Foto: dpa / picture-alliance

Obama und Merkel zu Mittelost

(explizit.net) „Ihr Bürger seid es, die unsere Union stark machen!“ rief Barack H. Obama dem Land zu. Mithin vermied er es, den Zustand der Union „stark“ zu nennen. Dies ginge auch zu weit: Amerika ist schwächer denn je. Durch die Kriegsdekade, Weltwirtschaftskrise, missratene Gesundheitsreform und Mittelostpolitik gebeutelt, „bot der Präsident zwar gut klingende Versprechen an, die indes nicht Amerikas Probleme lösen,“ wie die Repräsentantin Cathy McMorris Rodgers im Namen von Republikanern nach Obamas Rede erwiderte. In der Tat, auf einem Schuldenberg sitzend, wo jeder halbe Dollar geborgt ist, den er ausgibt, und befürchtend, in den Herbstwahlen noch den Senat zu verlieren, verkündet er dennoch ein Durchbruchsjahr. Die Kampfansage: auch ohne die Gegenpartei durch Präsidialorders zu regieren. Aber allein der Kongress genehmigt alle Gelder. Anderntags, Mittwoch, den 29. Januar, gab Angela Merkel ihre Regierungserklärung. Deutschland gehe es so gut wie lange nicht. Laut der Kanzlerin Wachstumsmotor in Europas Mitte, stehe der Mensch im Zentrum. Beider Plus und Minus sei nun nach Selbstsicht, Sozialem und Mittelost erhellt.

(explizit.net) „Ihr Bürger seid es, die unsere Union stark machen!“ rief Barack H. Obama dem Land zu. Mithin vermied er es, den Zustand der Union „stark“ zu nennen. Dies ginge auch zu weit: Amerika ist schwächer denn je. Durch die Kriegsdekade, Weltwirtschaftskrise, missratene Gesundheitsreform und Mittelostpolitik gebeutelt, „bot der Präsident zwar gut klingende Versprechen an, die indes nicht Amerikas Probleme lösen,“ wie die Repräsentantin Cathy McMorris Rodgers im Namen von Republikanern nach Obamas Rede erwiderte. In der Tat, auf einem Schuldenberg sitzend, wo jeder halbe Dollar geborgt ist, den er ausgibt, und befürchtend, in den Herbstwahlen noch den Senat zu verlieren, verkündet er dennoch ein Durchbruchsjahr. Die Kampfansage: auch ohne die Gegenpartei durch Präsidialorders zu regieren. Aber allein der Kongress genehmigt alle Gelder. Anderntags, Mittwoch, den 29. Januar, gab Angela Merkel ihre Regierungserklärung. Deutschland gehe es so gut wie lange nicht. Laut der Kanzlerin Wachstumsmotor in Europas Mitte, stehe der Mensch im Zentrum. Beider Plus und Minus sei nun nach Selbstsicht, Sozialem und Mittelost erhellt.

Sicher, Merkel erklärte ihre Absichten für die 18. Legislaturperiode, Obama hingegen für drei übrige Amtsjahre. Bei ihr gaben danach noch Minister ihre Absicht kund, bei ihm die Gegenpartei ihre Kritiken. Er hat das Forum jährlich; sie, sofern alles hält, letztmalig in vier Jahren. Bei ihm geht es um in Amerika Lebende, bei ihr um die Große Koalition für alle in Deutschland Lebenden. Sein Ansatz basiert auf seinem Präsidialamt, eingebettet in checks and balances des Systems. Sie folgt den Kompromissen eines Koalitionsvertrages.

Selbstsicht

Obama meinte, nach fünf Jahren seiner Präsidentschaft sei kein Land der Welt besser für das 21. Jahrhundert gerüstet als Amerika. Möglichkeiten definierten es. Dieses Projekt müsse jetzt erneuert werden. Über die Hälfte der großen Firmen prüfe, wieder ihre Jobs nach Hause zu bringen. Umgekehrt heißt das aber, mehr als die Hälfte hegen noch viele Arbeitskräfte im Ausland. Freilich sehen solche Datenerheber wie Forbes Amerika nicht mehr als den besten Geschäftsplatz an. Zumeist rangiert es an zwölfter Stelle. Oft werden Steuern und Bürokratie beklagt. Dennoch erklärte Obama, Chinas ersten Platz verdrängt zu haben. Weitere Formeln: Nein zur Einkommensungleichheit, Ja zur Heiratsgleichheit.

Deutschland sei die größte und stärkste Volkswirtschaft Europas. Ihr Kompass wäre die soziale Marktwirtschaft. Merkels „Grundsicherung“ hat einen „dedeerlichen“ Anstrich. Ihr zufolge seien Quellen des guten Lebens die Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, politische Stabilität, wirtschaftliche Stärke sowie Gerechtigkeit. Allen sollen diese Quellen eröffnet werden, um allen bestmögliche Chancen zu erlauben. „Im Zweifel handeln wir für den Menschen.“ Die Exportnation sei der Stabilitätsanker Europas und vielfältig mit anderen Nationen verflochten. Niemand könne sich mehr darauf begrenzen, nur seine Belange zu sehen. Damit überwinde man keineswegs die asymmetrischen Bedrohungen der 9/11-Art.

