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Keine Langeweile mehr

Das Leben besteht aus verpassten Chancen. So könnte ein zynischer Mensch meinen. Und in der Tat: Werden nicht viele Menschen zynisch in unseren Tagen, weil sie unter ihren Möglichkeiten blieben, weil sie ihre Gelegenheiten nicht beim Schopfe packten, sondern verstreichen ließen? Diese Leute werden von ihren verpatzten Momenten nicht losgelassen. Sie leben im «was wäre, wenn» endloser Tagträume. Jesus rückt das grade. Heute!

 

Der Evangelist Markus berichtet vom Anfang der Predigt Jesu. Es geht um vier Sachverhalten: die erfüllte Zeit, das Reich Gottes, die Umkehr und das Evangelium.  Das Evangelium für den 21.1.18

Die erfüllte Zeit
Der Umgang mit Zeit ist etwas sehr interessantes. Das Neue Testament enthält vieles, was Jesus anders macht als alle anderen. Sein Umgang mit der Zeit fasziniert besonders. Denn wo Jesus war, da gab es nie Langeweile. Das ist sogar ein Hinweis auf seine Göttlichkeit: Jesus ist die einzige Person, die nie jemanden gelangweilt hat. Seine Zeit war immer erfüllt, kurzweilig. Sie war voll mit Leben. Das Gegenteil der erfüllten Zeit ist die entleerte Zeit: Langeweile.

Das Reich Gottes

Es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen Reich Gottes und erfüllter Zeit. Der Mensch, der vom Paradies träumt, seinem «was wäre, wenn» nachgeht, der baut sich sein eigenes Reich im Kopf. Jeder macht das. Nur einer macht es anders: Jesus. Sein Reich ist keine vertane Träumerei, kein «was wäre, wenn», sondern eine Absage an alles «was wäre, wenn». Die persönlichen Himmelsvorstellungen liegen ja immer in der Zukunft, fern und unerreichbar. Das Reich Gottes liegt ganz nah. Denn es beginnt dort, wo Jesus ist.
Wessen Zeit noch aussteht, weil sie erst auf Erfüllung in der Zukunft wartet, dessen Zeit ist angefüllt mit langweiliger Leere. Wessen Zeit aber sich hier und jetzt ereignet, wer nicht auf die Zukunft wartet, weil in Jesus die Zukunft bereits heute zu ihm gekommen und damit erfüllt ist, dessen Zeit ist kurzweilig, nah und greifbar.

Umkehr

Langeweile will keiner, dafür ein Leben am Puls der Zeit. Doch was muss man dafür tun? Jesus gibt die Antwort: Kehrt um, metanoeite, paenitemini! Rückt die Dinge grade, stellt sie vom Kopf auf die Füße! Erneuert euer Denken! Aber nicht nur das, sondern eure ganzes Leben, eure Existenz, euer Dasein! Lasst euer «was wäre, wenn» links liegen, macht euch keine Illusionen, legt euch keine Utopien zurecht. Dagegen richtet euren Sinn auf die wesentlichen Dinge.

Die frohe Botschaft

Was ist das Wesentliche? Worauf sollen wir unseren Sinn richten? – Das ist das Evangelium, die Frohe Botschaft. Diese Frohe Botschaft ist Jesus selbst. In ihm kommt Gott den Menschen, der ganzen Schöpfung nahe. Er ist das Reich Gottes, was angebrochen ist für uns. Aber worin besteht das Evangelium Jesu konkret?
Die weitere Geschichte klärt auch das. Jesus beruft seine Jünger. Jünger heißt eigentlich (in fast allen Sprachen bis auf Deutsch) Schüler. Simon und Andreas, Jakobus und Johannes sind Schüler des Evangeliums, weil sie Schüler Jesu sind.

Die Jünger - Schule

Doch diese Schule ist anders als alle anderen Schulen! Denn es geht nicht um irgendwelche Lerninhalte, sondern um eine Person. Die Jünger lernen nicht Mathe, Physik oder Latein, sondern lernen einzig und allein Jesus kennen.
Wir haben das oft nicht so ganz klar: Wir fragen uns, worin das Reich Gottes besteht und wir denken dann an Frieden, Wohlstand, Liebe, Gerechtigkeit. Doch das alles sind nur schwache Vorstellungen. Sie stehen mehr auf der Seite des «was wäre, wenn» als auf der Seite des Reiches Gottes. Denn es geht darum, Jesus zu kennen. Und Jesus ist mehr als Frieden, Wohlstand, Liebe oder Gerechtigkeit. Er ist eine Person, ja die Person überhaupt. Und keine Vorstellung kommt ihm nahe. Nur wer Jesus kennt, kann letztlich seine Träumereien ablegen. Nur wer Jesus kennt, lebt nicht in der Langeweile. Nur wer Jesus kennt, weiß was der Himmel ist. Nur wer ihm nahe kommt, kommt dem Himmel nahe.
Das Leben einiger besteht aus genutzten Chancen. Sie kannten keine Langeweile, weil sie ernst machten mit der Umkehr, mit dem Evangelium, dem Reich Gottes. Man nennt diese Menschen Heilige. Von weitem erscheinen diese Figuren wie diese Tagträume: unerreichbar und fern. Sie umgibt eine Wolke von Utopie. Ihr Leben klingt zu phantastisch, um wahr zu sein. Das wurde frisiert. Oder aber man verbindet mit ihnen den Staub blutleerer, strenger, humorloser und spielverderbender Moralität. – Doch beides trifft nicht zu. Weder Utopie noch griesgrämige Moralisten. Heilige sind, wie es in einem Kirchenlied heißt, Freunde Gottes. Sie haben Jesus kennen gelernt. Sie haben ihren Weg mit Jesus gemacht. Und so dienen sie uns als Zeichen, um das Evangelium Jesu besser kennen zu lernen. An ihrem Leben ist dieses Evangelium sichtbar geworden. An ihnen sieht man auch: das Reich Gottes war ihnen nahe. Keine Utopie, sondern

 Zum Bildmotiv. Tilman Riemenschneider hat nicht einfach Skulpturen in den Altarkasten gestellt, sondern die Dynamik in der Jüngergruppe Jesu so festgehalten, dass die Figuren zu gestikulieren scheinen.



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