(explizit.net)
Viele warteten, ob die Menschrechtsverfechterin Malala Yusufzai den Friedensnobelpreis erhalten würde. Dass diese Würdigung an die 16-jährige Pakistanerin gehen möge, hatten Initaitiven angeregt. Aber Norwegens Komitee in Oslo sprach den Preis am Freitag der Organisation für das Verbot der Chemiewaffen zu, OPCW. Gegründet 1997 mit Blick auf die C-Waffenkonvention und geleitet seit 2010 durch den türkischen Diplomaten Ahmet Üzümcü, zeigte er sich in seinem Den Haager Sitz glücklich und verantwortlich. Denn in seiner Hand liegt die C-Waffenentsorgung Syriens im Bürgerkrieg. Wie steht es darum?
Als wäre es nicht genug mit diesem 31-monatigen Waffengang, intensivierten sich die Gefechte am Wochenende um die bekannten und vermuteten Depots. Dabei forderte der OPCW-Direktor Üzümcü beide Seiten noch kurz zuvor auf, ihre Kämpfe einzustellen.
Gesamtregelung
Aber das Gegenteil trat ein. Um die Ortschaft Safira, südöstlich von Aleppo, entbrannte das Ringen zwischen den Truppen Bashshar al-Asads und den Rebellen besonders stark. Nach Luftangriffen des Regimes waren 16 Tote zu beklagen. In dem Raum sind die sogenannten Verteidigungswerke und Forschungslaboratorien. Sie gelten weiter als die modernsten, über die das Regime unter 20 Stätten verfügt. Auch Nahrungskonvois mit 50 Wagen haben ihre Last, in der Unischerheit die benötigte Zufuhr nach Aleppo zu bringen.
Eigentlich ist es kaum möglich, im Kugelhagel die Lebensmittel zu verteilen noch die C-Waffen zu beseitigen. Der Druck auf die Sponsoren Amerika und Russland sowie auf den UN-Sicherheitsrat steigt, eine Gesamtregelung zu finden. Wie soll der Entsorgungsverein den Termin zum 1. November halten, bis dahin alle Stätten der C-Waffenproduktion zu zerstören? Auch in Damaskus, von wo aus die Entsorger operieren, geht der Krieg weiter.
Der Sicherheitsrat, der jenen nahen Termin in der Resolution am 27. September gefordert hatte, macht es sich hier zu leicht. Muss erst wieder etwas Schlimmes passieren, ehe man zur Erkenntnis gelangt, die Entsorger gegebenfalls in den Tod geschickt zu haben? Laut dem Pakt zwischen Washington und Moskau soll das Damaszener C-Waffenprogramm bis Ende Juni 2014 beseitigt sein. Und was ist mit den Bedingungen für diese kurze Zeit?
Al-Asad
Es gab immerhin, nun auch laut UN-Inspektoren, Angriffe mit C-Waffen, in denen 1.400 Menschen am 21. August ihr Leben verloren haben. Natürlich nutzt Präsident al-Asad die Lage aus, um unter dem Vorwand, die Orte vor C-Waffen zu beschützen, seine Truppen gegen die zumeist mit der al-Qaida liierten Rebellen in Stellung zu bringen. Gegenüber dem chinesischen Fernsehen behauptete er noch im September, in „voller Kontrolle aller C-Waffen“ zu sein. Allein die Rebellen könnten oder würden gern diesen Prozess stoppen.
In dieser Art legt es der Autokrat darauf an, sich als Agent der Großmächte hinzustellen, der „gegen die Terroristen“ kämpft. Aber er war es sicher, so deute ich den UN-Bericht vom 16. September aus, der den Einsatz von C-Waffen befohlen hat. Die Zeit kommt, ihn und Regimetreue wie Außenminister Walid al-Muallim vor einen Gerichtshof zu stellen.
Dimensionen
Mittwoch traf das zweite Team der rund 100 Entsorger in Syrien ein. Es geht nicht nur direkt um das auf 1.000 Tonnen Nervengas wie Sarin geschätzte Arsenal. Dazu gehören in den kommenden acht Monaten auch die Lager, Mix- und Transportmittel wie Granaten und Raketen. Gleichwohl, Direktor Ahmet Üzümcü weist übertriebene Erwartungen ab. Es handele sich um einen langfristigen und komplizierten Prozess, der Sonntag mit der Demontage und Zerstörung von Komponenten unter der Aufsicht seiner Organisation seit dem 1. Oktober voran ging. Er kann seine Ziele nur eng mit UN Generalsekretär Ban Ki-Moon erreichen, der die Experten einstellt. Diese überwachen es, die Syrer zerstören es.
Noch ist abzuwarten, welche Waffen oder Giftstoffe parallel außerhalb Syriens gebracht und dort in einem mobilen System vernichtet werden. Immerhin kam diese Übereinkunft zwischen Washington und Moskau erst am 14. September zustande. Am selben Tage beantragte Damaskus, dem C-Waffenverbotsvertrag beizutreten, was die mit dem Preis bedachte Organisation für das Verbot der Chemiewaffen nun bestätigte und beaufsichtigt.
Ihre Arbeit gab der Inhalt der C-Waffenverbotskonvention vor. Denn 180 Tage nach der Ratifikation durch 65 Unterzeichnerstaaten nahm am 29. April 1997 diese OPCW ihre Arbeit in Den Haag auf. An jenem Tage setzte auch Deutschlands C-Waffenverbot ein. Als Somalias Beitritt am 28. Juni 2013 in Kraft trat, gehörten der OPCW 189 Staaten an. Übrigens dürfen ihre Inspektoren überall und unangemeldet auftauchen und überprüfen.
Noch nicht haben die C-Waffenverbotskonvention folgende Staaten ratifiziert: Ägypten, Angola, Israel, Myanmar, Nordkorea, Südsudan und Syrien. In Arabien versuchte man seit den 1960er Jahren, dem einst vermuteten Atomwaffenpotenzial von Israel durch C-Waffen asymmetrisch zu begegnen. Aber auch der Opposition. Kairo setzte im Jemenkrieg in jener Dekade C-Waffen ein wie später Irak gegen Kurden. Moskau erwies sich als ein Hauptlieferant, speziell von 1970 bis 1990. Aber auch viele andere Staaten und private Firmen, was Komponenten von Giftstoffen, Anlagen und Trägern betrifft (einige zivil und militärisch, dual-use). So zählt Mittelost zur Region, wo auch sehr viele Waffen der Massenvernichtung verbreitet sind, darunter neben A-/C-Waffen auch noch B-Waffen. Nach Revolten ab 2011 folgten späte Entdeckungen von Arsenalen, darunter in Libyen. In dem Land trugen auch ost-/westdeutsche und französische Firmen zur Aufrüstung bei.
Ersterfolg
Obwohl man nicht die vielen Probleme unterschätzen darf, die schon bestehen oder sich noch erweisen werden, gibt es Grund, Licht am Ende der syrischen Bürgerkriegstunnels zu sehen. Am Dienstag, den 10. Dezember, also an Alfred Nobels Todestag und dem Tag der Preisverleihung an die Organisation für das Verbot er Chemiewaffen, wird man auch bereits eine frühe Bilanz über die Entsorgung der fraglichen Waffen am Euphrat ziehen.
Zu offenen Fragen zählt der Umfang der C-Waffen. Damaskus erklärte am 20. September 30 Stätten, darunter mobile, wobei Washington von über 50 ausging. Unklar ist, ob es Damaskus gelingt, C-Waffen nach Libanon zur Hizballah oder Iran zu verbringen. Krisen sind sicher, weitere Kriege hoffentlich vermeidbar.
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
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