Sinai-Halbinsel

Multikrisen in Afrika, Amerika und Europa

(explizit.net) Ägypten ergriff eine Gewaltwelle am vierten Jahrestag der Revolte vom 25. Januar, einst gegen Präsident Mubarak gerichtet. Bomben trafen in al-Arish, Nordsinai, Donnerstag Gruppen von Wehrpflichtigen, von denen über 30 getötet und 80 verwundet wurden. Laut „al-Ahram Weekly“ gab sich die Gruppe Ansar al-Bait al-Maqdis verantwortlich. Auch Washington hatte diese “Anhänger Jerusalems“ am 9. April auf den Index gesetzt, ihnen Angriffe auf Sinai, am Sueskanal und Sympathien für al-Qaida angelastet. Am Nil gilt sie auch als Zweig der Muslimbrüder, der sich zudem mit dem „Islamstaat“ liiert haben soll. Präsident as-Sisi flog eher vom Gipfel der Organisation für Afrikanische Einheit in Addis Abeba heim, der 7.500 Mann gegen Boko Haram in Nigeria und Kamerun einsetzen will.

(explizit.net) Ägypten ergriff eine Gewaltwelle am vierten Jahrestag der Revolte vom 25. Januar, einst gegen Präsident Mubarak gerichtet. Bomben trafen in al-Arish, Nordsinai, Donnerstag Gruppen von Wehrpflichtigen, von denen über 30 getötet und 80 verwundet wurden. Laut „al-Ahram Weekly“ gab sich die Gruppe Ansar al-Bait al-Maqdis verantwortlich. Auch Washington hatte diese “Anhänger Jerusalems“ am 9. April auf den Index gesetzt, ihnen Angriffe auf Sinai, am Sueskanal und Sympathien für al-Qaida angelastet. Am Nil gilt sie auch als Zweig der Muslimbrüder, der sich zudem mit dem „Islamstaat“ liiert haben soll. Präsident as-Sisi flog eher vom Gipfel der Organisation für Afrikanische Einheit in Addis Abeba heim, der 7.500 Mann gegen Boko Haram in Nigeria und Kamerun einsetzen will.

Überall geht der Tod um. Oft trifft es Unschuldige. Dies war am Vorabend des Jahrestags der Lotusrevolte so, als unter 23 Toten und 50 Verwundeten auch Shaima as-Sabagh war. Vor den laufenden Kameras und in den Armen eines sie abstützenden Helfers starb sie: Kugeln durchbohrten ihre Lungen. Diese 30jährige Aktivistin trug Blumen mit Freunden der linken Opposition zum Kairiner „Platz der Befreiung“. Solche und ähnliche Zwiste in der jüngsten Blutwoche am Nil füllen Seiten. Viele fallen zwischen die Fronten, wo eine Seite, so Abd al-Fattah as-Sisi gegenüber „al-Ahram“ in Addis Abeba, Staat und Bürger bilden. Auf der anderen Seite, so der Präsident, operierten die Muslimbrüder – „in zwei Jahrhunderten eine der global gefährlichsten Geheimorganisationen.“ Jedoch werde er sich nicht den Terrorwellen beugen. Er bat die Medien, einen positiven Geist zu wahren.

Hamas

Samstag, am 31. Januar, stufte ein ägyptisches Gericht den Militärarm der Hamas, also die Izz ad-Din al-Qassam-Brigaden als „Terrorverein“ ein. Sie hätten auch Waffen in den Ghaza-Streifen geschmuggelt. Laut Kairiner Militärbehörden und Richter Muhammad as-Sayyid zerstörten die Ägypter bislang 1.600 Schmuggeltunnel. Jene Brigaden starteten auch Angriffe auf Sinai, wo 33 Personen getötet worden seien, „um den Muslimbrüdern“ zu helfen. Kairo hatte die Hamas als Dachorganisation bereits am 4. April 2013 verboten.

Indes entfernte die Europäisch Union, dem Gerichtsurteil vom 17. Dezember folgend, die Hamas vom Terrorindex. Angeblich sei deren Präsenz auf der Schwarzen Liste seit 2002 mehr durch Medien und Internet, weniger durch Fakten bestimmt gewesen. Das Gericht hatte aber deren eingefrorene Vermögen auf weitere drei Monate einbehalten. Hingegen beschlossen nun die 28 Mitgliedstaaten am Montag, den 19. Januar 2015, zu appellieren.

Wie es die seit 1. November amtierende Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte, beruhe das vorherige Urteil auf prozeduralen Aspekten und berge keine Aussage über die Einstufung der Hamas als terroristische Organisation. Zudem wolle die Union absichern, dass solche Gerichtseingriffe künftig vermieden würden. Hamas wird also für die Zeit der Appellation weiter auf dem Index rangieren und nicht über ihre Fonds verfügen können, solange bis ein endgültiges Urteil gefällt wird. Ihr Sprecher Sami Abu Zuhri meinte dazu, die Europäische Union hege „totale Vorurteile zugunsten der israelischen Okkupation“.

