Ich bin Anfang 30, neu in einer westdeutschen Großstadt, und ich suche nach einer Form von katholischer Kirche, in der ich dazugehören kann. Ich bin noch unverheiratet, baue mir gerade meine berufliche Existenz auf. In der Kirchengemeinde bei mir vor Ort, vor den Toren der Großstadt gibt es nur alte Menschen und junge Familien mit Kindern. Da gehöre ich eindeutig noch nicht dazu. Als Alternative dazu für mich bietet man mir Jugendkirche und Studentengemeinde an. Zu keiner dieser Ziel- und Altersgruppen gehöre ich.
Ich bin katholischer Theologe und eigentlich der Überzeugung, in der Kirche verwurzelt zu sein, habe jahrelang Jugendverbandsarbeit gemacht, regelmäßig Exerzitien, bin nach Taizé gefahren, arbeite unter anderem für kirchliche Auftraggeber. Und doch: Ich finde keine Gottesdienstform in der Großstadt, die meinem Alter und meiner Lebensphase entspricht.
Jugendkirchen und Studentengemeinden
Ich finde Jugendkirchen prima. Da gibt es großartige, engagierte Leute und tolle Projekte. Auch die Studentengemeinden leisten oft hervorragende Arbeit in den Städten. Ich bin aber kein Jugendlicher mehr und mein Studium habe ich auch schon vor ein paar Jahren abgeschlossen. Damit ist nicht gesagt, dass ich nicht hin und wieder auch einige dieser Angebote wahrnehmen könnte, ab und an mal einen Gottesdienst der Jugendkirche besuchen oder eine Veranstaltung der Studentengemeinde mitnehmen würde. Im Kern gehöre ich aber nicht zu diesen Zielgruppen, meine Lebensthemen stehen dort nicht im Fokus. Ich möchte in der Kirche Menschen treffen, die in meinem Alter sind religiös sozialisiert oder zumindest interessiert oder auf der Suche.
Was ich suche und nicht finde, ist eine Gemeinde, in der Leute wie ich entweder die Kernzielgruppe sind oder zumindest wesentlich zum Leben in der Gemeinde dazugehören. In gewöhnlichen Sonntags- oder Werktagsgottesdiensten sind eben Senioren und junge Familien. Wenn ich Kinder hätte, würde ich vermutlich schnell dazugehören oder zumindest die Kinder. Kindergottesdienste sind ja immer noch keine Angebote für die Eltern.
Bedürfnis nach institutioneller Nähe und Kontinuität
Ich bin auf dem Weg, ein Familie zu gründen. Meine Partnerin ist noch im Studium. Ich selbst baue meine berufliche Existenz gerade auf. Da ich Kurse geben und journalistisch arbeiten will, bin ich Freiberufler. Da ich beruflich viel unterwegs bin, wünsche ich mir eine Kirche, die in meiner Heimat zuverlässig und regelmäßig für mich da ist. Ich wünsche mir – seitens der Institution – regelmäßige Gottesdienste und Angebote, in denen ich mit meinen Fragen und meinem Lebensalter ernst genommen werde.
Dass es in meiner Altersgruppe dieses Bedürfnis nach institutioneller Kontinuität und Nähe gibt, überrascht die Institution Kirche offenbar. Ich habe den Eindruck, dass man kirchlicherseits mit meiner Altersgruppe überfordert ist. Vielen zwischen 30 und 40 geht es so. Dabei gibt es doch eigentlich keine Lebensphase, in der Leute tatkräftiger und mehr auf der Suche sind.
Übergangsphase ernst nehmen
Jugend und Studentenzeit sind Übergangsphasen im Leben. Es ist gut, dass es für diese Phasen anschlussfähige kirchliche Angebote gibt in den Städten. Ich bin momentan auch in einer Übergangsphase: Beginn des Berufslebens, vor dem Start einer Familiengründung. Genau für mich – für uns, denn ich bin nicht der einzige – müsste es doch auch ein konkretes Gemeinde- oder Kirchenangebot geben, meinetwegen eine „Ü30-Kirche“. Über einen besseren Namen könnte man ja noch diskutieren.
Kirchlicherseits wünsche ich mir, dass das Bedürfnis meiner Altersgruppe und meiner Lebensphase wahr- und ernstgenommen wird. Es mag überraschend sein, dass es uns gibt. Vielleicht sind wir auch erstmal eine Überforderung. Aber es gibt uns: Jung, tatkräftig, religiös auf der Suche nach Bindung und Gemeinschaft. Die Kirche sollte sich uns nicht einfach durch die Lappen gehen lassen.
© Matthias Alexander Schmidt
explizit.net
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