Kirche findet Stadt

Stadtentwicklung gehört zu den drängendsten gesellschaftlichen Herausforderungen und stand im Mittelpunkt des 12. Nationalen Bundeskongresses "Nationale Stadtentwicklung" in Frankfurt am Main. Schnell zeigte sich dabei: eine drängende Aufgabe, die viel Potential für kreative und gemeinwohlorientierte Lösungen bietet. Und welche Rolle kann Kirche in der Stadtentwicklung spielen?

Stadtentwicklung gehört zu den drängendsten gesellschaftlichen Herausforderungen. Diesen Fragen stellen sich Experten aller Fachrichtungen. Politische Verantwortung trägt in Deutschland das Bundesinnen(+bau)ministerium. Und so veranstaltete es vor kurzem den 12. Nationalen Bundeskongresses Nationale Stadtentwicklung in Frankfurt am Main. Mit dabei: Die Kirchen und die Frage, welche Rolle sie in der Stadtentwicklung spielen. Schnell zeigte sich: eine drängende Aufgabe, die viel Potential für kreative und gemeinwohlorientierte Lösungen bietet.

Rückbau und Umnutzung von Kirchen

Ein Turm mit Kreuz und Zeigeruhr, dazu meist ein Langhaus: die äußeren Kennzeichen eines Kirchengebäudes sind den Allermeisten so vertraut, wie die Erwartungshaltung, was einem im Inneren begegnet. Mag die genaue Gestaltung auch variieren, eine Ahnung von Transzendenz und Heiligkeit sollte der Raum vermitteln. Doch mit dem Trend zum Rückbau und Umnutzung kirchlicher Gebäude steigt die Wahrscheinlichkeit von Überraschungen: Cafés, Büros, Wohnungen, Kletterhallen oder Kulturzentren, die Bandbreite ist inzwischen groß.

Um diese Gebäude zu erhalten sind kreative Lösungen gefragt. Die Alternative lautet sonst häufig: Abriss, Verfall oder/und Verkauf. Nicht selten versuchen Spekulanten ein Bein in die Tür der Kirchen zu bekommen um die städtischen Filetgrundstücke in die Finger zu kriegen. Ein aktuelles Beispiel ist die Matthäuskirche mitten im Bankenviertel von Frankfurt. Für die Kirchen stellt sich dann die Frage: Präsent bleiben oder Rendite machen?

Ökumenisches Kooperationsprojekt Kirche findet Stadt


Zukunftsfähig sind viele Kirchengebäude nur, wenn sich neue Kooperation über den kirchlichen Binnenkreis hinaus ergeben. Dieses Ziel verfolgt seit 2011 ein ökumenisches Kooperationsprojekt unter dem Label Kirche findet Stadt. Konkrete Aufgaben des Netzwerkes sind es, kirchliche Verantwortliche und kommunale Raumplaner an einen Tisch zu bekommen, Vertrauen aufzubauen und Risikobereitschaft zu fördern. Die Herausforderungen sind riesig: Veränderungsängste der örtlichen Gemeinden, Finanzierungsvorbehalte, Denkmalschutz oder geteilte Verantwortung sind nur ein paar Stichworte hinter denen sich häufig tonnenschwere Bremsklötze verbergen.

Und so dienten die Diskussionsrunden mit örtlichen Projektverantwortlichen, VertreterInnen von Caritas und Diakonie sowie kommunalen Raumplanern vor allem zur Problemsensibilisierung und Netzwerkarbeit. Auffällig: die vielen TeilnehmerInnen aus Norddeutschland und dem Bistum Essen, bei denen die Realität von Kirchenschließungen seit Jahren zum Alltagsgeschäft gehört. Sie konnten daher gelungene Beispiele von konzeptionellen Transformationen hin zu Sozial-Pastoralen-Zentren in den Austausch einbringen. Verantwortliche Entscheidungsträger wie etwa Generalvikar fehlten jedoch. Dabei wäre eine Verzahnung kirchlicher und gesellschaftlicher Transformationsprozesse dringend geboten. Eine vertane Chance!

Hotel Total

Aber apropos gelungene Beispiele: Patricia Graf, Mitinhaberin einer Kreativagentur, eröffnete mit ihrem Projekt eine Ahnung, welche Möglichkeiten die Umnutzung von Kirchen für eine gemeinwohlorientierte Stadtteilentwicklung bieten. Mit zwei Mitstreiterinnen hat sie in einer Aachener Kirche das Hotel Total betrieben. Das zeitlich befristete Projekt, bot neben zahlreichen Kulturveranstaltungen, auch Qualifizierungsworkshops für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose an. Da wurde gehämmert, gezimmert und ein echtes Hotel betrieben. Design-Studierende entwarfen trendiges Inventar und Geschäftsleute aus dem Umfeld unterstützten das Projekt mit Rabattaktionen. Der Verkauf der Kirche an einen Investor beendete das Hotel Total. Die Frage nach Rendite oder Gemeinwohlorientierung hat das Bistum Aachen damit beantwortet. Dabei hat die Kirche durch ein solch innovatives Projekt viele Lernchancen ihre eigene Pastoral neu zu lernen. Dort gelang, was die Kirche schon lange nicht mehr schafft: Menschen zu verbinden!

Stadt-Land Gefälle

Der Titel der Veranstaltung und die Diskussionen zeigten, wie sehr sich das Handlungsfeld (bislang) auf die urbanen Zentren beschränkt. Dr. Stefan Krämer von der Wüstenrot Stiftung durchbrach diese Logik, indem er auf einen Wettbewerb der Stiftung hinwies, der sich auf kleine Gemeinden bis 5000 Menschen beschränkt und u.a. die Erhaltung und/oder Umnutzug von Kirchen fördert. Gerade die Stärke der Kirchen in ländlich geprägten Regionen weist womöglich einen Weg hin zu vielfältigen Transformationsszenarien. Es ist zu hoffen, dass kirchlichen Verantwortlichen den Wettbewerb aufmerksam verfolgen und daran partizipieren!

Fazit

Die Veranstaltung Kirche in der Stadtentwicklung hat ein spürbares Interesse von StadtteilsplanernInnen und den Kirchen an einer Zusammenarbeit gezeigt. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, welche Pionierleistung die Verantwortlichen von Kirche findet Statt und anderen Partnern wie dem LfR (Informationskreis für Raumplanung) vollbringen. Es ist viel Lobbyarbeit, ein langer Atem und hoher personeller Einsatz gefragt, um den Verantwortungsträgern die win-win Situation zu verdeutlichen und die enormen Potentiale von Umnutzungskonzepten und alternativen Kooperationsmodellen vor Augen zu führen. Für die Gemeinden vor Ort heißt es: Früh genug Alternativen entwickeln. Die Kirche als Ganzes stellt es vor die Frage: Sind wir bereit uns über die traditionellen Pastoralkonzepte hinaus in der Stadtentwicklung und für das Gemeinwohl zu engagieren? Und: Was darf es Kosten?

Für weitere Informationen: Kirche in der Stadtentwicklung, Raumplanung. Zeitschrift für räumliche Planung und Forschung 197 (4/2018).


Kategorie: Kirche

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