Beide erlebten Mittwoch Bemerkenswertes. Der Amerikaner stellte in seiner West Point-Rede auswärtige Leitlinien seiner letzten zweieinhalb Amtsjahre vor. Der Ägypter war an jenem 28. Mai nach dreitägigen Präsidialwahlen sicher, neuer Landespräsident am Nil zu werden. Er soll eine Rolle erfüllen, die der US-Präsident skizzierte. Beide beargwöhnen einander. Barack H. Obama mag nicht autokratische Exmilitärs und Abd al-Fattah as-Sisi liebt weder Zaudern noch Unklarheiten. Aber beide gehen nicht auf Kollisionskurs: zwar ziehen sich Gegensätze an, doch gibt es viele geteilte Interessen. Allen voran stellt Kairo Probleme, die aus dem Ringen gegen die Muslimbrüder folgen, deren Regierungsende -Muhammad Mursi - Volksteile und as-Sisi durch ihre Coupvolte am 3. Juli herbeiführten. Das wollte die US-Administration noch in letzter Minute abwenden, wie as-Sisi kundtat.
Bilanz
Schauen wir zunächst in Obamas Rede vor 1.000 Absolventen der US-Militärakademie in West Point im New Yorker Orange County am Hudson, welche Kernlinien seines Kurses aufscheinen und was davon ab 7. Juni Ägyptens neuen Präsidenten as-Sisi betreffen wird. Obama verglich mit seiner ersten Rede in West Point 2009: er hielt noch 100.000 Mann in Irak, 30.000 Militärs gingen dann zustätzlich nach Afghanistan und Antiterrorschritte betrafen die al-Qaida-Führung und jene, die die 9/11-Anschläge ausführten. Viereinhalb Jahre später bilanziert er keine Truppen in Irak, ähnlich so bis Ende 2016 in Afghanistan, eine dezimierte al-Qaida in Afghanistan und Pakistan, nunmehr ohne Usama Bin Ladin.
Amerika sei die unabdingbare Nation, stärker denn je und weniger Bedrohungen als im Kalten Krieg ausgesetzt. Die Zeit seit 9/11 lehre, daß Technologien und Globalisierung den Terroristen Destruktionsmacht verleihen, die einst für Staaten reserviert war. Übriges erbringen Sofortmedien, die es unmöglich machen, Sektenkrieg, versagende Staaten oder Volksaufstände zu ignorieren. Vor neuen Generationen stehe die Frage, wie nicht nur der eigene Fortschritt, sondern auch der von anderen Nationen samt Frieden zu sichern wäre.
Szenarien
Laut „Realisten“ gingen Amerika die Ukraine, Syrien oder Afrika nichts an. Amerikas Eingreifen, sagen die „Interventionisten“, sei der einzige Weg gegen das Chaos. Obama hielt dagegen, beide Gruppen griffen zu kurz. Sein Mittelweg liege im Selbstinteresse Amerikas, für mehr Frieden und Toleranz die Militärinterventionen zu zügeln und eher auf internationale Allianzen zu bauen. Amerika müsse global führen, denn tue es dies nicht, mache es niemand. Zwar bilde das Militär das Rückgrat, doch könne es nicht die einzige oder erste Komponente sein. Der „Internationalist“ erklärte dann in Leitsätzen, wie Amerika seine globale Führungsrolle erfüllen möge. Militärgewalt, auch alleinig, nur wenn seine Grundinteressen und die der Alliierten berührt werden. Doch sei zu fragen, ob dies proportional, effektiv und gerecht sei, wobei Amerika nie um eine Erlaubnis bitten möge, seine Heimat oder Lebensart zu schützen. Aber es werde alle Institutionen nutzen.
Diffuser Terrorismus sei die Hauptbedrohung. So ändere sich seine neue Gegenstrategie von Intervention zur Kooperation, wo dezentrale Terrornetze wenig gut zu verteidigende Ziele wie Kaufhallen angreifen. Man suche Partner in Netzwerken, die mitkämpfen, etwa in Jemen, Libyen, Mali oder Syrien. Amerika führe durch sein Beispiel und seine Werte.
