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Lage der Nationen

(explizit.net)Nach seiner Rede in Indien kürzt Barack H. Obama die Reise ab, um Saudi-Arabien zum Ableben König Abdullahs zu kondolieren und den neuen König Salman Bin Abd al-Aziz zu treffen. Jemens Metropole Sana haben die durch Iran abgestützten al-Huthis erobert. Amerika kann da nicht mehr gegen die al-Qaida angehen. Laut New America Foundation töteten dort im Vorjahr 19 Drohnen 124 Islamisten. Indes weitet sich die Kluft Schiiten-Sunniten im sunnitischen Land. Teheran klemmt im Zwist mit Saudi-Arabien dieses Land der Heiligtümer von Mekka und Medina ein: im Süden Schiiten unter Abd al-Malik al-Huthi, im Norden, in Irak, Syrien und Libanon schiitische Alawiten unter Bashshar al-Asad und der Hizballah bis an Israel heran; und Hamas. Dazwischen der „Islamstaat“, der fünf Golfmonarchien bedroht, deren Wende von der Stammesnation zum Bürgerstaat ansteht. Aber Amerikas Führung wirft Fragen auf, wie Obamas Nationalrede erwies.

(explizit.net)Nach seiner Rede in Indien kürzt Barack H. Obama die Reise ab, um Saudi-Arabien zum Ableben König Abdullahs zu kondolieren und den neuen König Salman Bin Abd al-Aziz zu treffen. Jemens Metropole Sana haben die durch Iran abgestützten al-Huthis erobert. Amerika kann da nicht mehr gegen die al-Qaida angehen. Laut New America Foundation töteten dort im Vorjahr 19 Drohnen 124 Islamisten. Indes weitet sich die Kluft Schiiten-Sunniten im sunnitischen Land. Teheran klemmt im Zwist mit Saudi-Arabien dieses Land der Heiligtümer von Mekka und Medina ein: im Süden Schiiten unter Abd al-Malik al-Huthi, im Norden, in Irak, Syrien und Libanon schiitische Alawiten unter Bashshar al-Asad und der Hizballah bis an Israel heran; und Hamas. Dazwischen der „Islamstaat“, der fünf Golfmonarchien bedroht, deren Wende von der Stammesnation zum Bürgerstaat ansteht. Aber Amerikas Führung wirft Fragen auf, wie Obamas Nationalrede erwies.

Als hätten ihm die Wähler keine Abfuhr im November erteilt und die Balance der Macht nicht zu Gunsten seiner Opponenten im Kongress verändert, fährt Präsident Obama mit seinem linken Kurs „grandioser Umverteilung“ fort, trotz Überschuldung. Zur „Lage der Nation“ erklärte er nach sechs Jahren Amtszeit am Dienstag, den 20. Januar, das Vorjahr zum Durchbruchsjahr: vorbei wären Krise samt Rezession wie die Zeit in Afghanistan, die Abhängigkeit vom fremden Erdöl in einer Ära, in der Terror Amerikas Küsten ereilte. Fazit: Kein Grund sich umzuorientieren. Wenn Kongressleute dies als die Gesetzgeber tun wollen, so gilt ihnen sein Veto, was er gleich vier Mal in seiner Abendrede androhte.

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Optimismus trug Barack H. Obama zur Schau, wo Realismus geboten war. Er denkt nicht daran, nach Wählerwillen zur Mitte zu rücken, obzwar er Schulden Ende seiner Amtszeit auf 20 Trilliarden Dollar verdoppelt (2007 1/3 des Nationalprodukts, 2024 3/4). Gern will er Steuern für „Bonbons“ erheben: drei Jahre College frei, wo 40 Prozent aller Studenten starten, aber laut David Brooks, New York Times, ohnehin als Stipendiaten - 38 Prozent - Abbruchraten von 66 bis 80 Prozent haben; bezahlte Krankheitstage; neuer Mindestlohn und „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ bei Frauen. Zwei Haken gibt es: der Präsident hat keine Mehrheiten, sprach also in den Wind. Er will Robin Hood spielen, dies sollen die Reichen zahlen. Das nennt er Ökonomie der Mittelklasse. Jedoch sank im Schnitt deren familiäres Jahreseinkommen in seiner Zeit von 57.000 auf 52.000 Dollar. Diese Mitte - 60 Prozent aller - umfasst die Haushaltseinkommen zwischen 21.000 bis 106.000 Dollar.

