderschaft zum Terrorverein. Dem folgten im März Saudi-Arabiens König Abdullah, die Emirate und Bahrain. In Kairo gelobte Präsidentschaftskandidat Abd al-Fattah as-Sisi, die Bruderschaft an den Rand zu senden. Am 5. Mai behauptete er, sie folge einer Ideologie, die ein Wahrheitsmonopol wie auch die Sache eines Islamreiches – statt die Ägyptens – beanspruche. Ein überkommener religiöser Diskurs habe dem Islam die Menschlichkeit geraubt. Der „islamische Staat“ sei eine Fiktion. Seine Gegner meinen daher, er wäre „anti-Islam“ und wolle nur Islamisten verdrängen. Was das Volk befindet, werden bis zum Dienstag die Wahlen offenbaren.

Hält der Papst also zur Regelung von Mittelostzwisten an, so gibt es Licht. Die Hauptlast tragen die Völker dort. Friedliche Schritte für Syrien oder gerechte Wege unter Israelis und Palästiensern bedürfen schon einer Ermutigung, womöglich der helfenden Hand. In Amman betonte Franziskus, Gott möge alle vor der Furcht des Wandels beschützen.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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