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Orthodoxie und Staat in Russland

Was man in Russland als Rückkehr der Religion bezeichnet, gilt nicht nur für den Islam. Der Rückkehr des orthodoxen Christentums in Russland ist nicht weniger spektakulär. Kritisch wird die Nähe zwischen Orthodoxer Kirche und Staat kommentiert. Anders als im Islam, wo die Gemeinde der Gläubigen und der Staat ein sind, gilt im Christentum das Prinzip der Trennung zwischen dem Staat und der Kirche. Diese ist bereits im Neune Testament festgelegt. Handelt dann die Orthodoxe Kirche in Russland gegen dieses Prinzip, wenn sie sich „in die Arme des Staates wirft“.

Was man in Russland als Rückkehr der Religion bezeichnet, gilt nicht nur für den Islam. Der Rückkehr des orthodoxen Christentums in Russland ist nicht weniger spektakulär. Kritisch wird die Nähe zwischen Orthodoxer Kirche und Staat kommentiert. Anders als im Islam, wo die Gemeinde der Gläubigen und der Staat ein sind, gilt im Christentum das Prinzip der Trennung zwischen dem Staat und der Kirche. Diese ist bereits im Neune Testament festgelegt. Handelt dann die Orthodoxe Kirche in Russland gegen dieses Prinzip, wenn sie sich „in die Arme des Staates wirft“.

Verkommt die russische Kirche nicht sogar zu einer Ideologie und Propaganda Ministeriums des Staates, was ihr von vielen liberalen Kritikern vorgeworfen wird? Oder versucht sie, durch diese Zusammenarbeit mit dem Staat und der Gesellschaft ihre Aufgabe in der Gesellschaft zu erfüllen? Die Kritik, dass die Orthodoxie sich zu stark von dem Staat abhängig macht, ist berechtigt. Aber, kann man in dieser Zusammenarbeit nicht in der Hinsicht etwas Positives abgewinnen, dass die Kirche so der Gesellschaft dienen kann?

Es geht um die moralischen Werte unter den ethnischen Russen

Was eigentlich bewegt die Orthodoxe Kirche, eine engere Zusammenarbeit mit dem Staat zu suchen? Es entspricht zuerst einmal der byzantinischen Tradition der Orthodoxie. Mindestens seit der Zeit des Kaisers Justinian I. Kaiser von 527-569 gilt nach dem Lexikon der Orthodoxie als “Symphonie” zwischen der Kirche und dem Staat. Fragt man heute nach den Gründen, warum die Orthodoxie in Russland heute mit dem Staat enger zusammenarbeitet, sprechen sie von dem „Gefühl einer dringenden Notwendigkeit“. Wenn man hier in Russland von der Krisis der europäischen Zivilisation und ihrem künftigen Kollaps spricht, ist man auch gezwungen zugestehen, dass alle in Europa vorhandenen Probleme hier in Russland in einem noch größerem Ausmaß zu registrieren sind – Krise der Familie, Atomisierung der Gesellschaft, niedrige Geburtenraten. Vor allem sind die ethnischen Russen von diesen Problemen betroffen. Bei den anderen Einwohnern, die den Buddhismus oder den Islam als ihre Religion haben, wie z. B. die Völker des Kaukasus oder Sibiriens, sind die Geburtenraten höher, die Familie ist gesünder, der Alkoholismus wesentlich geringer. Der Grund dafür ist nicht die Wirtschaftslage. Der Hauptunterschied zwischen Russen und den nichtrussischen Völkern innerhalb der Russischen Föderation besteht darin, dass diese ihre “traditionelle Werte” bewahrt haben. Die Werte, die in diesen Ethnien lebendig sind, werden in Russland hoch geschätzt. Sie werden die „Traditionellen Werte“ genannt. In den traditionellen Kulturen ist es nicht üblich, sich scheiden zu lassen, Kinder sich selbst zu überlassen, Familienplanung zu betreibend, dass junge Frauen bis zum Alter von 30 nur an ihre Karriere denken und erst danach, wenn überhaupt, höchstens ein Kind zur Welt bringen. Was wäre die Lösung? Der Antwort lautet: Wiederbelebung des orthodoxen Glaubens und der Traditionen.

Der Werteverfall wird für die neunziger Jahre konstatiert

Der konservative Trend in der Orthodoxie wie in der Gesamtgesellschaft ist die Reaktion auf die Werte der neunziger Jahre, “Freiheit”, “Demokratie” und vor allem “Individualismus”. Diese Werte sind stark negativ besetzt, weil sie in der heutigen Wahrnehmung zum wirtschaftlichen Kollaps und einer tiefgehenden gesellschaftliche Krise geführt haben. Mehr noch, westliche Gesellschaften, die diesen Werten folgen, werden nicht nur als dekadent, sondern auf dem Weg zur Selbstvernichtung gesehen. Deswegen soll die von der russischen Regierung verkündete Wende nach Osten nicht nur die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit den asiatischen Ländern stärken, sondern der Übernahme der Werte dieser Gesellschaften dienen. Dies wird von der Orthodoxen Kirche unterstützt. Das wirtschaftlich aufstrebende China wie auch Indien, kinderreiche muslimische Länder, sollen als Vorbild dienen. Das russische Volk soll daher zu den eigenen, traditionellen Werten zurückkehren. Diese werden von der Orthodoxen Kirche verkündet, die heute gegen Abtreibung, Kinderlosigkeit, Ehescheidung kämpft.

Den Werteverlust der Gesellschaft gemeinsam auffangen

Die Herausforderung auf der Ebene der Werte berührt die gleichen Interessen von Kirche und die Regierung. Sie sehen es als gemeinsames Interesse, sich dieser Aufgabe zu stellen. Die Kirche gesteht ein, dass ohne Hilfe des Staates die Wiederbelebung der orthodoxen Kultur viel schwieriger wird. Deswegen soll der Staat der Kirche helfen – durch Religionsunterricht an den Schulen und durch die Unterstützung der orthodoxen Medien. Die gemeinsame Aufgabe gegenüber der Gesellschaft erfordert aus der Sicht der Orthodoxie die Zusammenarbeit mit dem Staat auf dem Feld der Kultur und der Ideologie.

Eigentlich wird zugestanden, dass Russland keine politische Orthodoxie braucht, sondern orthodoxe Politik, die viel mehr bedeutet als dass ranghohe Politiker an einer Liturgie teilnehmen. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, die Finanzierung der Abtreibungen durch die staatlichen Krankenkassen zu stoppen. Ob es der Kirche gelingt eine solche Kooperation mit dem Statt aufzubauen, die der Gesellschaft wirklich nützt, ohne selbst zur Dienerin der regierenden politischen Klasse zu werden und damit das Vertrauen, dass sie jetzt genießt, zu verlieren, wird die Zeit zeigen.

Vladimir Pachkov

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