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Kommentar: Das Arbeitsrecht der Kirchen muss sich verändern

(explizit.net / kath.de) Kath.de-Kommentar:Die Katholische Kirche könnte den meisten Wiederverheiratet-Geschiedenen Mitarbeitern kündigen

Die Debatte um Wiederverheiratet-Geschiedene hat diese Woche das deutsche Verfassungsgericht beschäftigt. Verhandelt wurde der Fall eines angestellten Chefarztes, der zwei Jahre nach seiner Scheidung eine Zivilehe mit seiner neuen Lebensgefährtin einging. An Stelle von Glückwünschen erhielt er von dem katholischen Träger des Krankenhauses, in dem der Arzt angestellt war, jedoch die Kündigung. Begründung: mit der erneuten Heirat würde sich der Chefarzt nicht an die katholische Sittenlehre halten und verstößt damit gegen seine Loyalitätsobliegenheiten.

(explizit.net / kath.de) Kath.de-Kommentar:Die Katholische Kirche könnte den meisten Wiederverheiratet-Geschiedenen Mitarbeitern kündigen

Die Debatte um Wiederverheiratet-Geschiedene hat diese Woche das deutsche Verfassungsgericht beschäftigt. Verhandelt wurde der Fall eines angestellten Chefarztes, der zwei Jahre nach seiner Scheidung eine Zivilehe mit seiner neuen Lebensgefährtin einging. An Stelle von Glückwünschen erhielt er von dem katholischen Träger des Krankenhauses, in dem der Arzt angestellt war, jedoch die Kündigung. Begründung: mit der erneuten Heirat würde sich der Chefarzt nicht an die katholische Sittenlehre halten und verstößt damit gegen seine Loyalitätsobliegenheiten.

Nachdem alle Instanzen bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht die Kündigung als nicht rechtskräftig beurteilt hatten, revidierten die Verfassungsrichter diesen Donnerstag diese Urteile wieder. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Kirchen die Inhalte der Loyalitätsobligenheiten frei wählen. Ob und ab wann ein Mitarbeiter gegen die Loyalitätsobliegenheiten verstößt, regeln die katholischen Arbeitgeber mit dem kirchlichen Arbeitsrecht. Die Entscheidung, ob ein Loyalitätsverstoß vorliegt oder nicht, wird daher von einem eigenständigen Kirchengericht getroffen - und muss von den staatlichen Gerichten respektiert werden. Von Kirchenvertretern, wie dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, wurde das Karlsruher Urteil begrüßt. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt uns Rechtssicherheit", so der Kölner Erzbischof. Diese sei besonders bei der Auswahl kirchlicher Mitarbeiter und deren Beschäftigungsbedingungen wichtig. Soweit so gut.

Fraglich ist jedoch, ob alle kirchlichen Mitarbeiter den gleichen moralischen Ansprüchen gerecht werden müssen? So gelten bereits heute für nicht-katholische Arbeitnehmer der Kirche geringere Anforderungen. Für viele Berufsgruppen, die nicht öffentlich in die Verkündigung der Kirche eingebunden sind, könnte das kirchliche Recht ebenfalls geringere Anforderungen einführen. Der Bedarf für eine Rechtereform ist groß.

Das aktuelle kirchliche Arbeitsrecht macht die Kirche als Arbeitgeber unattraktiv

Die Symbolwirkung des jetzigen Verfassungsgerichturteils auf weitere Berufsgruppen könnte fatal sein. Nicht nur Chefärzte und Küster, sondern auch Reinigungskräfte, Krankenpfleger und Kirchenmusiker, die für kirchliche Einrichtungen arbeiten, fallen unter die Rechtsprechung der Verfassungsrichter. Ihnen allen droht als Wiederverheiratet-Geschiedene im Falle eines Falles die Kündigung. Die kirchlichen Einrichtungen verlieren durch diese Regelung an Attraktivität und viele Mitarbeiter werden sich fragen, ob sie nicht im Vorhinein den Arbeitgeber wechseln, um sich eventuelle kirchenrechtliche Probleme zu ersparen.

