St. Anna-Kirche, Augsburg F: explizit.net

Nicht was Gott, sondern die Menschen wollen

Gerade haben die Jünger ein Aha-Erlebnis: Jesus ist der Christus, der verheißene Heiland. Jesus hält die Jünger nun für reif genug, über seine Zukunft unterrichtet zu werden. Doch wie so oft: Sie versagen wieder. Petrus kann den Weg Jesu nicht ertragen. Und so ist es auch heute: Jeder Jünger steht einmal da, wo Petrus stand. Und Jeus wird ihn wie Petrus zurechtweisen.

Im Nachspiel der Brotvermehrung, die Brotrede bei Johannes, gab es schon einen großen Eklat: Die Schar der Menschen, die mit Jesus umherzogen, wurde kleiner statt größer. Die Aussagen waren zu hart für ihre Ohren. Was er da sagt, das kann nicht sein. Es trennte sich dort auf sehr intensive Weise Spreu und Weizen. Nun aber, die Brotvermehrung ist schon vorüber, der Kreis kleiner, da spricht Jesus unterwegs mit den Zwölf. Er fragt sozusagen das Ergebnis der Brotrede ab: Was sagen die Menschen, was sagt ihr? Petrus gibt die Antwort, wie sie nach der Brotrede steht. Die Jünger allein bekennen ihn als den Messias.

Dort hinein spricht Jesus von seinem Leiden, von der Verwerfung, von seiner Tötung und seiner Auferstehung. Dieses neue Wort hatte er nicht zu der großen Menge gesprochen. Zur großen Menge sprach er positive Worte, Verheißungen, Heilsworte. Zu dem kleinen Jüngerkreis spricht er nun negative Worte, ein übliches Schicksal, Unheil. Es ist eine neue Prüfung: Seid ihr nur im Guten bei mir oder auch im Schlechten?
Uns erschrickt vor allem seine Offenheit. Wer redet heute offen über sein Leid? Wer redet darüber, dass andere Menschen ihn nicht ausstehen können und ihn fertig machen und fallen lassen werden? Wer redet über seinen Tod? Wer redet über seine Hoffnung? Das sind alles Themen, die unter den Teppich gekehrt werden. Aber warum fällt das so schwer? Weil wir wie Petrus sind. Sobald jemand diese Themen anschneidet, bekommt er Vorwürfe gemacht, er oder sie seien Unheilspropheten. Genau das, was Petrus tut. Petrus – ein moderner Mensch? Eher ein Mensch - gestern, heute, morgen.

Offenheit – ein Stichwort unserer Stunde. Die Skandale, die die Kirche erschüttern, verlangen nach Offenheit. Hätten die Kirche nur Offenheit und alles wäre wieder in Butter! Leider nein, ja wirklich nicht, ja gar nicht. Der Skandal des Petrus, das Ärgernis, woran er Anstoß nimmt, ist die Offenheit Christi. Wenn wir von Offenheit reden wollen, dann müssen wir über diese Dinge reden: Leid, Ausschluss aus der Gesellschaft, Tod und Hoffnung auf Auferstehung. Das sind die Themen. Man kann über Missbrauch und Vertuschung immer reden. Und es ist immer richtig und gut. Aber es reicht auch nie. Erst wenn über Leid, Verwerfung, Tod und Auferstehung geredet wird, erst dann nähert sich die Kirche einer neuen Zeit. Erst dann verschwindet die Krise.
Dazu noch ein hartes Wort: Das Bekenntnis des Petrus reicht nicht aus. Wir können den ganzen lieben langen Tag vor uns hinsagen, dass Jesus der Christus ist, der Heiland, der die Welt erlöst. Solange wir nicht auf Leid, Verwerfung, Tod und Auferstehung zugehen, ist das ein leeres, hohles Gefasel. Denn als es mit Leid, Verwerfung, Tod und Auferstehung ernst wurde, wo waren da die Jünger? Half ihnen da das Bekenntnis, Jesus als den Messias zu nennen? Nein! Sie waren nicht unter dem Kreuz. Sie liefen weg. Im Ernstfall hatten sie versagt. Warum sollte es mit uns anders sein? Warum sollte unser Bekenntnis uns mehr helfen? Solange wir nicht unter dem Kreuz stehen, sind wir nur großmäulige, aufgeblasene Möchtegern-Christen.

