Und dann wären da ja noch die Kirchensteuern, die mein Portmonee monatlich um etliche Euro erleichtern. Was hält mich also noch in dem Verein?
Katholisch – nicht wegen ihrer Hirten
Ich muss wirklich tief in mich gehen, um mir über die Gründe klar zu werden, warum ich eben nicht austrete und so tief ich auch grabe, es fällt mir schwer es in Worte zu fassen. Da ist zum einen die familiäre Verantwortung. Als gute Katholiken mit schlesischen Wurzeln, scheint der Gedanke allein schon völlig absurd, NICHT Teil einer Kirche zu sein. Meine religiöse Zugehörigkeit ist genauso Teil meiner persönlichen Identifikation wie mein Name oder meine Staatsbürgerschaft. Und letztere lege ich schließlich auch nicht einfach ab, nur weil ich über alle Maßen unzufrieden mit den politischen Verantwortlichen unseres Landes bin, mich von ihnen schlecht repräsentiert und geleitet fühle. Genauso wie mich meine Staatsbürgerschaft zum Teil einer nationalen Gemeinschaft macht, bin ich auch durch meine religiöse Zugehörigkeit Teil einer Gemeinschaft. Und diese besteht nicht nur aus Priestern, Bischöfen und Kardinälen.
Gemeinden stärken
Meine religiöse Identität besteht zu einem großen Teil daraus, Teil einer Gemeinde zu sein. Doch durch immer größer werdende Pastorale Räume und zusammengelegte Pfarreien haben viele Gläubige den Kontakt zur Kirche verloren, kennen weder Geistliche noch Gemeindemitglieder. Religionszugehörigkeit ist für sie nicht mehr Ausdruck von Gemeinschaft, sondern von Anonymität. Dabei gibt es gerade auf pastoraler Ebene so vieles, was gelingt. In Caritas und Seniorenarbeit. Junge Menschen, die sich als Sternsinger engagieren und Gutes für ihre Altersgenossen tun. Jugendarbeit und Katechese, die funktioniert, weil sie von Laien und Ehrenamtlichen gestaltet wird.
Ich bin in der Gemeinde meiner Kindheit und Jugend weiterhin engagiert, obwohl ich durch meinen Wohnortwechsel längst nicht mehr offiziell zur Gemeinde oder dem Pastoralverbund dazugehöre. Durch meine Verbundenheit zur „untersten pastoralen Ebene“ sind Gemeindemitglieder, Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände viel nähere Repräsentanten meiner Kirche als die höchsten Vertreter meines Bistums. So würde ein Austritt aus der Kirche bedeuten, dass ich diese ehrenamtlich Engagierten, die aus Überzeugung heraus ihr Möglichstes tun, um gemeinsamen Glauben am Leben zu halten, im Stich lasse.
Verantwortung übernehmen
Es wäre zu einfach, der Kirche den Rücken zu kehren, nur weil etwas gehörig schiefläuft. Als Mitglied trage doch auch ich Verantwortung, Kirche mitzugestalten, zu verändern. Gerade wenn es nicht so läuft, wie es sich die Mehrheit vorstellt, wie es ethisch und moralisch richtig wäre. Ohne Zweifel muss die Kirche demokratischer werden, doch das kann nur nach dem Bottom-Up Prinzip erfolgen. Laien kann doch nur Verantwortung anvertraut werden, wenn diese auch bereit sind, sie anzunehmen. Fast täglich gehen Bürgerinnen und Bürger auf die Straße, um gegen Missstände oder für Veränderungen zu protestieren. Sie fühlen sich verantwortlich für Umwelt, kulturelle Offenheit und solidarische Pandemiebekämpfung. Für Veränderungen in der Kirche scheint man sich immer nur dann verantwortlich zu fühlen, wenn ein neues Gutachten veröffentlicht wird, oder eine Vollversammlung der Bischöfe ansteht.
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