Schockstarre
Die Tage von Gründonnerstag bis Ostersonntag waren für die Jünger die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle. Von dem Gemeinschaftsgefühl des Brotbrechens beim letzten Abendmahl, der Hoffnungslosigkeit und Trauer des Karfreitags, bis hin zur unsagbaren Freude der Osternacht und des Ostertages. Nach den gefühlsintensiven Tagen der Karwoche ist der Ostermontag der erste Tag, an dem man die Ereignisse rekapitulieren kann und wieder nach vorne schaut. Denn für die Jünger endete am Karfreitag ihr gewohntes Leben. Ihr Wegweiser, dem sie blind vertrauten, stirbt am Kreuz. Der Tag war bestimmt von der Trauer über den Toten und der Orientierlosigkeit bezüglich der Zukunft. Wohin sollten sie gehen? Wie sollten sie weitermachen?
Stunde Null
Und dann beginnt am Ostersonntag die Stunde Null. Eine neue Weltenordnung, eine neue Zeitrechnung. Alles, was sie bisher glaubten zu wissen, wurde auf den Kopf gestellt. Der Tod, von dem sie glaubten, er sei das Ende aller Dinge, entpuppt sich überraschend als Anfang. Plötzlich werden neue Möglichkeiten aufgezeigt, eine neue Richtung tut sich auf. Eine Frage bleibt jedoch unbeantwortet: Was nehmen wir mit von den Ereignissen der vergangenen Tage und was machen wir daraus? Die Jünger aus dem Evangelium haben die Ereignisse noch nicht verinnerlicht, als sie sich auf den Weg nach Emmaus machen. Sie wollen scheinbar nur noch weglaufen, Jesus und seine Gemeinschaft hinter sich lassen. Ihr Neustart funktioniert aber nicht von jetzt auf gleich. Sie müssen die ganzen sechzig Stadien gehen und über das Geschehene reden, um zu verstehen, was für eine Chance in der dunkelsten Stunde vom Karfreitag lag. Und sogleich verspüren sie den Drang, erneut aufzubrechen, um sich wieder der Gemeinschaft der Jünger anzuschließen.
Was können wir für unser Leben mitnehmen?
Wenn der Ostersonntag die Stunde Null ist, dann ist der Ostermontag der erste (neue) Tag. Selten hat die Botschaft des österlichen Triduum (der Tage von Gründonnerstag bis Ostern) so zu unserer aktuellen Situation gepasst wie heute. Auch unser gewohntes Leben wurde aus den Fugen gerissen und zum Stillstand gebracht. Wo eben noch Gemeinschaft gefeiert wurde, ist jetzt Isolation. Viele fühlen sich niedergeschlagen und allein. Durch die ausfallenden Gottesdienste und dem Verbot mit der ganzen Familie und den Freunden zu feiern, ist das Osterfest für viele von uns in diesem Jahr kein Fest der Freude. Da fällt es schwer, die Begeisterung und Aufregung des Ostermorgens mit den Jüngern zu teilen. Wir stecken aktuell noch in der Orientierungslosigkeit fest und können an Aufbruch noch gar nicht denken. Doch irgendwann werden die Maßnahmen und Verbote gelockert werden. Ein Leben nach Corona kann beginnen.
Wie sieht dann unser Aufbruch aus? Wie die Jünger auf ihrem Weg nach Emmaus die Zeit mit Jesus rekapitulieren, sollten wir dies auch mit der Corona-Krise tun. Schließlich hat diese auch viel Gutes entstehen lassen. Man denke nur an die Solidarität und Gemeinschaft, die trotz "social distancing" vielerorts so stark ist. Alte und Kranke rücken wieder in die Mitte unserer Gesellschaft. Pflegerinnen und Pfleger, Kassiererinnen und Kassierer erhalten endlich den Tribut, den sie schon längst verdient haben. Die Botschaft der Ostertage zeigt uns, dass sich selbst in der dunkelsten Stunde neue Chancen und Wege auftun. Diese können aber nur genutzt werden, wann man sie in ihrer Ganzheit, Trauer und Freude verinnerlicht. Auch wenn wir aktuell zu Hause bleiben, ist das Zusammenwachsen der Gesellschaft doch ein erstes Zeichen von Aufbruch.
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