Amiens Kathedrale Foto: explizit.net E.B.

Kirche: ist nicht verantwortlich für meinen Glauben

Schon vor vielen Jahren habe ich mich davon freigeschwommen, meinen Glauben von der Qualität einzelner Priester und damit von der Institution Kirche abhängig zu machen. Sie sind wie Du und ich Menschen. Sie haben wie ich die Verantwortung, ihre Berufung so gewissenhaft wie möglich zu entfalten.

Jeder hat Verantwortung für seinen Lebensauftrag

Nicht nur die Priester und Ordensleute, sondern jeder von uns hat die Aufgabe, seinen Lebensauftrag zu erkennen und umzusetzen. Wir sind nämlich alle einzigartig. Aber genauso wenig, wie uns das immer gelingt, ist das auch bei Priestern nicht in jedem Fall gewährleistet. Auch in dieser Berufsgruppe gibt es Misslungenes, Verkorkstes, Krankes, das verhindert,  dass sie ihrer Berufung wirklich gerecht werden. Es braucht frühzeitige Aufdeckung, damit sie Heilung finden bzw. damit sie Konsequenzen für ihr Fehlverhalten erleben.
Wir haben unsere Berufung nicht von Menschen, denn wir sind von Gott mit einzigartigen Gaben und Talenten ausgestattet. Jeder ist nicht nur durch seine individuelle DNA, seine unverwechselbare Iris und den besonderen Daumenabdruck einmalig, sondern trägt auch einen einzigartigen Ruf Gottes in sich, um seine einmaligen Talente und Begabungen für die Gemeinschaft einzusetzen. 
So auch die Priester. Sie übernehmen wie Du und ich, manchmal auch weniger gelungen, die Verantwortung für ihre Berufung wahr.

Der abgehobene Status der Priester

Was mir aber aufstößt ist die Überhöhung der Berufung der Priester. Sie sollen moralisches Vorbild sein. Wenn dem so wäre, hieße das ja, dass sie ohne Makel sind und damit bessere Menschen als wir. So werden sie immer noch von der Kirche hingestellt. Stimmt das? Ist das nicht überzogen?
Wenn die Kirche das meint, muss sie damit rechnen, dass auch wir von dieser Personengruppe mehr erwarten als sie wirklich leisten kann. Das führt aber zu einem enormen Anspruch an jeden einzelnen Priester. Dem kann er nicht gewachsen sein, weil keiner wie Jesus frei von Schuld und Sünde ist.

Fehlverhalten hat Konsequenzen – auch für Priester

Was tut diese Kirche, damit die Menschen, deren Berufung das Priesteramt ist, die Konsequenzen ihres Verhaltens erleben können? Wie begleitet sie die Priester, deren Verhalten oft ohne Korrektur bleibt, weil sich die Leute nicht trauen, es ihnen direkt zu sagen?
Die Kirche kann Vergehen in ihren eigenen Reihen nicht verhindern, weil sich auch im Klerus der Spiegel unserer Gesellschaft abbildet. Was in der Welt passiert, geschieht auch im Klerus. Es sind Menschen. Da wird gelogen, gestohlen, hintergangen, missbraucht. Sie sind mit den gleichen Defiziten ausgestattet wie jeder andere. Wie bei allen anderen braucht es aber auch für ihr Fehlverhalten Konsequenzen. Bleibt ihr Verhalten ohne Reaktion, können sie zu der Einschätzung kommen, dass sie sich das erlauben können. Es besteht dringend Handlungsbedarf, dass die Kirche die Fehltritte aufgedeckt und ahndet.

Vergebung ist möglich

Mich lassen die Missbrauchsskandale in der Kirche auch nicht unberührt. Ich bin froh, dass sie aufgedeckt werden. Alles, was ans Licht kommt, hat eine Chance auf Heilung. Ich rechtfertige damit nicht die Verbrechen. Sie können nicht vergessen werden, weil den Opfern großes Leid zugefügt wurde. Es ist eine Realität, die auf jeden Fall sanktioniert werden muss. Damit die Opfer aber ihren inneren Frieden finden, ihre Psyche geheilt werden kann, braucht es die Vergebung.
Vergeben ist aber erst möglich, wenn die Täter ihre Tat eingestehen und sich zur Rechenschaft ziehen lassen. Auch die Täter können sich erst wieder selbst in ihrem Innersten annehmen und vor Gott treten, wenn sie für ihre Taten einstehen. Deshalb müssen die Fälle vor weltliche Gerichte, auch weil die Kirche das mit ihren internen Strukturen nicht schafft.
Wenn die Täter nicht mehr leben, brauchen die Opfer durch Verantwortliche der Kirche stellvertretende Anerkennung ihres Leides, der verletzten Würde.

Den eignen Glauben nicht von den Priestern abhängig machen

Die noch aktive Kirchgängergeneration der „Silver Hairs“ ist von den Missbrauchsfällen geschockt. Sie sind erschrocken, weil sie sich in ihrem moralischen Verständnis von Priestern getäuscht fühlen und auch enttäuscht wurden. Außerdem kommen viele auch nicht mit den Umstrukturierungen zurecht. Da fallen Gottesdienste aus oder werden zusammengelegt. Die Einheiten werden größer, die Wege weiter. Da bricht schon mal eine religiöse Welt zusammen. So manch einer tritt dann auch aus der Kirche aus.  Aber warum halten immer noch so viele in dieser Krise aus? Da gibt es mehrere Gründe:
Die einen, weil sie aus ihrer Tradition nicht aussteigen wollen oder sogar einen vorbildlichen Pfarrer in ihrer Gemeinde haben. Andere, weil sie die Situation verdrängen, wieder andere weil sie sich in der Verantwortung sehen, diese Kirche nicht zu Grunde gehen zu lassen.
Dann gibt es auch solche, die sich innerlich von der Institution frei gemacht haben, sich aber nach wie vor als Christen fühlen und für die daher Gott eine Rolle spielt. Sie unterstützen mit ihrer Anwesenheit oder ihrem Engagement in der Kirche nicht das Unrecht und die Unfähigkeit kirchlich Verantwortlicher. Sie wollen, dass das christliche Gut nicht einfach aus unserer Gesellschaft verschwindet. Denn wehe, wenn wir uns nicht mehr auf die christlichen Werte beziehen können, weil sie niemand mehr kennt.
Diese Gläubigen trennen zwischen priesterlichem Versagen, den Orientierungsschwierigkeiten in der Institution, sowie der Trägheit, Konsequenzen zu ziehen und ihrem Glauben an Gott. Das ist nicht einfach, aber sie sichern sich damit ihre religiöse Freiheit.  Für sie ist nicht die Institution Kirche verantwortlich für ihren Glauben an den christlichen Gott.


Kategorie: Kirche

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