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Kath.de-Kommentar: „Am Ende entscheide Ich!“

(explizit.net/ kath.de) Kath.de-Wochenkommentar

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Der EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider hat sich über viele Jahre an der Spitze des Rates der Evangelischen Kirchein Deutschland (EKD) einen soliden Ruf aufgebaut. Als Landesbischof trat er dabei bis zuletzt gegen die Einführung der aktiven Sterbehilfe ein, die bei unseren Europäischen Nachbarn in Belgien oder den Niederlanden längst Normalität geworden ist. Besonders der Umgang von Schneider und dessen Frau mit der Krebserkrankung und dem frühen Tod ihrer Tochter hat sich tief in das öffentliche Bild des EKD-Vorsitzenden eingebrannt und verlangt nach Respekt. Umso trauriger ist der erneute Schicksalsschlag, den das Paar mit der Krebserkrankung von Schneiders Ehefrau getroffen hat. Wie schon bei der Erkrankung ihrer Tochter suchte das Paar auch jetzt mit mehreren Interviews die Öffentlichkeit – um ein Zeichen zu setzen und Menschen, die ähnliche Situationen durchstehen müssen zu ermutigen.

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Der EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider hat sich über viele Jahre an der Spitze des Rates der Evangelischen Kirchein Deutschland (EKD) einen soliden Ruf aufgebaut. Als Landesbischof trat er dabei bis zuletzt gegen die Einführung der aktiven Sterbehilfe ein, die bei unseren Europäischen Nachbarn in Belgien oder den Niederlanden längst Normalität geworden ist. Besonders der Umgang von Schneider und dessen Frau mit der Krebserkrankung und dem frühen Tod ihrer Tochter hat sich tief in das öffentliche Bild des EKD-Vorsitzenden eingebrannt und verlangt nach Respekt. Umso trauriger ist der erneute Schicksalsschlag, den das Paar mit der Krebserkrankung von Schneiders Ehefrau getroffen hat. Wie schon bei der Erkrankung ihrer Tochter suchte das Paar auch jetzt mit mehreren Interviews die Öffentlichkeit – um ein Zeichen zu setzen und Menschen, die ähnliche Situationen durchstehen müssen zu ermutigen.

Privatsachen im Rahmen der kirchlichen Lehre

Öffentlich bekundet der evangelische Ratsvorsitzende gegenüber der Presse, dass er sich gemeinsam mit seiner Frau dafür entschieden hat, ihr, sollte sie es wünschen, aktive Sterbehilfe in der Schweiz zu ermöglichen. Nicht mehr als private Entscheidung, sondern als öffentliches Statement innerhalb der evangelischen Kirchen steht Schneider damit für die Wahlfreiheit von aktiver Sterbehilfe ein. Die offizielle Position der evangelischen Kirchen in Deutschland, die aktive Sterbehilfe strikt ablehnen, gerät hier mit Schneiders persönlicher Haltung in einen Konflikt. Denn wenn am Ende der Einzelne selbst entscheiden soll und kann, wie er seinem Leben ein Ende setzen will, muss angefragt werden, wofür die Kirchen noch sozialethische Parolen an die Gesellschaft abgeben sollen.

Bischöfe tragen das Evangelium in die Gesellschaft hinein

Bischöfe sollen Vorbilder sein und die kirchliche Lehre in die Gesellschaft hineintragen in dem Vertrauen, das sie gut ist für die Menschen. Auch wenn in den evangelischen Kirchen das Bischofsamt ein Wahlamt ist, kann der EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider sich seiner Verantwortung durch einen angekündigten Rücktritt nicht entziehen. Als Vertreter der evangelischen Kirche in Deutschland steht er als Person für die Glaubwürdigkeit ihrer Lehre ein. Als Person öffentlichen Lebens lebt er vor, was er lehrt und umgekehrt. Das gilt besonders bei der Debatte um aktive Sterbehilfe. Mit seiner Entscheidung, im Fall der Fälle die Freiheit des Einzelnen höher zu bewerten als die kirchliche Lehre, trifft er den Zeitgeist. Selbstoptimierung, das individuelle Glück und die Vermeidung von Schmerz und Alter prägen die zentralen Lebensentscheidungen.

Eine prophetische Kirche beugt sich dem Zeitgeist nicht

Die persönliche Entscheidung von Nikolaus Schneider muss mit großem Respekt und Anerkennung gewürdigt werden, da sie nicht zuletzt aus einer langen Auseinandersetzung und persönlichen Erfahrungen herrührt und ihr, so bekundete Schneider, eine lange Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewissen voraus ging.

Die Rolle des Vorsitzenden der EKD für die gesellschaftliche Auseinandersetzung um die aktive Sterbehilfe darf jedoch angefragt werden. Welchen Wert bekommt das Leben von der Gesellschaft zugewiesen, wenn es ein frei wählbares Haltbarkeitsdatum bekommt? Auch wenn im Einzelfall das Leid so groß werden mag, dass es schier unerträglich ist und der Tod Erlösung verheißt, darf die gesellschaftliche Signalwirkung eines systematischen medizinischen Tötens auf Verlangen nicht aus dem Blick geraten. Die deutsche Gesellschaft wird im Durchschnitt immer älter und die Zahl psychischer Erkrankungen nimmt seit Jahren zu. Die Gefahr ist hier groß, dass ein persönliches Urteil darüber, ob das eigene Leben noch lebenswert ist, vom gesellschaftlichen Druck bestimmt wird. Die Kirchen hätten hier die dringende Aufgabe, den Kranken und Lebensmüden Mut zuzusprechen und ihr Leben, so wie es ist, zu bejahen. Den Betroffenen muss sie ihre Lehre als konkrete Orientierungshilfe anbieten. Das ausgerechnet der höchste evangelische Kirchenvertreter sich für die Option der aktiven Sterbehilfe entscheidet, ist tragisch. Es zeichnet aber auch die Spannung zwischen individueller Freiheit und gläubiger Hoffnung nach, die sich bei dem Thema aktive Sterbehilfe nicht durchbrechen lässt. Ein Verbot der aktiven Sterbehilfe in Deutschland richtet sich jedoch nicht nach den privaten Wünschen der Betroffenen, sondern nach den Leitbildern, die sich unsere Gesellschaft selbst geben möchte. Und hier steht – noch – der Wert des einzelnen Leben über allen anderen Interessen.

<emphasize>Dario Raphael Hülsmann</emphasize>

<emphasize>Kath.de-Redaktion</emphasize>



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