Jedoch erinnern sich Beobachter, wie die Hamas durch ihre vermehrten Raketenangriffe auf Israel sowie den Mord an drei israelischer Teenagern den Zwei-Monate-Krieg ab 7. Juli 2014 provozierte. Dies beendete die vorherige Feuerpause vom 21. November 2012.

Zwei große Übel

Im Lichte dieser Ereignisse um Terrorvereine wie Boko Haram, Ansar al-Bait al-Maqdis, „Islamstaat“ und Hamas in Mittel- und Nordafrika sowie auf der Halbinsel Sinai und nun in Europa – „Charlie Hebdo“ –, gab es am Potomac vier bemerkenswerte Ereignisse. Der Vizepressesekretär des Weißen Hauses, Eric Schultz, äußerte am 28. Januar, die Taliban seien kein Terrorverein, sondern eine Aufstandsgruppe. Dreht man dies derart, entgegen der eigenen Verfügung nach 2001, wo die Taliban sowohl auf dem Index des Finanz- als auch des Außenministers stehen, hätte das Weißen Haus gar nicht gegen seine Prinzipien verstoßen und nicht mit Terroristen verhandelt, als es am 31. Mai 2014 fünf Taliban aus Guantánamo Bay gegen den Gefangenen Bowe R. Bergdahl austauschte. Dieser Dreh ist aber unhaltbar wie die „Gewalt am Arbeitsplatz“ bei Ford-Hood Attentäter Nidal Malik Hasan. Vielmehr deutet dies Probleme im Weißen Haus an, den probaten Kurs zu finden.

Punkt zwei, Medien zufolge besuchte das Statedepartment am 26. Januar eine ägyptische Delegation, der Muslimbrüder angehörten. Anderntags weilten fünf dieser Gäste auch im Kongress. In dem Moment, da Ägypten tiefe Zwiste durchläuft, erklingen aus Amerika schräge Töne, die an den alten Kurs gegen as-Sisi erinnern. Moderate Islamisten? Am 27. Januar erließen die Muslimbrüder einen Aufruf, der in der neuen Phase einen sehr langen Jihad und Märtyrertum fordert. Erinnert wird an den Geheimapparat, an-Nizam al-Khas, den deren Gründer Hasan al-Banna schuf, an die Jihadtrupps, die er nach Palästina gegen die „usurpierenden Juden“ sandte und an Gruppen seines Nachfolgers Hasan al-Hudhaibi aus dem Geheimapparat gegen die Briten, um „die Okkupanten auszubluten“. Zwei Tage, nachdem dieser Aufruf erschien, erfolgte der eingangs erwähnte Anschlag im Nordsinai.

Verwirrung im weißen Haus

Das Weiße Haus, so scheint es, verliert an Führungskraft. So viel Verwirrung entsprang diesem Ort lange nicht mehr. Um eine neue Strategie zu bedenken, trafen sich im Senat am 29. Januar, mein dritter Punkt, drei vorherige Außenminister: Madeline J.K. Albright, George P. Shultz und Henry A. Kissinger. Letzterer sagte, so eine multiple Krise wie die heute gab es seit dem Weltkriegsende nicht mehr: in Staaten, zwischen Staaten und unter Ethnien und Sekten. Dies führe zum Phänomen „Islamstaat“, der im Namen des Kalifats eine Machtbasis schaffe, um alle existierenden Strukturen zu beseitigen. Amerika habe immer Probleme gehabt, eine Nationalstrategie zu finden, war es doch hinter den beiden Ozeanen sicher. „Wir reagierten und gingen wieder nach Hause.“ Wegen dieser multiplen Krisen, sei eine dauerhafte Strategie geboten, nach den Werten, allein sowie in Allianzen.

Viertens, am 29. Januar billigte das Bankenkomitee im Senat, 18 zu vier Stimmen (sechs Demokraten dafür), ein Gesetz, Teheran Sanktionen aufzuerlegen, sollte es nicht bis 24. März ein Abkommen gegen den Griff nach Nukes geben. Kundige zählten 16 Senatoren der Demokraten und 52 der Republikaner, die fortan Obamas Veto überstimmen könnten.

Kanzlerin Merkel betonte - Montag, den 26. Januar - am Vorabend 70. des Jahrestags der Befreiung des Todeslagers Auschwitz-Birkenau durch Sowjetsoldaten nicht allein diese Mahnung, was Menschen anderen Menschen antun können, und Auschwitz als grausame Zäsur in der gesamten Geschichte, also: „Nie wieder!“ Sondern sie erklärte mit Blick auf die Pariser Anschläge gegen Meinungsfreiheit und Juden, „zwei der großen Übel unserer Zeit: islamistischer Terrorismus und Antisemitismus.“ Wüten beide zunehmend vereint?

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>

Foto: Kaidor on Wikimedia Commons, en.wikipedia.org/wiki/Sinai_Peninsula



Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang