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Nahles rettet die Betriebsrenten gegen die Versicherer

Ministerin Nahles hat „ihr“ Betriebsrentenstärkungsgesetz durch das Parlament bekommen. Mit diesem wird wie in anderen europäischen Ländern eine reine Beitragszusage für betriebliche Altersversorgung möglich. Klein- und mittlere Unternehmen können jetzt betriebliche Altersvorsorge leichter einführen. Das Gesetz, von den Fachleuten einhellig begrüßt, ist gegen massivstes Lobbying der Versicherungsunternehmen und ihrer Verbündeten in der Politik zustande gekommen. Dennoch erscheint es kaum in den Medien und selbst die SPD feiert diesen Erfolg kaum.

Betriebliche Altersversorgung in Deutschland

Altersversorgung wird in Deutschland in den sogenannten „3 Säulen“ durchgeführt:

  • ·         Gesetzliche Rente
  • ·         Betriebsrente
  • ·         Private Rente

Die Betriebsrente oder allgemeiner betriebliche Altersversorgung ist eine Alters-/Invaliden- oder Hinterbliebenenversorgung, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses entsteht. Erste Einrichtungen gab es schon im 19. Jahrhundert. Aktuell gibt es fünf „Durchführungswege“ für betriebliche Altersversorgung:

  • ·         Direktzusage
  • ·         Pensionskasse
  • ·         Unterstützungskasse
  • ·         Pensionsfonds
  • ·         Direktversicherung

Bei einem Teil dieser Durchführungswege wie der Direktzusage erfolgt die Finanzierung im Unternehmen indem Gewinne des Unternehmens einbehalten und Rückstellungen für diese Altersversorgung gebildet werden. Bei anderen wird „außenfinanziert“, d.h. das Unternehmen überweist Beiträge an z. B. einen Pensionsfonds, der diese zur Finanzierung angelegt.

Garantie und Leistungs- vs. Beitragszusage

Ein Kennzeichen der betrieblichen Altersversorgung bis dato war, dass diese zwingend leistungsdefiniert war, d.h. die Höhe der Rente war festgelegt. Üblich für die Rentenhöhe waren feste Beträge oder %-Anteile des letzten Einkommens pro Dienstjahr. Seit ca. 20 Jahren gibt es auch beitragsorientierte Systeme. Bei diesen wird ein Beitrag in eine Leistung (Rente oder Kapitalzahlung) „umgewandelt“ mit Annahme zur Verzinsung und versicherungsmathematischen/aktuariellen Rechengrundlagen (Sterbe-, Invalidisierungswahrscheinlichkeiten etc.). Auch hier ist die Leistung definiert, über die Mindestverzinsung oder die Garantie der einbezahlten Beiträge.
Bei einer reinen Beitragszusage zahlt der Arbeitgeber einen Beitrag, dieser wird angelegt. Die Höhe der Leistung variiert dort gemäß der Wertentwicklung des angelegten Vermögens

Leistungs- vs. Beitragszusage beim Unternehmen

Beim Unternehmen ist die Behandlung der beiden Systeme unterschiedlich. Bei einer reinen Beitragszusage ist der Beitrag aus Ausgabe zu verbuchen und alle weiteren Risiken sind abgegolten.
Bei einer Leistungszusage ist die Verpflichtung in der Bilanz aufzuzeigen und bei den Direktzusagen sind auch aufwändige aktuarielle Gutachten notwendig.

