Foto: Diözesanarchiv Limburg

Limburger Autobahnbrücke: viermal gebaut

Wer von Frankfurt oder Köln kommend darüber fährt – täglich im Schnitt 105 000 Fahrzeuge – kann einen einzigartigen Blick auf das mittelalterliche Stadtbild Limburgs mitnehmen. Doch das Besondere der Autobahnbrücke: sie wurde gleich viermal gebaut: 1939 – 1949 – 1965 – 2016/17.

Die erste Brücke wurde von dem Architekten Paul Bonatz geplant und ausgeführt: als Einheit von Natur, Technik und Architektur. Was damals Fachleute wie Laien faszinierte, war, dass er seine Brücke diskret in die Landschaft komponiert hat, nicht so wuchtig und als Denkmal gedacht. Sie sollte eben nicht die Landschaft dominieren.

Ästhetische Wirkung der ersten Brücke

Ein nicht zu unterschätzendes Charakteristikum für die ästhetische Wirkung der Lahntalbrücke war die Verkleidung ihrer Stahlbetonkonstruktion mit Natursteinen, die ausdrücklich mit den Gesteinsarten des Domes und anderer Bauwerke in Limburgs Umgebung übereinstimmen sollten. Deshalb war es erforderlich, diejenigen Steinbrüche herauszufinden, die früher für die näher untersuchten Bauwerke Steine geliefert hatten. Sie wurden im Westerwald in Selters, Wölferlingen und anderen Orten gefunden. Damit aber war des Aufwands nicht genug. Um eine Vorstellung davon zu gewinnen, wie das fertige Mauerwerk einmal aussehen könnte, ließen Architekt und Ingenieure einige Probepfeiler mit verschiedenen Steinen und Mauerwerksarten errichten, ehe die Entscheidung für grau-gelbliche Trachyt- und grau-schwarze Phonolythsteine – insgesamt 21 500 Kubikmeter –getroffen wurde. Für die Sockel und unteren Teile der Pfeiler wurde Villmarer Lahnmarmor ausgewählt.

Nach nur zweieinhalb Jahren war die Brücke fertig gestellt, für die damalige Zeit ein Schnelligkeitsrekord. Bei ihrem Bau und dem der Autobahn kamen zeitweilig bis zu tausend Zwangsarbeiter aus dem Sudetenland und dem "Reichsprorektorat Böhmen-Mähren" zum Einsatz. Weitere Fakten: Die Autobahnbrücke hatte eine Länge von 514 Meter, besaß zwei Fahrbahnen in jeder Richtung, war 60 Meter hoch und überquerte mit 13 gleichmäßigen, an die Romanik erinnernden Rundbogen das Lahntal. Sie galt als Wunderwerk der Technik und als schönste Bogenbrücke Deutschlands.

Keine "Straße des Führers"

Obwohl die Nationalsozialisten die Autobahn samt Autobahnbrücke Limburg gebaut haben, war sie keine "Straße des Führers", wie damals die Autobahnen allgemein genannt wurden. Sie war ursprünglich ein Projekt des Erfinders der Autobahn, Willy Hof aus Limburg, der mit der Gesellschaft "HaFraBa" – Hamburg-Frankfurt-Basel –  eine Autobahn zwischen diesen Städten erbauen wollte. In der Weimarer Republik warb er bei vielen Landesregierungen für sein Anliegen, konnte aber keine staatlichen Mitstreiter finden. Nur ein Teilstück zwischen Bonn und Köln wurde realisiert, worüber der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer meinte: "Das sind die Straßen der Zukunft." Nach der Machtübernahme der Nazis konnte Hof seine Pläne zweimal dem Diktator vorstellen, der dann eine eigene Gesellschaft zum Bau der Reichsautobahnen veranlasste. Hof wurde dabei eine Zeitlang beschäftigt, aber, als dem Regime kritisch Gegenüberstehender, wurde er nach einiger Zeit entlassen und die Gesamtleitung der Autobahn- und Brückenbauten ging über an die Organisation Todt. Willy Hof konnte aber noch erwirken, dass die Autobahn nicht über Diez geführt wurde, sondern vorbei an "seiner Vaterstadt". So kam es überhaupt zum Bau der Autobahnbrücke.