Outsourcing
Obamas Worte sind verständlich, wenn er Amerika nach Kriegsjahren von Interventionen wegsteuern möchte. Dabei will er die Kampflast in die betreffenden Regionen verlagern, dort die Antiterrorkräfte mobilisieren. In seiner Rede kündigte er an, die Basis für das Antiterrorringen transparenter zu machen. Er muß der Welt ansagen, wie und warum die Drohnen eingesetzt würden. Wenn man es nicht öffentlich erklären könne, dann gewinne die Propaganda der Terroristen, die Legitimität leide und Verdächtigungen erhöhten sich.
Hier liegt eines von Obamas größten Problemen, die er bereits vor einem Jahr in seiner Kernrede nicht zu lösen vermochte. Er gab zwar zu, keine langfristige Antiterror- oder Antiextremismusstrategie zu haben, und dazu einer Debatte zu bedürfen. Aber wenn er als Internationalist Alliierte und Partner zum Antiterrorkampf in Nord- und Mittelafrika oder Asien gewinnen will, auf welcher Grundlage? Damals meinte er Amerika und der Westen stünden nicht im Konflikt mit dem Islam. Er erwähnte, es gäbe eine Ideologie, die dies behaupte, die die überwiegende Mehrheit der Muslime zurückweise, da diese am meisten Opfer von Terrorangriffen wären. Aber wieder nennt er dafür keinerlei Begriffe.
Auf welcher gemeinsamen Grundlage versucht er Abd al-Fattah as-Sisi zu gewinnen, der seinen Wählern eben versprach, die Macht der Muslimbrüder zu beenden? Die Ägypter haben als erste einen monumentalen Kampf gegen deren Ideologie gestartet, da wirkten Vertreter der Administration noch auf deren Seite. Manche tun dies weiter. Sicher ist es richtig, die Übergriffe gegen die Zivilgesellschaft zu beklagen. Doch ist der Kontext zu erkennen, obzwar as-Sisi mit der Wahlverlängerung um einen Tag neuen Streitstoff gab.
Moderate
Doch wenn Obama globale und regionale Antiterrornetze aufbauen möchte, wie lauten dort geteilte Interessen, gegen welche Ideologie geht er an? Er zeigt sich wieder unfähig, über den engeren Antiterrorkampf hinaus eine positive Sicht auf die Welt zu entwickeln, die dieses Ringen in globale Dimensionen einordnet. Das wäre eine Basis von Allianzen. Gegenüber Ägypten, so sagte der Präsident, seien Beziehungen in Sicherheitsinteressen verankert, vom Friedensvertrag mit Israel bis zu vereinten Aktionen gegen gewaltvolle Extremisten. Daher hätte man nicht die Kooperation mit der neuen Regierung beendet. Aber er werde „ständig Druck für die Reformen ausüben, die Ägypter gefordert haben.“
Der Widerspruch: Obama möchte mit as-Sisi kooperieren, kann den gemeinsamen Kurs gegen die hinter dem Terror stehende Ideologie nicht genau erläutern, will aber Kairo am Gängelband halten, um „im Namen der Ägypter Reformen durchzusetzen“. Dies läuft doch schief, Einheimische sind erfahrener. Kann man am Hudson Klahrheit erwarten und könnte diese Administration wohl einige der koalitionären Ideen Tony Blairs aufgreifen?
Abd al-Fattah as-Sisi erbat sich zwei Jahre, den Nilstaat zu stabilisieren. Die Wirtschaft entscheidet über den Ansatz. Angeblich zieht er nicht in einen der acht Präsidialpaläste, sondern in die Salam Villa am al-Ittihadiyyapalast, wo er Interimspräsident Adli Mansur ablöst. Sie achten die Rolle des Islam, wollen ihn entpolitisieren. Neue Ideen notierte as-Sisi in seinem Text „Demokratie in Mittelost“ 2006 in Amerika. Er bejahte dort moderate Wege am Nil und die Demokratie in den Regionalfarben, unterschätzte aber Extremisten.
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