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Da’ish

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Zwar halbierten sich die Ölpreise und die Arbeitslosenrate fiel auf 5,6 Prozent. Doch lief all dies nicht wegen, sondern trotz Obama. Das Budget liegt noch im Defizit: Regierende geben mehr aus, als sie einnehmen - 20 Prozent des Gesamtprodukts. Die Senatorin Joni Ernst sprach für Republikaner davon, den Kongress besser zu lenken: bezahlbare Wege, Steuerreform, neue Jobs, Ersetzung von Obamacare, und Terrorbekämpfung gegen den „Islamstaat“ und al-Qaida. Um zu siegen, bedürfe es des Neuansatzes, auch gegen Irans Griff nach Nukes. Tags darauf lud Sprecher John A. Boehner Israels Premier Benjamin Netanjahu vor den Kongress am 3. März ein. Obama will ihn nicht treffen, ein Affront.

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Als Orator glänzt Obama, ist aber kein guter Regent. Seine Rede galt der Linksbasis einer eventuellen Nachfolgerin, Hillary R. Clinton. Al-Qaida fehlte, obwohl sie vom Jemen nach Europa greift. Zwar sagte er, überall Terroristen zu jagen, auch unilateral. Er weise „provokative Stereotype von Muslimen ab“. Einige mochten Ende 2014 in arabischen Sozialmedien den „Islamstaat“ prozentual: Qatar 48, Pakistan 35, Belgien 31, Türkei 22, Amerika-Frankreich 21 und 16 Deutschland. „ISIS“ nannte Außenminister John Kerry im Akronym „Da’ish“, bei ihm „Daesh“. So muss er „islamisch“ nicht erwähnen, zumal es Leute wie oft beim Terror so auslegen, dies wäre nicht der Islam wie „ISIS“ auch nicht.

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Wie sein Chef trennt Kerry nicht Islamisten von Muslimen, die Ideologie des Islamismus vom Islam. Nur so konnte er in Davos am 24. Januar sagen, Hauptfehler sei „Muslime kollektiv für Verbrechen zu beschuldigen, die sie nicht allein begingen.“ Was lehrte wohl Benghazi? Unschärfe führt zu Verlusten. Viele meinen doch den „Radikalislam“ - am 24. Januar tötete der „Islamstaat“ den Japaner Haruna Yukawa -, gar nicht Muslime als Gruppe. Nebulöses wie „gewaltsamer Extremismus“ verfehlt. Das folgt einer unreellen Weltsicht mit der frühen Parteinahme für Islamisten wie Muslimbrüder, diese im Zuge von Revolten als “Inklusion„ in die Macht zu bringen, Liberale zu schwächen, Kriegsfeuer in Syrien und Irak nicht voll zu löschen, Iran als fast A-Waffenstaat sowie Streit mit Israel und Ägypten. Laut Präsident Obama stoppe das US-Militär in Irak und Syrien den Vormarsch des „Islamstaats“. Der wird vorerst verzögert. Kann man Krieg schwelen lassen? Jihadis greifen aus: Sinai, Libyen, Jemen, Mittelafrika und Europa. Darf der Kreml Bashshar al-Assad stützen, ist Bodenkrieg ohne Nebenfolgen umgehbar?

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Zeitstürmer

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Die Trennwand zwischen Islam und Islamismus ist flexibel. Die Religion wuchs in 1.436 Jahren ihrer Datierung bis heute zum gewaltigen Bau heran. Sie kennt viele Praktiken, in Pakistan andere als in Arabien, Iran oder im Kaukasus. Regionalarten des Indo-, Latino-, Sino- oder Euro-Islams füllen Bibliotheken an. Orthodoxe kennen nur den Islam. Einmalig erleben Muslime ihre Pilgerfahrten, wenn sie in Mekka und Medina die Umma sehen. Also ist „der Islam“ eine idealtypische Abstraktion, die sich regional wie lokal je anders erweist. Islamologen wie der Begründer der modernen Islamkunde Deutschlands haben um 1900 die große Vielfalt beschrieben. Carl Heinrich Becker kam dahin, was man „Zwölferislam“ nennen könnte. Er warf drei Fragen auf: ist die islamische Staatsidee eine Gefahr für die deutsche Kolonialverwaltung; bedroht der Islam die Christianisierung deutscher Schutzgebiete in Afrika; und gefährdet die islamische Kultur die Expansion von Europas Zivilisation? Bevor er das erörterte, hielt er alle an, „zwölf Gesichter“ des Islam zu beachten: Religion; Kultur und Zivilisation; Staat; Ideal; Realität; Mittelalter; Lebensart; Revolte; friedliche Art; fanatische Art; Welteinheit um Mekka; globaler [Pan-] Islamismus - im Widerstand gegen die Moderne in Europa und in Amerika sowie deren Ordnungen und Werte.