Die Zerstörung

Nach dem Willen ihrer Erbauer sollte die alte Autobahnbrücke „Jahrhunderte überdauern“. Doch sie blieb nur knapp sechs Jahre stehen – in der Nacht vom 26. auf den 27. März 1945 wurde sie, wie gleichfalls die alte Lahnbrücke aus dem 15. Jahrhundert, von einer Spezialeinheit der Wehrmacht gesprengt, um den amerikanischen Truppen den Vormarsch Richtung Frankfurt zu erschweren. Folge des Einsturzes: die Trümmer bildeten eine Staumauer quer durch die Lahn, sodass das weite Talbecken von Dietkirchen und Dehrn bis Eschhofen zu einem gewaltigen See wurde. Die Trümmer der Brücke blieben noch fast zwölf Jahre an den Ufern liegen – bis zum Beginn der Bauarbeiten für die neue, dritte Autobahnbrücke Ende der 50er Jahre. Sie wurden dann zur Uferbefestigung von Lahn und Rhein verwendet.
Architekt Paul Bonatz schreibt über die Zerstörung der alten Limburger Autobahnbrücke in seinem Erinnerungsbuch „Leben und Bauen“: „Wenn drei Viertel von allem, was ich gebaut habe, zerstört ist: hier kann ich weinen, dies greift mir mehr an das Herz als die Ruine meines eigenen Hauses, hier war einmal Vollkommenheit erreicht.“

Die zweite Brücke: eine Behelfsbrücke

In der Zwischenzeit diente eine Behelfsbrücke dem Verkehr. Mit ihrem Bau wurde 1948 begonnen, die öffentliche Einweihung und Freigabe erfolgte am 15. Dezember 1949; übrigens die erste offizielle Inbetriebnahme der Limburger Autobahnbrücke, denn im Winter 1939 fand eine solche wegen des kurz zuvor begonnenen Krieges nicht statt. Architektonisch war die Behelfsbrücke ein Kompromiss zwischen Alt und Neu, hatte aber keinerlei ästhetische Qualitäten. Sie nutzte die an beiden Lahnufern stehen gebliebenen Rundbogen der alten Autobahnbrücke und verband die 238 Meter lange Lücke dazwischen mit einer 1825 Tonnen schweren Stahlkonstruktion, die von zwei Stahlstützen getragen wurde, errichtet auf einem Fundament von Resten gesprengter Pfeiler. Die Fahrbahn bestand aus Betonplatten und war 7,50 Meter breit. Für jede Richtung hatte sie nur eine Spur.

Die dritte Autobahnbrücke

Ab Mitte der 1950er Jahre wurde die Behelfsbrücke mit ihrer einfachen Gegenfahrbahn dem immer stärker werdenden Verkehr, insbesondere von Lastwagen, nicht mehr gerecht. Vor allem zur Reisezeit stellte sie ein Nadelöhr dar. So musste denn eine neue, dritte Autobahnbrücke errichtet werden. Die Limburger und die Denkmalpfleger der Republik wie auch der Deutsche Naturwerkstein Verband forcierten einen Neubau à la erster Brücke, wie diese harmonisch eingeschmiegt in die Landschaft. Aus den sechs Entwürfen eines Wettbewerbs wurde der von der Firma Wayss & Freytag eingereichte Entwurf ausgewählt. Er stellte unter Beweis, dass auch mit modernen Methoden und Techniken eine schöne, sich dem Landschaftsbild einfügende Autobahnbrücke gebaut werden kann – wie die alte, ursprüngliche Brücke. Sie wurde bei laufendem Verkehr über die Behelfsbrücke gebaut, erst eine Spur nach Köln, dann die zweite Spur nach Frankfurt. Die Einweihung war 1965.

Die vierte Autobahnbrücke

Dieses Bauverfahren wurde fast genauso auch beim Bau der vierten Limburger Autobahnbrücke angewandt, nur dass hier die dritte Autobahn während des Neubaus der vierten Brücke für den Verkehr stehen blieb und erst nach Freigabe der vierten Autobahnbrücke gesprengt wurde. Diese wurde im sogenannten "Freivorbau in fünf Meter langen Abschnitten mit Hilfspfeilern" errichtet. Spatenstich war 2013, der erste Streckenabschnitt nach Köln wurde 2015 fertig, Ende 2016 der zweite nach Frankfurt, sodass ab 2017 der Verkehr reibungslos in beide Richtungen verläuft. Während der Bauphase der vierten Brücke brachte ein Architekturbüro den Vorschlag auf, die alte Autobahnbrücke stehen zu lassen und um die Pfeiler herum Wohnungen und Geschäftsräume zu bauen. Dieses Vorhaben wurde in der ganzen Republik und in den Medien diskutiert, bis die Stadtverordnetenversammlung Limburgs dieser Idee die Verwirklichung versagte.

Wer die neue, vierte Autobahnbrücke Limburgs von der Stadt aus betrachtet, wird feststellen, dass auch sie sich filigran und harmonisch in die Landschaft einpasst – wie die erste Brücke von 1939, die Ästhetik vor Funktionalität verwirklicht hatte.



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