Petrus macht Jesus Vorwürfe. Wir könnten heute Jesus eine ganze Menge Vorwürfe machen: Warum kein Frauenpriestertum? Warum hast du zölibatär gelebt? Warum keine Wiederheirat? Warum keine Mahlgemeinschaft mit den Protestanten? Warum meinst du, Homosexualität widerspricht dem Heilswillen Gottes? Und soweiter - Wir kennen die Antwort Jesu: «Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.» Wieder erschrickt uns die Offenheit Jesu. Es sind keine Samthandschuhe, die Jesus da herausholt. Er benutzt harte, deutliche Worte. Welcher Christ wagt diese Offenheit und Klarheit? Welcher Bischof?

Ein Blick in die Psalmen und die gesamte Schrift verstärkt dieses Wort. Dort geht es so oft um den Blick Gottes. Man muss in den Augen Gottes sein, um Erbarmen zu finden. Von den Gottlosen, die nichts von Gott zu erwarten haben, zieht Gott seinen Blick ab. Bereits im alttestamentlichen Segenswort, Aaronitischer Segen genannt,  heißt es: «Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten. […] Er wende dir sein Antlitz zu.» Und im Lobgesang der Gottesmutter heißt es: «Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.» Wenn Jesus also diese harten Worte zu Petrus sagt, dann hat Petrus sein Gesicht verloren. Er kann Jesus nicht mehr in die Augen schauen.

Warum so harte Worte? Im Vaterunser hatte Jesus die Jünger gelehrt: dein Wille geschehe. Im Garten Gethsemane musste Jesus selbst an den Rand seiner Existenz gehen, um in den Willen des Vaters einstimmen. Selbst er musste den Gehorsam gegenüber dem Vater lernen. Was Petrus also vorwirft, verstößt gegen den Gehorsam zum Vater. Jesus spricht das wiederum offen aus. «Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.»
Daher diese harten Worte: Am Anfang der Geschichte Gottes mit seinen Menschen, hat der Mensch sich genau dafür entschieden. Der Verlust des Paradieses hat dort seinen Ursprung genommen: Nicht das zu wollen, was Gott will. Der Mensch will seine eigenen Wege gehen. Petrus wiederholt also die Ursünde. Kein Wunder, daß Jesus ihn mit den härtesten und deutlichsten Worten zurechtweist! Diese Situation hier ist sogar schlimmer als die Sünde Adams. Denn im Garten Eden suchte Gott das Angesicht Adams und er verbarg es vor Gott. Adam schämte sich. Hier liegt es umgekehrt. Petrus schämt sich nicht. Er ist schamlos. Daher ist Jesus so hart und klar.

An dieser Stelle unterbricht die Erzählung. Nun werden die Menschen zusammengetrommelt und Jesus tut auch ihnen das Ergebnis der Unterredung mit den Jüngern in einer Quintessenz kund: «Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.» In dem Kreuz da steckt wieder Leid, Verwerfung, Tod und Auferstehung drin. Jesus fordert die Offenheit ein. Und er zieht die Konsequenz: Nur der kann offen sein, der das will, was Gott will, der sagt: dein Wille geschehe, und der demnach seinen Eigenwillen für Gott aufgibt und ihm gehorsam wird. Das nennt Jesus Selbstverleugnung.

Das Buch von der Nachfolge Christi hat diesem Problem ein Kapitel gewidmet: «Viele Christen – und wenig Freunde Christi und seines Kreuzes.» So war es zur Zeit Jesu, so war es im 15. Jahrhundert, so ist es heute und so wird es auch morgen sein.
Die Krise der Kirche schwillt weiter an. Und die Lösungen werden gesucht in Strukturprozessen, Synoden, Bischofskonferenzen und Stuhlkreisen. Abermillionen Sermone hat man gehalten und man redet sich heute noch den Mund fusselig. Bibliotheken von Texten sind gefüllt und allerlei Erklärungen, Memoranden und Manifeste sollen endlich die Wende bringen. Doch darin steht auch nur das, was Petrus bereits getan hat: «Du bist der Messias» und eine Liste mit Vorwürfen. Wobei die Vorwürfe schon der Zeit angepaßt wurden und daher variieren.
Wer eine überzeugende Antwort auf die Krise der Kirche sucht, der sollte das Buch von der Nachfolge Christi von Thomas von Kempen aufschlagen. Dort wird er fündig. Am besten in der Übersetzung von Johann Michael Sailer.

Das Evangelium von Jesus und Petrus


Kategorie: Religion

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