Amerika ringt global um Exportmärkte für “Made in the USA”. Beide Länder teilen viele Probleme, so Langzeitarbeitslosigkeit, Renten und Energiewenden. Als Washingtons Plus erscheint der Technologievorsprung, den stets eine überaus aktive Immigration nährt. Als Berliner Extra wirkt, endlich Schulden zu bewältigen: der Staat als Ordnungshüter habe seit 2014 einen ausgeglichenen Haushalt. Hernach entfalle jede Nettoneuverschuldung.

Soziales

Merkels enorme Leistung: seit Jahrzehnten, da geradezu selbstverständlich Jahr für Jahr immer neue Schulden gemacht wurden, gebe es nun einen Rekord an Steuereinnahmen; auch deshalb schulde es die Politik den Menschen, mit diesen Einnahmen auszukommen und keine Steuern zu erhöhen oder neue einzuführen. Obama, unter dem sich Schulden verdreifachten, kann davon nur träumen. Bislang scheitert sein Kurs einer bürokratischen Gesundheitsreform mit vielen Steuern. Aber die Opposition bot wenige Alternativen an.

Unter Merkel erscheinen Familien als Herzstück der Gesellschaft. Unter Obama lösen sie sich weiter auf oder gehen in andere Lebensformen über. Diese machen keinen Bogen um Deutschland, wo der legale Mindestlohn von 8,50 Euro (sowie der staatliche in Amerika mit 10.10 Dollar) pro Stunde eintreten. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit solle beiderseits gelten. Nur Berlin verfügte in großen Privatfirmen einen Frauenanteil von 30 Prozent in Führungsgremien. Bedenklich. Amerika schafft die Selbstversorgung an Energie im Mix, Deutschland strebt nur erneuerbare an. Freizügigkeit soll nicht zur „Einwanderung in die Sozialsysteme“ führen. Amerika bleibt uneins, das Einwanderungsregime zu reformieren.

Mittelost

Berlin sei Merkel zufolge fähig, Verantwortung in Europa und der Welt zu übernehmen. Aber gegenüber Mittelost hegt sie gar kein eigenständiges Konzept. Indes dankte sie John Kerry für seine persönliche Leistung. Dieser Außenminister ist sicher überaus aktiv. Was, wenn er sich irrt, Erfolg verfehlt, es den Krieg um Iran gibt? Wo ist die kritische Berliner Idee, wo sind die Alternativen für diese und jene Pläne oder Aktionen? Nichts zu sehen.

Wie Amerikaner hegten Deutsche keine Kolonien in Mittelost. Beider Konstanten waren Selbstbestimmung, Souveränitätsachtung und Diplomatie in Konflikten bis 1914. Geteilt betrieben Deutsche bis zur Globalära eine sekundäre Politik. Wieder vereint, lagen ihnen zunächst Europas Integration und Eurokrise näher. Heute fällt es Berlin schwer, sich mit eigenen Konzepten einzuschalten. Von Osteuropa abgesehen, ist Mittelost ihr nächster Nachbar. Alsbald muss Washington jeden Dollar zweimal umdrehen, sich stärker China, Indien und Brasilien zuwenden sowie Berlin mit Europäern eher Mittelost anheimstellen. Kann Kanzlerin Merkel ihre Prinzipien im Umgang mit den Umbruchländern der Region darlegen? Hat sie Pläne für Wechselfälle, gilt ihr Islamismus als Problem oder wiederholt sie Obamas Fehler, das zu verhüllen? Nichts dazu in ihrer Rede und im Koalitionsvertrag.

Europäer haben eine längere Geschichte und Erfahrung mit asymmetrischer Bedrohung. Wie wollen dies Kanzlerin und Außenminister gegenüber Amerika in Mittelost und in Europa einbringen? Erwecken sie dazu eigene Forschungspotenziale? Obama redet nun von Terroristen, für ihn einst ein Unwort. Er will sie nicht religiös sehen, ein Hauptfehler. Stützt sich Frank-Walter Steinmeiers aktive Außenpolitik auf akademischen Vorlauf? Für Angela Merkel bleibt Amerika kein besserer Partner. Ihr gilt die deutsch-amerikanische Partnerschaft von überragender Bedeutung: die nachfolgende europäische Einigung, die Frieden, Freiheit und Wohlstand brachte, erscheine in diesem Licht wie ein Wunder. Ja, dieses muss gehegt werden. Jedoch, wie Präsident Joachim Gauck in München gleichwohl zu den Nahostkriegen betonte, nicht durch Wegschauen oder Verschweigen, sondern mit universellen Werten vorausschauend. Ebenso durch eine kluge Berliner Mittelostpolitik.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang