(explizit.net) Medien-Kolumne: Wie man die Aufmerksamkeit für ein 31. Millionen-Projekt immer mehr steigern konnte
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Ganz Deutschland ist über ein Bauvorhaben erregt, das bei weitem nicht den Umfang des Berliner Flughafens oder von Stuttgart 21 erreicht. Es ist im Unterschied zu diesen Projekten sogar fertiggestellt und hat ganze 31 Millionen gekostet. Wie schafft man es, mit einem solchen vergleichsweise harmlosen Projekt zu einem ARD-Brennpunkt und einer ZDF-Sondersendung in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Nachrichten zu kommen? Kirchliche Würdenträger vermuten eine abgekartete Medienstrategie gegen die Katholische Kirche. Aber können die Medien, ohne Mithilfe der Limburger Akteure, eine solche Aufmerksamkeit erzwingen, die die Bauten auf dem Domberg nicht nur unter den Angehörigen dieses Bistums, sondern unter den Katholiken der Republik zu einem Dauerthema werden ließ. Die Medien, vor allem die FAZ, befeuern mit immer neuen Informationen, "Enthüllungen" das Gespräch.
Die Dramaturgie erzeugt erst Aufmerksamkeit
Das Limburger Bistum hat sich einer einfachen, aber immer erfolgversprechenden, Strategie bedient, um die hohe Aufmerksamkeit zu erzeugen: Man muss eine kontinuierliche Steigerung über Monate inszenieren. Anfangs war von zwei Millionen die Rede, das war 2009, dann wurde von fünf Millionen gesprochen, auf einmal stand die Zahl von zehn Millionen im Raum. Da hätte nach allgemeinem Empfinden Schluss sein müssen, denn es wurde ja kein Flughafen noch ein Hochhauskomplex gebaut, sondern einige Fachwerkhäuser renoviert und baulich erweitert. Dann machte eine Zahl von 17 Millionen die Runde. Als dann plötzlich 31 Millionen als Bausumme an die Öffentlichkeit gebracht wurden, stand das Urteil bei jedermann fest: Das ist eindeutig zu viel. Dann mussten natürlich die Details gesucht werden, um die hohe Summe zu erklären. Die viel zitierte Badewanne von 15.000 Euro konnte es nicht sein, um den Millionenbetrag zu erklären, aber sie ließ sich so schön erzählen, da jeder abschätzen kann, was eine ordentliche Wanne kosten darf. Für den Moment wirkt die vom Bistum betriebene Dramaturgie von 5 auf 30 Millionen perfekt. Es ist nicht anders wie bei einem Thriller: "Man legt immer noch eins drauf." Wer hat aber draufgelegt? Waren es wirklich die Medien?
Die Beteiligten haben die Medien gefüttert
Was allgemein als Recherche der Medien betrachtet wird, nämlich immer neue Einzelheiten zu bringen, war gar keine Leistung der Medien. Die Informationen wurden entweder im direkten Gespräch oder in Form von Dokumenten den Medien zugespielt. Dass die FAZ und nicht die Frankfurter Rundschau oder der Spiegel mit Informationen versorgt wurden, zeigt direkt, dass die Informationen aus dem Personenkreis des Bistums stammen. Denn es gibt eine gewachsene Verbindung gerade der Katholischen Kirche zu dieser Zeitung. Der Vorgänger des jetzigen Bischofs, Franz Kamphaus, erhielt von der Zeitung ganze Seiten, um zu gesellschaftlichen Themen fundiert Stellung zu nehmen. Die Redakteure, die von kirchlichen Würdenträgern der Hetze verdächtigt werden, sind kirchlich sehr gut vernetzt und wurden daher nicht nur mit Informationen versorgt, sondern auch mit dem Ärger vieler engagierter Katholiken konfrontiert. Zwar hatte der Bauherr, der Limburger Bischof, seine Mitarbeiter, die mit dem Bau befasst waren, einer Schweigepflicht unterworfen, jedoch nicht das Domkapitel. Dieses wichtige Gremium war bis 2011 das Kontrollorgan für die Gelder des Bischöflichen Stuhls. Sie wurden vom Bischof entpflichtet, um drei Personen als Verwaltungsrat zu installieren. Anders als die Mitglieder dieses Rates konnten die Domkapitulare aus der Nähe den Umfang der Bauarbeiten beobachten. Ein Mitglied des Domkapitels, der Frankfurter Stadtpfarrer, hat dem ZDF ein Interview gegeben, in dem er Konsequenzen verlangte. Als der Bischof ihm den Amtsverzicht nahe legte, kam es zu einer Unterschriftenaktion für den Dompfarrer. Auch der vom Bauherrn eingesetzte Verwaltungsrat hat sich nicht mehr an das Schweigegebot gehalten. Es ist wie bei allen Skandalen. Die Verantwortlichen geben nicht sofort alle Daten der Öffentlichkeit weiter, so dass intern die Leute, die mit dem Handeln der Leitungsperson nicht einverstanden sind, die Medien weiter versorgen. Mit viel kleineren Beträgen ist der frühere Bundespräsident in gleicher Weise gescheitert. Erst als Mitglieder dieses Rates Einzelheiten an die Medien weitergaben, konnte die öffentliche Empörung so hohe Wellen schlagen. Ehe diese in den Blick genommen wird, soll noch ein dritter Faktor, der zu dieser Medienhype geführt hat, dargestellt werden.
Die Medien wurden von Mitgliedern des Bistums instrumentalisiert
Der Frankfurter Stadtpfarrer war nicht der einzige, der wegen der Unzufriedenheit mit der Bistumsleitung Konsequenzen verlangte. Nach Aussage von Kennern der Limburger Gemengelage hat das Domkapitel sich an den Nuntius gewandt. Ohne dass es in die Berichterstattung der Medien einfloss, hat es häufig Gespräche über Entscheidungen des Bischofs gegeben. Offensichtlich haben diese Personen dann die Medien eingeschaltet, als die Gespräche in ihren Augen nicht zu einer Verbesserung der Situation geführt haben. Es ist also nicht so gewesen, dass die Medien eine Kampagne gegen den Limburger Bischof in Gang gesetzt haben, der dann viele gefolgt sind, sondern die Unzufriedenen, die durch direkte Gespräche nicht erreichen konnten, was sie verändern wollten, haben die Medien eingesetzt. Das erklärt aber noch nicht die Wut.
Das Wutpotential führt zu Verunglimpfung
Man kann den Medien mit Recht vorwerfen, dass sie nicht nur Sachverhalte dargestellt, sondern in eine Polemik verfallen sind, die die Persönlichkeitsrechte des Angegriffenen nicht mehr achten und alles andere als „fair“ bezeichnet werden kann. Hier muss es zu einer Besinnung und auch zu einer Entschuldigung kommen. Jedoch sollten die Verantwortlichen der Kirche auch ihr Verhalten überprüfen. Einmal hat der Bischof von Limburg die Medien dadurch gegen sich aufgebracht, weil er nach kritischen Berichten für seine Dienststellen die Abonnements zuerst der Limburger Lokalzeitung und dann die FAZ kündigte. Da sollte man sich schon eine geschicktere Strategie ausdenken, denn die Medien haben das als Einschüchterungsversuch gesehen. Sie fühlten sich in dem neuralgischen Punkt, nämlich der Freiheit der Berichterstattung getroffen. Zudem wurde beklagt, dass „kritische“ Journalisten zu Presseterminen nicht eingeladen wurden.
Es bleiben weiter Äußerungen von hohen Würdenträgern, die den Medien eine Kampagne unterstellen, nicht ohne Wirkung. Als Antwort auf diesen Vorwurf erscheinen einfach mehr Artikel mit immer mehr Einzelheiten, die den kirchlichen Kritikern beweisen, dass die Vorgänge noch gravierender sind als bisher dargestellt. Das befeuert die oben beschriebene Dramaturgie. Inzwischen stoßen selbst Kollegen des Limburger Bischofs in das gleiche Horn, so dass sich die Medien bestätigt fühlen müssen. Offensichtlich ist es den Medien gelungen, selbst Bischöfe zu Stellungnahmen zu bewegen, anstatt sich abwägend zu äußern.
Es muss aber noch um mehr gehen, um die Wut zu erklären. Dazu ein Symptom, nämlich die Reaktion auf die Verstrickung der Grünen in die Strategie der Pädophilen. Die FAZ hat hier umfassend berichtet, ohne dass sich der gleiche Sturm der Entrüstung wie im Jahr 2011 gegen die Katholische Kirche erhob. Diese hat nur Vorgänge vertuscht, Pädophilie aber nicht zum Programm erhoben. Gegenüber der Selbstbereicherung von Investmentbankern sind die Ausgaben für den Limburger Domberg peanuts. Zwar hätte das Bistum dieses Geld besser in Kindergärten und Rampen für den Zugang von Behinderten in den Kirchenraum anlegen können, aber der Steuerzahler ist nicht zur Kasse gebeten worden. Es muss an der Kommunikation liegen, wie die Katholische Kirche mit der Gesellschaft über Werte redet. Obwohl Tebartz van Elst ein junger Bischof ist, hat er alte Ressentiments gegen die katholische Kirche wieder aktiviert. Zugleich dürfte er zum Sündenbock für viele moraline Predigten, Beschimpfungen von Kanzel und durch Presseerklärungen geworden sein. Auf ihn ist wohl ein Gewitter niedergegangen, das der ganzen Katholischen Kirche in Deutschland gilt.
Bei Katholiken kommt noch eines hinzu: Man erwartet von seiner Kirche, dass sie die Lösung von Problemen nicht den Medien zuschiebt, sondern selbst in die Hand nimmt. Bereits die frühe Kirche hatte mit Problemen zu kämpfen, die den heutigen vergleichbar sind. Damit etwas geschieht, hat sie sich eine Gemeinderegel gegeben. Sie steht im 18. Kapitel des Matthäusevangeliums:
<emphasize>Sündigt aber dein Bruder an dir, </emphasize>
<emphasize>so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein.</emphasize>
<emphasize>Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.</emphasize>
<emphasize>Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei dazu,</emphasize>
<emphasize>damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde.</emphasize>
<emphasize>Hört er auf die nicht, so sage es der Gemeinde.</emphasize>
Was den einfachen Katholiken wie den Priestern und Hauptamtlichen seit Wochen ein Rätsel ist, warum die Bischöfe ihm auch dann nicht zur Seite gesprungen sein, als deutlich wurde, dass er sich aus dem Netz der Anschuldigungen nicht selbst befreien konnte. Der Bischof, der ihn geweiht hat, Reinhard Lettmann, ist gestorben, aber es gibt die Bischöfe in der Nachbarschaft und den gewichtigen Erzbischof von Köln, Kardinal Meisner, dem doch am ehesten eine brüderliche Beistandspflicht zuzusprechen ist. Offensichtlich hat man wie in der Politik gehandelt und zugesehen, wie einer „verbrannt“ wird. Da ist das verständlich, weil viele auf einen freiwerdenden Sessel spekulieren. Es ist nicht zu erkennen, dass das für den Limburger Bischofsstuhl gilt.
Jeder Streitfall, der so viele Emotionen weckt, hat mit tiefliegenden Problemen zu tun. Wahrscheinlich schließt der Streit um den Limburger Domberg eine Epoche der Kirchengeschichte ab. Von dem ansehen, dass sich die Katholische Kirche durch Kulturkampf und ihren Widerstand gegen den Nationalsozialismus erworben hat, ist fast nichts mehr übrig geblieben. Man könnte einfach mal nach Frankreich schauen, dort gibt es eine leidvolle Geschichte zwischen Kirche und Republik, aus der die französische Kirche wohl herausgefunden hat. Für künftige Vorgänge sollte man vier Punkte festhalten, die schon für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle u.a. nicht beachtet wurden:
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1. Scheibchenwiese Information an die Öffentlichkeit erhöht die Spannung und verstärkt die Emotionen.
2. Die Kirche bekommt öffentliche Gelder, auch Spenden sind nicht privat zu behandeln. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, über die ordnungsgemäße Verwendung der Gelder informiert zu werden.
3. Geheimhalten lässt sich nichts, es sind die eigenen Leute, die es an die Medien weitergeben.
4. Wenn man die Medien angreift, zwingt man sie, sich zu rechtfertigen. Immer mehr Einzelheiten werden ans Licht gebracht.
5. Wenn die Kirche ihre Probleme nicht selbst zu lösen vermag, gibt es genug Leute aus den eigenen Reihen, die die Medien zur Lösung des Problems einschalten.
6. Der Wutfaktor hat den Bischof von Limburg auch stellvertretend für die ganze Katholische Kirche in Deutschland getroffen.
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Ein guter Ansatz ist, dass erst das Bistum Essen und dann die Bistümer Hildesheim und Münster (mittlerweile auch weitere Bistümer) die Finanzen der jeweiligen Bischöfsstühle komplett veröffentlicht haben. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Transparenz, vor allem von der Kirche, da die Bürgerinnen und Bürger durch Kollekten, Spenden und Kirchensteuer diese mitfinanzieren.
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<emphasize>Eckhard Bieger S.J. </emphasize>
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