Viele katholische Einrichtungen verlieren ihr Profil

Viele katholische Krankenhäuser und Schulen stehen vor der Herausforderung, geeignete Mitarbeiter für sich zu begeistern. Im Wettbewerb mit anderen Einrichtungen können sie es sich kaum leisten, auf die besten Kandidaten allein auf Grund deren Religionszugehörigkeit zu verzichten. In den meisten Arbeitsbereichen ist eine konfessionelle und religiöse Pluralität selbstverständlich geworden. Spätestens durch die gemischt-religiösen Belegschaften stellt sich für die katholischen Träger aber die Frage, wie und mit welchen Mitarbeitern sie in einer religiös pluralen Gesellschaft das katholische Profil ihrer Einrichtung nachzeichnen können?

Die pauschale Antwort "mit allen katholischen Mitarbeitern" hilft nicht weiter. Weder verbessert ein Mitarbeiter allein auf Grund seiner Religionszugehörigkeit die Außenwahrnehmung seines Arbeitgebers, noch garantiert die Einhaltung der kirchenrechtlichen Grenzen eine innere religiöse Überzeugung. Für viele kirchliche Angestellte dürfte ihr Beruf schlicht ein normaler Beruf sein, den sie nicht direkt mit ihrer privaten Religiosität in Beziehung setzen.

Die kirchlichen Arbeitgeber sollten ihre Rechtspraxis auf die heutigen Herausforderungen einstellen

Die kirchlichen Träger müssen transparent machen, welche Berufsgruppen für die Wahrnehmung des katholischen Profils und der christlichen Inhalte ihres Arbeitgebers im Arbeitsalltag wirklich relevant sind. Eine Reinigungskraft oder eine Sekretärin gehören vielleicht nicht zu dieser repräsentativen Personengruppe. Der Krankenhauspfarrer oder der Leiter einer katholischen Akademie schon. Solange die Religionszugehörigkeit und Orthopraxis der Mitarbeiter einer Berufsgruppe in der Öffentlichkeit nicht sichtbar werden, ist ihre Relevanz für die gesellschaftliche Wahrnehmung ihres Arbeitgebers tendenziell gering und die Kirche tut gut daran, diesen Personengruppen mehr Freiräume zuzugestehen.

Das Ideal einer "Volkskirche" hat sich im Zuge der Individualisierung und Pluralisierung des Glaubens in Deutschland nicht halten können. Eine neue Vielfalt von Lebenswelten und der Abbruch katholischen Lebens in weiten Teilen der Gesellschaft sind tonangebend. Als zweitgrößte Arbeitgeber nach dem Staat müssen die christlichen Kirchen in Deutschland ihre Rechtsprechung aus einer Zeit mit Volkskirchlichen Strukturen revidieren und auf diese neuen Gesellschaftskontexte anpassen. Glaubwürdigkeit entsteht neu, wenn die formal katholischen Lebensverhältnisse nur bei den Berufsgruppen mit allen Konsequenzen eingefordert werden, die auch in ihrer Rolle als Katholiken wahrgenommen werden. Bei allen anderen Arbeitnehmern wiegen andere Einstellungskriterien höher, als die religiöse Orthopraxis im Berufsalltag. Die Verfassungsrichter haben mit ihrem Urteil der katholischen Kirche nicht nur ihre Rechtssicherheit bestätigt. Sie haben indirekt auch unterstrichen, dass den kirchlichen Gesetzgebern, also den Bischöfe, die Verantwortung für ein zeitgemäßes kirchliches Arbeitsrecht zukommt.

Ein erstes Reformpaket könnte bald verabschiedet werden

Mit Spannung darf daher die anstehende Veröffentlichung des Reform-Entwurfs erwartet werden, den eine Arbeitsgruppe des Verbands der Diözesen Deutschlands mit dem früheren Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch ausgearbeitet hat. Nach Informationen der Rheinischen Post soll der abschließende Entwurf schon diesen November präsentieren werden und darin die erneute Heirat nach einer Scheidung nur noch als Kündigungsgrund zugelassen sein, "wenn dieser objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen". Was dies in der Praxis bedeutet, werden die diözesanen Kirchengerichte klären müssen.

<emphasize>Dario Rafael Hülsmann</emphasize>

<emphasize>(kath.de-Redaktion)</emphasize>


Schlagworte: #Kath.de #Kommentar

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