Die „teure“ Direktversicherung

Die Direktversicherung ist eine Leistungszusage, die wie eine reine Beitragszusage in der Bilanz nicht abgebildet werden muss. Auch hier ist die Verpflichtung für den Arbeitsgeber mit der Zahlung der Versicherungsprämie erfüllt. Dennoch ist sie gerade bei klein und mittleren Unternehmen zu wenig verbreitet.
Grund ist, dass die Lebensversicherung gerade für finanziell schwächere oder kleine Kunden, die mit dem Versicherer keine Sonderkonditionen vereinbaren können, ein sehr teures Produkt ist. Die hohen Abschlussprämien (früher 5%) von bis zu 2,5% sind bei Abschluss für die gesamte Laufzeit zu zahlen im Gegensatz zu anderen Versicherungen, bei welchen die Provisionszahlung kontinuierlich erfolgt. Wird der Lebensversicherungsvertrag unterbrochen, so wird diese Abschlussprämie nicht anteilig zurückgezahlt und der Wert der Versicherung ist viel geringer als erwartet, da dann ein größerer relativer Anteil der Prämien in die Abschlusskosten geflossen ist. Zum anderen kalkulieren Versicherer Garantien also eine garantierte Verzinsung mit ein. Diese Garantien erfordern Sicherheitszuschläge, so dass der Wert der Leistung ebenfalls sinkt.

Reine Beitragszusage werden Bewegung bei den Kosten erzeugen

Im neuen Gesetz sind reine Beitragszusagen in der betrieblichen Altersversorgung für die Durchführungswege Pensionskassen, Versicherungen und Pensionsfonds zu gelassen.
Pensionsfonds und Pensionskassen dürften wie Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, bei den Abschluss- oder auch Verwaltungskosten deutlich unter denen einer Versicherung sein. Wahrscheinlich werden aber auch die Versicherer diese beginnen zu senken um konkurrenzfähig zu sein.

Der Kampf um das neue Gesetz

Dem Gesetz waren heftigste Diskussionen vorausgegangen. Der Verband der Versicherer, die Deutsche Aktuarvereinigung DAV e.V. und Teile der CDU sangen das hohe Lied der Garantien, einer der Kernkompetenzen der Versicherer. Das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen IVS e.V., die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung aba und Teile der SPD forderten, dass endliche wie in vielen angelsächsischen Ländern Beitragszusagen möglich seien und die betriebliche Altersversorgung sich weiter verbreitet. Die Tonlage in der Versicherungsmathematik zwischen der DAV und dem IVS war ungewöhnlich angespannt.

Der Vorsitzende der aba Heribert Karch brachte es deutlich auf den Punkt : „Die strikt garantiefreie Definition der Beitragszusage ist fachlich völlig schlüssig und weltweite Praxis. Sie muss unverzüglich eingeführt werden.“

CDU treibt Lobbying für die Versicherungen ohne wirtschaftlichen Sachverstand

Die CDU nennt wirtschaftlichen Sachverstand als eine Ihrer Kernkompetenzen: Selten in Ihrer Geschichte hat sie ihn in einer wirtschaftlichen Frage so vermissen lassen. Sie hat das Interesse der Versicherungswirtschaft den Markt der betrieblichen Altersversorgung abzuschotten massiv unterstützt und deren Argumentation „nachgebetet“.

Die SPD zeigt wirtschaftspolitischen Sachverstand und korrigiert Fehler der Schröderzeit

Die SPD hat nach die betriebliche Altersversorgung wie sie unter Kanzler Schröder konzipiert wurde (Riester- oder Rüruprente) endlich zu Gunsten von Kostentransparenz und des besseren Zugangs der der Mittelschicht und klein- und mittelständischen Unternehmen korrigiert. Zudem hat sie die betriebliche Altersversorgung in Deutschland endlich an internationale Standards angepasst.

Fazit: Wenn die SPD nicht ihre wirtschaftlichen Erfolge vermarkten kann, sieht es für die Wahl schlecht aus

Hinsichtlich der Wirtschaftskompetenz scheint eine „verkehrte“ Welt auf. Die SPD zeigt in einer Kernfrage hohe wirtschaftliche Kompetenz, korrigiert eigene Fehler und die CDU treibt plumpstes Lobbying für die Versicherer. Aber die SPD bringt diesen Erfolg kaum in den Medien unter. Das verheißt für den Wahlkampf gar nichts Gutes zumindest für die SPD.


Kategorie: Monatsthema

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