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Becker definierte in Kaiser Wilhelms Reise zum Osmanenkalif 1898 den Start der „offi-ziellen Islampolitik“. Er wähnte im Islam keine Gefahr, sondern dessen Europäisierung in Afrika als „Höherentwicklung des Kontinents“, kurz durch Euro-Islam. Er konnte ja nicht ahnen, dass es hundert Jahre später durch Migration in der Globalära eher den Euro-Islam in Europa, noch nicht in Afrika geben würde. Indes riet er Berlin eine „sachkundige Islampolitik“ an: Wissen um die Ideale und lokalen Arten; gerüstet zu sein für kriegerische Eventualfälle; die Friedfertigen pflegen, Fanatische schonen und Einflussreiche verbünden; sowie islamistische „Revolten des Mahdi-Typs“ gegen Korrupte und „Ungläubige“ meiden.

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Aber er änderte seine Ansicht im Großen Krieg. Er war für Bruderschaften in der deutsch-osmanischen Jihadisierung des Islam. In den Zirkeln der deutschen Jihadeiferer Max von Oppenheims entfaltete der Ägypter Abd al-Malik Hamza eine Theorie des Islamismus und edierte sie im Mai 1917: deutsch in Berlin und arabisch in Istanbul. Diese reifte seit 1800 heran. Doch Hamza machte daraus eine Kriegsideologie im kolonialen Rücken der Berliner Gegner: eine globale Bruderschaft der Muslime nach Islamlehren, die „feindliche Elemente“ überwinde. Letztere waren „Ungläubige“ der Kolonialstaaten Großbritannien, Frankreich und Russland - ausgenommen verbündete Mittelmächte wie Deutschland und Österreich - sowie im Osmanenreich ebenso Minoritäten wie Juden und Christen. Ziel insgesamt: „Kolonialjoch“ abwerfen und im Kalifat glorreiche Weltbeherrscher wie einst die Altvorderen werden. Islamisten benutzen nicht wenige solcher Leitbilder, obwohl die Kolonialreiche längst vergingen.

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Becker sah Modernismus im „Politislam“, der aber westliche Modernen abwehrt und Islam zur Mobilisierung ausnutzt. Als Istanbul am 14. November 1914 zum Jihad aufrief, schoss im Jihadmob ein muslimischer Polizist in eine englische „Christenuhr“, damit sie stoppe. Jenem Aufruf Anfang 1915 in Australien folgend, ermordeten zwei Jihadis vier Australier.

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Zeitstürmer, Hamza und Nachfolger nannten sich Islamisten, al-Islamiyyun, um Muslime gegen die Moderne zu vereinnahmen. Da es kaum Parteien noch Parlamente gab, benutzten sie 15 Bruderschaften, von as-Sanusiyya über al-Qadiriyya, al-Mahdiyya und die Muslimbruderschaft bis zur Jamaat-e Islami und al-Qaida. Heute bilden sie Parteien und Kalifat in der Globalmission. Sie bremsten - neben Israelis - Ägypter Abd al-Fattah as-Sisis und Sunnigelehrte der al-Azhar-Kreise, die 2014 Revolten samt Angriffsjihad und Kalifat verwarfen. Angela Merkel traf den Punkt: Islamismus wende im Namen der Religion Gewalt an oder rufe dazu auf, um andere zu unterwerfen. Salafismus gehöre nicht zu Deutschland. „Ehrenmorde“, Gewaltexzesse in Familien oder mit der Scharia eine Paralleljustiz zu bilden, seien gegen die Wertordnung. Die Justiz möge dies ahnden.

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<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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